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Kirche bauen – Akzeptiert Gott Beton? (Ulm)

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Kirche bauen – Akzeptiert Gott Beton? (Ulm)

~Ulrich Pantle

Manch ein Leser des Ausstellungstitels mag sich fragen, ob Beton inzwischen eine derart negative Konnotation hat, dass selbst Gott diese Materialwahl bei Kirchenbauten nicht akzeptieren könne. Oder steckt am Ende gar die Betonindustrie mit ihrem Slogan »Es kommt drauf an, was man draus macht« hinter dem Projekt? Dem war nicht so, die Schau musste ohne üppige Sponsorengelder aus der Branche realisiert werden. Grundsätzlich sind ambitionierte Architekturausstellungen im Stadthaus Ulm nicht ungewöhnlich, seitdem vor etwa zehn Jahren der Ulmer Architekt Max Stemshorn erstmals für eine Architekturausstellung verantwortlich zeichnete. So auch bei dieser Ausstellung, für die er die Projektleitung übernommen und die er gemeinsam mit Klaus Jan Philipp von der Universität Stuttgart wissenschaftlich vorbereitet hat.
Die Erklärung für die polemische Überschrift gibt die im Untertitel genannte und im Mittelpunkt der Ausstellung stehende Ulmer Pauluskirche (»Kirche bauen – Akzeptiert Gott Beton? Die Ulmer Pauluskirche im Kontext«). Der in der Architekturgeschichte besser als Garnisonskirche bekannte Bau wurde 1910 nach dem Entwurf von Theodor Fischer fertig gestellt, nachdem dieser als Sieger aus einem Wettbewerb hervorgegangen war. Und vor hundert Jahren hatte die Entscheidung Fischers, den Beton sichtbar zu belassen, auch schon eine herausfordernde Wirkung. Obgleich in diesem Fall die Provokationskraft des als profan geltenden Materials in mehrfacher Hinsicht eingeschränkt ist. Zum einen wurde es bereits vor dem Wettbewerb von der Bauherrschaft als Werkstoff zur Ausbildung des Dachtragwerkes erwogen, wie auf einer der Ausstellungstafeln mit dem Faksimile des Auslobungstextes zu lesen ist. Zum anderen wirkt der Beton durch die Kombination mit anderen Materialien wie etwa farbige Majolikafliesen nicht sehr dominant und durch die handwerkliche Bearbeitung der Oberflächen erhält er an vielen Stellen eine fast sanfte Anmutung, wie es eindrucksvoll die für die Ausstellung entstandenen Aufnahmen des Architekturfotografen Boris Miklautsch zeigen.
Die museal präsentierten Zeichnungen, arrangierten Postkarten im Verbindungssteg sowie das Originalmobiliar aus dem ehemaligen Konfirmandenraum machen gleichermaßen deutlich, warum Theodor Fischer auch stilistisch als Vermittler zwischen Historismus und Moderne gilt. Zwar weigerte sich Fischer, einem kanonisierten Stileklektizismus des späten 19. Jahrhunderts zu folgen, was damals mitunter gleichfalls als Affront verstanden wurde. Zugleich gehörte er aber noch nicht zu jenen Architekten, die in den 20er Jahren einen modernistischen Material- und Stilbruch im Kirchenbau praktizierten, wie es beispielsweise Otto Bartning mit dem Entwurf der Sternkirche (1922) oder Karl Moser mit der Antoniuskirche in Basel (1927) getan haben und weswegen Ferdinand Pfammatter der Garnisonskirche in seinem 1947 erschienenen Standardwerk über »Betonkirchen« kritisch attestierte, dass diese nicht frei sei »von formaler Bindung«.
Unabhängig von der Frage ihres Innovations-charakters ist die Pauluskirche heute noch ein baukulturelles Glanzstück und es ist mehr als angemessen ihr zum 100. Geburtstag eine Ausstellung zu widmen. Thematisch eingerahmt durch eine kurze Vorgeschichte des Baumaterials Beton sowie Modelle und Fotos von nachfolgenden Kirchenbauten aus Beton, bemühen sich die Ausstellungsmacher achtbar, mit den geringen finanziellen Mitteln die heterogenen Räumlichkeiten des Stadthauses von Richard Meier homogenisierend zu bespielen. Die Ausstellung wird begleitet von einer Broschüre mit lesenswerten Beiträgen von Klaus Jan Philipp, Reinhard Lambert Auer und Adelbert Schloz-Dürr.
Bis 21. November. Stadthaus Ulm, Münsterplatz 50, 89073 Ulm, Mo-Sa 9-18, Do 9-20, So und Feiertag 11-18 Uhr. www.stadthaus.ulm.de
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