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Kein Standard, bitte!

Sporthalle in Weinböhla bei Dresden
Kein Standard, bitte!

Die neue Sporthalle in Weinböhla sollte ansprechend sein, aber nicht viel kosten. Durch die Absenkung des Hallenbodens unter Gebäudeniveau und die zum Teil über die Dachebene hinausragenden Hauptträger stellt sich das Gebäude in der Ansicht wie ein schmales Band dar und fügt sich mit seiner geringen Gebäudehöhe gut in die Umgebung ein. Der gesamte Komplex wird unter einem großen, weit auskragenden Dach zusammengefasst, so dass die Dachbinder optisch hinter den Dachrand zurücktreten und erst aus größerer Entfernung sichtbar werden. The new sports hall in Weinböhla in a sensitive town planning situation was, while possessing amenity, not to cost too much. By sinking the hall floor niveau and projecting the main trusses partially above roof level, the building elevation appears as a narrow band, its low height relating well to the environment. The whole complex is integrated under a large, widely cantilevered roof, so that the trusses retreat behind the eaves and are visible only from a considerable distance.

Text: Annette Menting

Fotos: Petra Steiner
Der Ort Weinböhla, 20 km nordwestlich von Dresden an der Sächsischen Weinstraße gelegen, hat sich seit der Wende erheblich gewandelt: Der Rathausplatz wurde neu gestaltet, die Wohn- und Geschäftshäuser erscheinen in frischen Farben und der »Zentralgasthof« wurde als überregionales Kulturzentrum ausgebaut. Wer am Ortsausgang das desolat erscheinende Gewerbeareal von früher erwartet, wird überrascht von der neuen Sporthalle, die sich unversehens ins Blickfeld schiebt und den Übergang von Siedlungsfläche und Landschaft markiert. Die Dresdener Architekten Meyer und Bassin entwarfen einen klar proportionierten Baukörper, der sich in seiner zeitgemäßen Architektursprache zwar von dem dörflichen Kontext absetzt, aber dennoch nicht als Fremdkörper erscheint. Zunächst musste sich der Entwurf allerdings gegen Standardhallenanbieter und deren Versprechungen von festen Preisen und kurzfristigen Terminen beim Gemeinderat durchsetzen.
Vor allem die städtebauliche Integration des Architektenentwurfs konnte überzeugen: An der ortszugewandten Seite erfolgte eine sanfte Modulation des Geländes und die Absenkung des Spielfeldes um knapp eineinhalb Meter, wodurch die Hallendachkante bei nur sechs Metern liegt und sich damit auf die örtliche Bebauung bezieht. Die Glasfronten der Halle gewähren großzügigen Einblick ins Innere, wodurch die sportlich-spielerischen Aktivitäten in den öffentlichen Raum einbezogen werden. An der gegenüberliegenden Seite wurde ein zwei Meter hoher Erdwall angetragen, so dass sich zwischen Halle und angrenzendem Bahndamm ein neuer Landschaftsraum erstreckt, der als Festwiese vielfältig genutzt wird.
Das Bild eines flachen, lang gestreckten Baukörpers erscheint für eine Sporthalle keineswegs selbstverständlich und schafft eine gelungene Verbindung zwischen Ortsstruktur und weitläufiger Landschaft. Auch beim baukonstruktiven Konzept wurde die angestrebte Höhenreduktion bedacht und die Primärtragstruktur außen angeordnet. Dies erinnert an ein klassisches Gestaltungsprinzip Mies van der Rohes, der die Stützen und hohen Dachbinder der Crown Hall in Chicago nach außen verlegte, um im Innern mehr Platz für einen hallenartigen Raum zu schaffen.
Dieser strukturelle Aufbau ist bei der Nassauhalle in Weinböhla erst auf den zweiten Blick ablesbar, denn ein weit auskragender Dachrand unterstreicht die Horizontalität des Baukörpers und gibt den Blick auf die 2,40 Meter hohen Hohlkastenträger nicht sogleich frei. Als Material wurde hier nicht Stahl gewählt, wie es die schlanken Tragglieder vermuten lassen, sondern Holz. Die Architekten begründen ihre Wahl mit der »stärkeren haptischen Erfahrbarkeit des Materials«. Anders als bei dem miesschen Bau wurde also nicht die Distanz schaffende Sphäre der Repräsentation angestrebt, stattdessen entstand ein Gebäude, das unmittelbar angenommen und intensiv genutzt werden soll.
Im Innern empfängt den Besucher ein lichter Hallenraum, dessen Dach nahezu schwebend erscheint. Die im Rohbau dramatisch hoch wirkenden Hohlkastenträger aus Brettschichtholz werden hier zunächst kaum wahrgenommen, da die Unterkanten von Primär- und Sekundärträgern ebenengleich angeordnet sind und so einen feingliedrig-regelmäßigen Trägerrost bilden. Die Hauptbinder werden in ihrer vollen Höhe lediglich durch die seitlich angeordneten Oberlichtsheds erkennbar. Diese architektonische Gestaltung zeugt von einem souveränen Umgang mit der Konstruktion, die sinnfällig eingesetzt wird und die Leistungsfähigkeit moderner Holzbautechniken ausreizt, sich jedoch nicht als Ausdrucksform in den Vordergrund drängt.
Aufmerksam macht auch die Anordnung der markanten Horizontalbinder, die sich in lediglich fünf der insgesamt acht Achsen finden und zwar über dem Spielfeld. Ein raumhoher Betonkubus und die Außenwände wurden in das Tragsystem so einbezogen, dass in diesen Achsen keine Binder erforderlich waren. Dieser unkonventionelle Ansatz, der unabhängig von starrem Formalismus und Symmetrien reagiert, lässt den Einfluss von Günter Behnisch vermuten, mit dem die Architekten vor Jahren zusammengearbeitet haben.
Durch das Hallendach erfährt der Innenraum zugleich eine Zonierung, da Mittel- und Seitenfelder des Daches unterschiedlich gestaltet sind. Die Breite des mittleren Dachfeldes wird in der Querfassade und in dem Betonkubus wieder aufgenommen, wodurch eine spannungsvolle Raumklammer entsteht. Die seitlichen Bereiche sind abgehängt, da hier die Dachentwässerung innenliegend geführt wird. Somit konnten die filigranen Glasfassaden von Technikinstallationen unabhängig gestaltet werden; und der Blick ins Freie bleibt ungestört.
Der Innenraum der Halle besticht durch seine Einfachheit. Einfachheit ist fast im miesschen Sinne gemeint, doch im Unterschied zu Mies` »Koste-es-was-es-wolle« war das Budget mit 2,1 Mio Euro für die Realisierung einer 1300 Quadratmeter großen Zweifeldsporthalle sehr knapp bemessen.
In diesem Kostenrahmen waren keine Sonderwünsche wie zum Beispiel ein Vereinsraum enthalten. Dass der Verein auf einen Raum in der Nassauhalle dennoch nicht verzichten musste, ist der Improvisationskunst der Architekten zu verdanken: Am seitlichen Eingang konzipierten sie statt des üblichen Vereinsraums einen funktionalen Tresen in Form einer ausziehbaren Box.
In Weinböhla ist man durchaus stolz auf die neue Halle, die sich mit ihrer charakteristischen Gestalt harmonisch in das Ortsbild einfügt und zum neuen Gemeinde-Image beiträgt. Ein Schriftzug wirbt bei ausgefahrenen Sonnenschutzrollos auf der Südseite mit großen Lettern für die »nassauhalle weinböhla« und weckt damit auch die Aufmerksamkeit der vorbeifahrenden Bahnreisenden. A.M.
Bauherr: Gemeinde Weinböhla, Sachsen Architekt: Meyer und Bassin, Architekten BDA, Dresden Projektleitung: Jörn Uwe Stintz Mitarbeiter: Markus Balzer, Jörg Vorwerk, Martina Ehleiter, Jan Klömich Tragwerksplanung: BfB Büro für Baukonstruktionen GmbH, Dr. Markus Hauer, Dr. Bernd Frese, Dresden Haustechnik: Büro Hoppe, Weinböhla Bauzeit: September 2002 – Oktober 2003 Baukosten: 2,15 Mio Euro Nutzfläche: 1375 m² Bruttorauminhalt: 9690 m³
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