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Ist der Landtag noch zu retten?

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Ist der Landtag noch zu retten?

~Peter Struck

Mit klarer Mehrheit hat der Niedersächsische Landtag Mitte März den Abriss des denkmalgeschützten Plenarsaals von Dieter Oesterlen beschlossen. In den vorangegangenen Wochen hatten die hannoverschen Bürger das spröde Baudenkmal gerade (neu) für sich entdeckt. Die frisch gegründete »Initiative Bürgerbeteiligung Landtag« sammelt jetzt Unterschriften für eine Petition gegen den Abriss des Baudenkmals, mit dem der niedersächsische Landtag gegen sein eigenes Denkmalschutzgesetz verstoßen würde.
Die Vorschläge zum Neubau des Plenarsaals, hervorgegangen aus dem zweiten Wettbewerb zur Landtags-Neugestaltung, haben vor allem deutlich gemacht, dass eine Umsetzung der neuen Entwürfe zu keiner Verbesserung führen würde. Wenigstens zeigen die insgesamt enttäuschenden Entwürfe in erster Linie die Qualität des bestehenden Baus: Dieter Oesterlen hatte den Landtag als Gesamtheit konzipiert, mit dem Plenarsaal den nie vollendeten Torso des Leineschlosses von Ludwig Laves in der schlichten Formensprache der 50er Jahre vervollständigt und damit Vergangenheit und Gegenwart zu einem neuen Ganzen verschmolzen. Einige Wettbewerbsentwürfe ergänzen daher zumindest die prächtige Fassade mit dem Portikus in Anlehnung an ihre klassizistische Formensprache, um sich dann an der Stirnseite in organischen Formen umso freier auszutoben. Die wenigen Entwürfe, die den alten Plenarsaal erhalten wollen, verstellen ihn jedoch mit merkwürdigen Annexen oder erdrücken ihn durch bügelartige Aufstockungen.
Der präferierte Neubauentwurf des Kölner Büros *yi* architects überzeugt weder baupraktisch noch städtebaulich und muss in erheblichen Punkten nachgebessert werden. Der selbstverliebte Solitär bleibt ein modischer, doch belangloser Fremdkörper, ihm fehlt der Bezug zum genius loci und die Demut vor dem historischen Bau: Eine 14 m breite Schneise trennt Leineschloss und Neubau kompromisslos voneinander und zerstört das sensibel austarierte Gleichgewicht des gesamten Ensembles. Der dominante Portikus verliert seine konzentrierende Funktion in dem solchermaßen degradierten Laves-Torso.
Auch der zweitplatzierte Entwurf von Walter Gebhardt, Hamburg, möchte zwar einen Großteil des Plenarsaal-Baus bewahren, sprengt seine Stirnseite jedoch regelrecht auf. Damit greift dieser »Umbau« so weit in die Bausubstanz ein, dass ihm Sitzungssaal und umschließende Wandelhalle komplett zum Opfer fallen: Gebhardt verstümmelt den Oesterlen-Bau derart, dass man auch gleich neu bauen könnte.
Völlig unverständlich bleibt, dass der dritte prämierte Entwurf von mm architekten, Martin A. Müller aus Hannover bisher mit keiner Silbe bedacht wurde – von den drei Preisträgern ist er definitiv der beste. Was Form und Lage des Plenarsaals betrifft, ähnelt er dem Entwurf von Yi, auch hier ist ein freistehender Kubus vom Leineschloss separiert. Der neue Saal erhält sein Licht von vier Seiten, wird aber an zwei Seiten durch teils gläsern überdachte Passagen so raffiniert mit dem Altbau verbunden, dass er als Bestandteil des Ensembles erscheint. Schlichte moderne Arkaden ergänzen die klassizistische Front im Osten und mildern dabei die abweisende Strenge des Oesterlen-Baus. Der neue Plenarsaal öffnet sich nach Südosten zur Leine und zu einem neuen Wasserbecken an der Karmarschstraße: Der tote Platz wird aufgewertet, die Südostecke des Bauwerks in ihrer Wirkung gesteigert. Obwohl der Entwurf den alten Plenarsaal opfert, kann er als moderne Variante und zeitgerechte Lösung der Oesterlenschen Konzeption gelten.
Einzig der Sieger-Entwurf von Koch Panse, Hannover, aus dem ersten Wettbewerb zum Umbau des niedersächsischen Landtages 2002 respektiert den Plenarsaal von Oesterlen und bessert ihn behutsam nach – öffnet ihn nach innen, zu einem bereits vorhandenen gläsernen Innenhof. Deshalb wurde jetzt von mehreren Seiten angeregt, dass die Büros Gebhardt und Koch Panse eine gemeinsame Lösung zum maßvollen Umbau entwickeln sollten. Ihre Bereitschaft haben beide Seiten bereits signalisiert. Noch ist es nicht zu spät für die Rettung des bedeutenden Baudenkmals.
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