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… in die Jahre gekommen – Europa-Park

Europa-Park in Rust 1975 – 2005
… in die Jahre gekommen – Europa-Park

... in die Jahre gekommen - Europa-Park
3 Das Luftbild aus den frühen Jahren mit dem 3600 Einwohner zählenden Rust im Hintergrund 4 Auf der »Silverstone-Piste« 5 Mit dem Abenteuerland sind die Macher des Parks dem Konzept »Europa« schon früh untreu geworden 6 »Italien« war 1982 der Auftakt zum Konzept der Architektur-Themenbereiche, die europäischen Ländern nachempfundenen sind; der Filmarchitekt und Bühnenbildner Ulrich Damrau begann dem Park ein neues Gesicht zu geben 7 Als Symbol der Technikbegeisterung steht die geodätische Kuppel in Ermangelung US-amerikanischer Präsenz im Frankreich gewidmeten Teil 8 Keine Kopie, sondern eine auf genauer Beobachtung basierende Nachahmung im Dienst der Atmosphäre: ein Schweizer Wallisstübli; links oben die Bobbahn 9 Französische Straßenszene 10 Damrau ist inzwischen über 90, die Gestaltung neuer Projekte liegt nun in anderen Händen. Den Entwurf zum Hotel Colosseo mitsamt der 1:2 Nachbildung des Kolosseums, hier kurz vor der Fertigstellung 2004, folgt nicht mehr seinem Vorsatz, keine Gebäude zu kopieren
Das Konzept des Europa-Parks in Rust, nördlich von Freiburg, ist nicht nur in Deutschland eines der erfolgreichsten. Neben den Attraktionen der Achter-, Rafting- oder Bobbahnen wurde hier mit viel Liebe zum Detail eine Welt aus sorgfältigen Inszenierungen verschiedener Länder geschaffen, die das Charakteristische des jeweiligen Landes konzentriert und bis vor kurzem auf Kopien verzichtet hat. Dieses Konzentrat ist die besondere Qualität des Parks, der mit Erinnerungen und Sehnsüchten spielt, sie gleichzeitig weckt und erfüllt. The Europa Park in Rust, to the north of Freiburg, belongs to the most successful leisure parks, not only in Germany. Beyond the attractions of the roller coaster, rafting and bob runs, a world has here been created, with great love of detail, of careful recreations of various countries, concentrating on their respective characteristics and, until recently, dispensing with replicas. This specialization determines the particular quality of the Park, playing on memories and yearings, simultaneously stirring and satisfying them.

2005 feiert der Europa-Park Rust Jubiläum – dreißig Jahre ist er nun alt. Zwar ist der Park, wenn man den Umfragen, die unter www.parkscout.de zu finden sind, glauben darf, weder der älteste noch der kinderfreundlichste Freizeitpark Deutschlands, aber nach gleicher Quelle war er 2003 der beliebteste. Und darf sich außerdem »Deutschlands Branchenprimus« unter den saisonalen Freizeitparks nennen. 3,7 Millionen Besucher kamen im letzten Jahr auf das 70 Hektar große Areal auf der Gemarkung der Gemeinde Rust, die gerade mal 3600 Einwohner zählt. Auch sonst ist der Trophäenschrank mit Auszeichnungen der Tourismusbranche gut gefüllt, doch nicht nur das: Roland Mack – geschäftsführender Gesellschafter des Europa-Parks – ist auch Gesellschafter der Firma »Mack Rides«, die als eines der hundert innovativsten Unternehmen des deutschen Mittelstands ausgezeichnet wurde. Mack Rides aus Waldkirch ist Hersteller und Betreiber von Fahrgeschäften und Freizeitanlagen. 1780 gründete Paul Mack die Firma, die zunächst Fuhrwagen und Postkutschen baute, 1870 ins Schausteller- und Karussellbaugeschäft einstieg und 1975 eben den Europa-Park eröffnete. Mit dem eigenen Produkt ein Geschäft zu machen und gleichzeitig die eigenen Produkte vorführen zu können, scheint im Rückblick ein plausibler und eleganter Schachzug; Anfang der siebziger Jahre glaubten jedoch nur wenige an seinen Erfolg. Erst nach mehreren Jahren Suche landete man im Fischerdörfchen Rust. Doch auch nach der Entscheidung, im malerischen Schlosspark, der erst seither den Bürgern frei zugänglich ist, ein Schaufenster für die eigenen Produkte zu öffnen, überwog Skepsis. »Pleitegeier über Rust« hieß es in der Lokalpresse, und weil keiner als Investor und Pächter einsteigen wollte, betrieben die Macks den Park eben selbst. Mit Erfolg: 250 000 Besucher verzeichnete man schon im ersten Jahr.

Inzwischen gestaltet der Europa-Park auch Events an anderen Orten, bietet 2800 Betten zur Übernachtung an und wirbt unter »Confertainment« für die Verbindung von Tagung und Unterhaltung, Erlebnisgastronomie – etwa als Rittermahl – inbegriffen. Denn das Geschäft ist hart und schnelllebig, und es gehört zur Sorgfalt, die man mit gut abgewägten Entscheidungen walten lassen möchte, sich nicht auf ein einzelnes Standbein zu verlassen. Im Moment ist die Mischung sehr erfolgreich. Heute werden sich daher insgeheim einige ärgern, damals die Chance ausgeschlagen zu haben. Zu ihnen gehört sicher das Städtchen Breisach bei Freiburg, an dessen Europa-See die Macks ihren Park gerne errichtet hätten und ihn entsprechend Europa-Park nennen wollten. Breisach schied aus, der gewählte Namen wurde beibehalten.
Landesplanung und Themenkonzept In Rust freut man sich stattdessen aus mehreren Gründen, denn heute würden landesplanerische Festlegungen Derartiges in einem vergleichbaren Ort kaum mehr möglich machen. Dabei ist die Zusammenarbeit der kleinen Gemeinde mit dem großen Park, wenn nicht frei von Konflikten, so doch auf ein kooperatives Miteinander eingeschliffen. Dreimal im Jahr finden institutionalisierte Informationsgespräche zwischen Gemeinderat und Geschäftsleitung statt. Vom Wert des Europa-Parks mit seinen 2800 Arbeitsplätzen und den darüber hinausgehenden wirtschaftlichen Vorteilen braucht man in Rust sowieso keinen mehr zu überzeugen. Eher schon die Nachbargemeinden, die bis vor kurzem die Last des Zufahrtsverkehrs zu tragen hatten. Doch mit der neuen Autobahnausfahrt ist seit 2002 auch dieser Konflikt entschärft. Jahrelang habe man dafür gegen die Ministerialbürokratie kämpfen müssen, so der Bürgermeister Rusts, Günter Gorecky. Ebenfalls gekämpft habe man, um dem Europa-Park langfristige Perspektiven bieten zu können. Ein Gebiet, das dafür groß genug ist, darf die Gemeinde alleine nicht ausweisen, doch als regionaler Schwerpunkt dürfen nun 120 Hektar touristisch über einen Zweckverband der Gemeinden, Rust und Ringsheim, auf deren Gemarkung das Areal liegt, entwickelt werden. Genaue Ziele sind dafür noch nicht formuliert, doch vorläufig ist man sich einig, keinen zweiten Freizeitpark entstehen zu lassen.
Heute, so postuliert es eine Presseinformation, entdecken die Gäste im Europa-Park die »architektonische und kulturelle Vielfalt Europas« – oder das, was davon übrig bleibt, wenn man die Länder touristisch betrachtet. Zwölf Themenbereiche sind es inzwischen, Portugal, als dem Land der Entdecker, ist der vorerst letzte gewidmet. Da bleiben noch Lücken, bis auf Russland, das sich als Technik- und Weltraummacht futuristisch in Szene setzen lässt, ist der ehemalige Ostblock unterrepräsentiert, und auch im Europa-Park darf die Türkei nicht dazu gehören. Dabei wären Türkischstämmige eine Klientel, die sich anzusprechen lohnte: Umfragen haben gezeigt, dass die Ausländer sich in den Themenbereichen ihres Heimatlandes am wohlsten fühlen; auch entsprechende Souvenierläden sind zu finden.
Doch dieses »scheinbare« Konzept lag dem Park nicht von Anfang an zugrunde, wie es sein Name suggerieren könnte. Erst 1982, mit dem italienischen Themenbereich, wurde diese Idee entwickelt und sie ist maßgeblich mit dem Namen des Bühnenbildners und Filmarchitekten Ulrich Damrau verbunden, der in der Folge die Entwicklung weiterer Themenbereiche anregte und verantwortete und das Bild des Europa-Parks entscheidend prägte, inzwischen die weitere Entwicklung aber aus der Hand gegeben hat.
Sein Credo war es stets, nie Gebäude nachzubauen, sondern die typische Atmosphäre fantasievoll einzufangen. Man bemüht sich dabei um Seriösität, sucht nach Handwerkern, die mit den regionaltypischen Techniken vertraut sind und hat beispielsweise für den 2001 fertig gestellten griechischen Themenbereich die Zusammenarbeit mit dem Archäologischen Institut der Universität Freiburg gesucht. Tatsächlich verblüfft an manchen Stellen die handwerkliche Sorgfalt. Doch Authentizität ist kein Kriterium: Der Park ist die Authentizität, so Damrau.
Realität und Erinnerung Es macht ja auch keinen Sinn, Echtes und Originales gegeneinander auszuspielen, wenn das Originale schon lange nicht mehr das Unverfälschte ist. Den Kern der Wahrheit kann man nur hinter der Erscheinung suchen, wenn Authentizität existiert. Doch auch die zerbricht an der Wirklichkeit der Bilderproduktion und -reproduktion. Gerade die Atmosphären, die in Rust nachempfunden werden, sind Produkte eines touristischen Marktes, ohne den die Wirklichkeit eine andere wäre, sei es in den Alpen, sei es in Südeuropa. Der Begriff der Hyperrealität, wie Jean Baudrillard ihn definiert, ist da schon zutreffender: demnach kann man im Gewimmel der Bilder nicht mehr zu einer Referenz der Realität durchdringen. Die Trugbilder verdecken nicht eine Realität, denn hinter ihnen befinde sich nichts mehr, die Differenz zwischen Wahrheit und Lüge habe sich verflüchtigt. Das Globetheater ist überall auf der Welt eine Reproduktion, und die geodätische Kuppel, in der die Achterbahn durchs Halbdunkel rauscht, war auch schon auf der Weltausstellung Teil eines Spektakels, das auf Überwältigung statt auf Erkenntnis setzte.
Bislang allerdings will auch im Europa-Park kaum jemand Erkenntnisse gewinnen. Die Tafeln, in denen in Kürze die neuen Länder der EU vorgestellt werden, sind nicht mehr als ein Hauch der Bildung, den man um der Atmosphäre willen wehen lässt. Zu dürftig ist die Information, als dass sie ernsthaft Wissen vermitteln würde. Allerdings beginnt man auch diese Scharte mit den »Science Days« für Kinder auszuwetzen. Vielleicht überdenkt man dann auch die Entscheidung, Vitruv zum Leiter einer Betonwerkstatt in der »Via Rustica« zu degradieren, in der er Werke wie den Stuttgarter Fernsehturm und die Oper von Sydney ersinnt. Denn obwohl das antike Rom den Beton kannte, etwas wie das Hotel Colosseo hätte man dort kaum gebaut. Im Maßstab 1:2 wird in diesem Hotel ein Teil des Kolosseums nachgebaut, der Innenhof der Hotels verbreitet die Atmosphäre eines italienischen Platzes. Für Kurzurlauber ideal, entfällt doch damit der Zeitverlust der Reise. Der Italienersatz ist wie ein Souvenir (das es ja auch zu kaufen gibt), es verlängert den Urlaub, der Vergangenheit ist. Doch nicht nur das: Es lassen sich auch Urlaubsreisen imaginieren, die man nie unternahm. Dafür darf sich der, der wieder nach Rust kommt, erinnern: Vom Europa-Park, wie er war, findet er alte Attraktionen wieder und er weiß, dass er beim nächsten Mal neue vorfinden wird – schon der aktuelle Besuch also ist Erinnerung. In gewisser Weise ist der Europa-Park also selbst eine Art Souvenirladen, der neben dem Erlebnis Erinnerung verkauft. Sie ist zwar nach Jean Paul das einzige Paradies, aus dem wir nicht vertrieben werden können, doch die Menschen vertrauen lieber darauf, die Erinnerung hin und wieder ein wenig aufzufrischen, wenn sie sie nicht gleich erfinden. C. H.
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