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… in die Jahre gekommen – Brückenfamilie

Düsseldorfer Brückenfamilie, 1957 – 2002
… in die Jahre gekommen – Brückenfamilie

Zur Düsseldorfer Brückenfamilie gehören inzwischen fünf Schrägseilbrücken, die zwischen 1957 und 2002 entstanden sind. Dass nahezu alle Rheinbrücken der Landeshauptstadt diesem Typus entsprechen, ist der konsequenten Haltung der Stadtverwaltung zu verdanken. Die zeitlos wirkende Ästhetik dieser Verkehrsbauwerke bereichert die Flussansichten und macht die Stadtsilhouette unverwechselbar. Five cable-stayed bridges belong to the Düsseldorf bridge family, constructed between 1957 and 2002. The local council is responsible for the fact that nearly all bridges in the state capital are of this type of construction. The timeless aesthetic of these road and transportation bridges enriches views of the river and distinguishes the city’s silhouette.

Text: Axel Föhl Fotos: Ingo Lammert

Ein gewisser Stolz ist den Düsseldorfern nicht abzusprechen auf ihre Rheinbrücken, oder viel mehr auf das, was sie seit den 1950er Jahren ihre »Brückenfamilie« nennen. Wer alles zur Familie gehört, ist nicht ganz sicher auszumachen, im Zweifelsfall werden alle auf Düsseldorfer Stadtgebiet den Strom querenden Bauwerke dazugezählt – und das sind nicht weniger als sieben nach dem Zweiten Weltkrieg wieder- oder erstmals entstandene Rheinbrücken.
Jedes Jahr seit 1993 hält die »Tochter Europas« oder »Klein-Paris«, wie die Fremdenverkehrswerbung die nordrhein-westfälische Landeshauptstadt gerne nennt, den großen »Brückenlauf Düsseldorf« ab. Der Zehn-Kilometer-Parcours führt über die beiden zentralen Rheinbrücken, die »Oberkasseler« und die »Knie-Brücke«.
Ein Grund für diesen sich auf die Flussbrücken der Stadt beziehenden Enthusiasmus mag tatsächlich im Bewusstsein der Düsseldorfer liegen, mit ihrer »Brückenfamilie« etwas Besonderes zu besitzen.
1945 lagen alle den Strom überquerenden Bauten in Trümmern. Das waren die erste feste Rheinquerung aus dem Jahr 1870, die »Kaiser-Wilhelm-Rhein-Eisenbahnbrücke«, ergänzt um eine zweite von 1911, sowie die 1898 von der »Rheinischen Bahngesellschaft« errichtete »Oberkasseler Brücke«, die man 1925/26 erweitert hatte. 1929 wurden schließlich Düsseldorf und Neuss durch die »Südbrücke« direkt verbunden, die den Straßen- wie den Straßenbahnverkehr aufzunehmen hatte.
Nach der Phase der üblichen Not- und Behelfslösungen des Nachkriegs, wie sie im zerstörten Deutschland gang und gäbe waren, kommt in Düsseldorf ein neuer Faktor ins Spiel: Der 1904 in Schwerin geborene, von Theodor Fischer, Hans Poelzig und Heinrich Tessenow ausgebildete und ab 1929 im Berliner Brückenbauamt tätige Friedrich Tamms wird 1948 Leiter des Düsseldorfer Stadtplanungsamtes für den Wiederaufbau und ab 1954 Beigeordneter für Stadt- und Landesplanung, Bauaufsicht und Wohnungsbau.
Nachdem bereits 1952 die Südbrücke durch einen Neubau ersetzt worden war, ergab sich für die Rheinquerungen im engeren Stadtgebiet, sei es als Ersatz- oder Neuplanung, die Chance, einheitliche gestalterische Grundprinzipien zu entwickeln. Die erste Gelegenheit dazu bot noch im selben Jahr 1952 die Planung einer im Düsseldorfer Norden, im Zuge der Uerdinger Straße bereits seit den 1920er Jahren vorgesehenen Rheinbrücke, nach ihrer Fertigstellung 1957 zunächst »Nordbrücke« genannt. Sie sollte das erste Glied der später vielgerühmten »Düsseldorfer Brückenfamilie« werden.
»Brückenbau auf neuen Wegen« nannten 1974 Friedrich Tamms als Gestalter und Erwin Beyer als Kopf des Brücken- und Tunnelbauamts das neue Konzept. Man wollte »gleichlautenden Konstruktionen und einheitlichen Gestaltungsprinzipien« folgen. Konkret geplant wurden daraufhin »seilverspannte Balkenbrücken mit relativ niedrigen Versteifungsträgern und schlanken, sich nach oben hin verjüngenden Pylonen«. Durch entsprechende Farbgebung in Weiß und Anthrazitgrau sollten die neuen Brückenkonstruktionen den Eindruck des »Leichten und Schwebenden« hervorrufen. Eine dritte Kraft im Bunde der Düsseldorfer Brückenplaner wurde Fritz Leonhardt, der 1909 geborene Bauingenieur, den sein Weg wie Tamms schon vor dem Krieg zum Straßen- und Brückenbau geführt hatte. Leonhardt war bereits am Bau der dominanten Kölner Rheinbrücken beteiligt gewesen. So plante er die 1941 fertig gestellte Autobahnbrücke Köln-Rodenkirchen, die damals größte Hängebrücke Europas mit ihrem pathetischen Stahl-Portal-Motiv, die nach dem Krieg baugleich wiedererstehen sollte (siehe db 5/1998). Er war es auch, der 1956 zusammen mit Franz Dischinger moderne Schrägseilbrücken entwickelte – 1957 wurde im schwedischen Strömsund die erste dieser Art eröffnet –, wie sie für die Planung der Düsseldorfer Brückenfamilie als Typus verbindlich wurde.
Erstaunlich, wie Tamms und Leonhardt, die ja vor dem und im Zweiten Weltkrieg mit Bauten der Verkehrs- und Rüstungsindustrie sowie bei der »Germania«-Planung (Tamms) mit schweren, auf »Masse« setzenden Gestaltungen aufgetreten waren, nun eine ganz andere, leichte Formensprache in den Verkehrsbau einführten. Für Leonhardt war dabei die ständige Suche nach besseren und kostengünstigen Lösungen selbstverständlicher Teil seiner Arbeit. Tamms hingegen gelang es nie, seine noch aus NS-Zeiten herrührende gestalterische Haltung gänzlich abzustreifen.
Nordbrücke (Theodor-Heuss-Brücke)
Eine Schrägseilbrücke mit vier Pylonen von 44 Metern Höhe und 260 Metern Spannweite war es denn auch, die, seit 1952 geplant, 1957 als »Nordbrücke« (ab 1964 »Theodor-Heuss-Brücke«) den Vorkriegstraum einer Rheinquerung im Düsseldorfer Norden verwirklichte. Die beiden flankierenden, backsteinverkleideten
Wohnhochhäuser waren bereits 1929 fertig gestellt worden.
Rheinkniebrücke
Mit nur zwei Pylonen, die dafür aber je 115 Meter hoch aufragen, wurde 1969 die südlich des Stadtzentrums gelegene »Kniebrücke« – wegen des hier gelegenen Rheinknies – eröffnet. Der innerstädtische Kontext (Dreischeiben-Hochhaus, Mannesmann-Hochhaus) rechtfertigt hier die Höhenausdehnung der Stützen. Bei der in die flache Landschaft des Niederrheins führenden Theodor-Heuss-Brücke waren es bei ihren vier Pylonen nur ein gutes Drittel dieser Höhe gewesen.
Oberkasseler Brücke
Die »Oberkasseler Brücke« schließlich, 1976 eröffnet, besitzt wie im Einklang mit einem hypothetischen »Halbierungsgesetz« nur noch einen einzelnen, 104 Meter hohen Pylon in der Mitte der Fahrbahn.
Die gesamte Konstruktion von 12 500 Tonnen Gewicht wurde nach Fertigstellung um fast 50 Meter nach Norden auf die Pfeiler der Vorgängerbrücke verschoben – ein viel bestauntes technisches Spektakel jener Zeit.
Gemeinsam ist diesen drei Brückenbauwerken, die die eigentliche Düsseldorfer Brückenfamilie ausmachen, die harfenartige, das heißt parallele Anordnung der Schrägseile. Nicht gewählt wurde die »Büschel- oder Fächeranordnung«, bei der alle Seile in einem Punkt an der Pylonspitze zusammentreffen, was Wartung und Auswechslung erschwert.
Erweiterte Familie: Fleher Brücke und Flughafenbrücke
Sozusagen als Cousins der Familie entstanden noch zwei weitere Schrägseilbrücken auf Düsseldorfer Stadtgebiet. Im Süden wurde 1979 die »Fleher Brücke« eingeweiht. Der 145 Meter hohe Pylon in Form eines umgekehrten Ypsilons, der zwischen seinen Schenkeln die Fahrbahn aufnimmt, ist in Stahlbeton-Bauweise errichtet, was die Brücke von den reinen Stahlkonstruktionen der engeren »Familienmitglieder« unterscheidet.
Nördlich der »Nordbrücke« gibt es seit 2002 noch die »Niederrhein-« oder »Flughafen-Brücke«. Die beiden hier nur 38,3 Meter hohen Stahlpylone haben im Aufriss eine gewöhnungsbedürftige Dreiecksform, ihre geringe Höhe ist der Nähe zum Flughafen geschuldet.
Als Bilanz von fünfzig Jahren Rheinbrückenbau in Düsseldorf lässt sich sagen, dass der Anspruch, innerhalb des Stadtzentrums eine wiedererkennbare optische, aber auch eine wahrnehmbare technisch-funktionale Kohärenz zu schaffen, als eingelöst gelten kann. Theodor-Heuss-Brücke, Rheinkniebrücke und Oberkasseler Brücke als geschwisterlich vereinte Mitglieder der Düsseldorfer Brückenfamilie, die diesen Namen mit vollem Recht trägt, repräsentieren eine architektonisch-ingenieurtechnische Ästhetik, die auch nach fast fünfzig Jahren nicht abgestanden oder epochenverhaftet wirkt. Im Großen und Ganzen haben die Bauwerke auch die Zeitläufte relativ unbeschadet überstanden und stehen unter dem Traditionsschutz einer auf diese Qualität einmal festgelegten Bauverwaltung.
Befürchten muss man allerdings, dass ein zweites Resultat der Kooperation des Düsseldorfer Triumvirats Tamms, Beyer und Leonhardt, die 1962 eingeweihte Hochstraße am Jan-Wellem-Platz mit ihrer in keiner Weise den Rheinbrücken nachstehenden, ästhetischen Qualität einzigartiger Eleganz und Leichtigkeit planerischen Begehrlichkeiten zum Opfer fallen könnte. Der Verlust wäre in einem solchen Fall der Zerstörung eines Mitglieds der Düsseldorfer Brückenfamilie durchaus adäquat. A. F.
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