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… in die Jahre gekommen – Vitra-Firmenareal

Vitra-Firmenareal in Weil am Rhein (seit 1981)
… in die Jahre gekommen – Vitra-Firmenareal

Als ein recht junges »in die Jahre gekommen« betrachten wir das Firmengelände des Möbelherstellers Vitra in Weil am Rhein. Seit 1981 entstehen auf dem Firmen-areal im Dreiländereck Deutschland, Schweiz und Frankreich Gebäude von internationalen Architekten, die zum Teil in Zusammenarbeit mit Vitra ihre ersten Bauten in Europa realisieren konnten. Das Gebäude- ensemble ist nach wie vor beispielgebend für einen identitätsstiftenden Einsatz von Architektur – für Mitarbeiter und Kunden gleichermaßen. As a rather young subject for this article series, we take a look at the premises of furniture manufacturer Vitra in Weil am Rhein. Since 1981, buildings on the site at the border triangle of Germany, Switzerland and France have emerged from international architects who, working together with Vitra, were able to realise their first European projects. The building ensemble still exemplifies how architecture can be deployed to enhance identity for both staff and customers.

Text: Kerstin Hoeger Fotos: Thomas Dix, Andreas Sütterlin, Marc Eggimann Die Unternehmensphilosophie von Vitra beruht darauf, »Spielräume für die Kreativität unterschiedlicher Persönlichkeiten zu schaffen«. Die Firma zeichnet sich durch die Vielfalt ihrer Produkte aus, die von Designerpersönlichkeiten mit individuellem Stil entworfen werden. Das offene und teilweise widersprüchliche Programm umfasst Klassiker wie Charles and Ray Eames, Dekonstruktivisten wie Robert Venturi und Neuentdeckungen wie Werner Aisslinger. Diese mutige, fast wilde Mischung spiegelt sich in der Unternehmensarchitektur wider. Auch bei den eigenen Bauten arbeitet Vitra mit namhaften Architektenpersönlichkeiten zusammen. Auf dem Werksgelände in Weil am Rhein entsteht so eine prestigeträchtige Architekturlandschaft von kulturellem Wert.

Vielfalt und Dialog: Strategie für Corporate Architecture Vitras Bewusstsein für Architektur begann 1981. Nach einem Großbrand auf dem Gelände in Weil wurde Nicholas Grimshaw beauftragt, einen Masterplan für das gesamte Areal zu entwickeln. Drei funktionale Fabrikationshallen wurden als Teil des homogenen Plans von Grimshaw errichtet. Grimshaws High-tech-Architektur entsprach dem Firmenimage von Vitra als einem Unternehmen von hoher technischer Qualität. Diese Corporate Identity-Strategie wurde 1984 nach einer Begegnung von Vitra-Chef Rolf Fehlbaum mit Frank O. Gehry bei der Aufstellung der Skulptur »Balancing Tools« von Claes Oldenburg und Coosje van Bruggen in Frage gestellt. Diskussionen mit Gehry, ursprünglich über eine Möbelserie aus Pappe (Easy Edges, 1969 –73) und später über das Vitra Design Museum, führten zu einer neuen Strategie ohne einheitliches Erscheinungsbild: »Unterschiedliche, aber nicht beliebige Architekturen sollen aufeinander treffen und diesen Ort durch Vitalität und Unverwechselbarkeit auszeichnen.« In Anlehnung an dieses Konzept entstanden in den folgenden Jahren eine Reihe von Bauten, die alle individuell auf den Ort eingehen. Gehry realisierte das expressive Vitra Design Museum mit der zugeordneten Fabrik (1989), Zaha Hadid die dynamische Feuerwache (1993), die heute für Veranstaltungen und zur Präsentation von »100 Masterpieces« aus der Sammlung des Design Museums genutzt wird, Tadao Ando einen meditativen Konferenzpavillon (1993) für Tagungen und Schulungen; und Alvaro Siza eine puristisch anmutende Fabrikationshalle. Unlängst wurde dieses Architekturmuseum um zwei historische Ikonen ergänzt: einen Buckminster Fuller Dome und eine demontierbare Tankstelle von Jean Prouvé, die Rolf Fehlbaum zufällig auf einer Tour durch Frankreich entdeckte. Außerdem hat Eva Jiricna in einer Fabrikhalle von Grimshaw ein Network/Living Office eingebaut, in dem Vitras innovative Bürosysteme von den Mitarbeitern getestet werden, um neue Ideen zu erforschen.
Mit diesem kontrastierenden Ensemble sowie der Verbindung von Produktion, Kultur, Austausch und Experiment, hat Vitra eine lebendige Umgebung geschaffen. Das Ergebnis ist also keine Corporate Identity-Architektur, die auf Wiedererkennung und Machtdemonstration basiert, sondern eine stimulierende Architekturlandschaft, welche die Interaktion zwischen Mitarbeiter, Produkt, Arbeitsumgebung, Kunde und Besucher fördert. Diese wechselseitigen Beziehungen haben einen positiven Einfluss auf die Produkte, auf den urbanen Kontext und das Firmenimage. Mit den wechselnden Ausstellungen des Design Museums, den Design-Workshops, Events und Architekturführungen sollen kulturelle Inhalte vermittelt sowie die Identität des Unternehmens erlebbar gemacht werden. Der Vitra-Campus stellt eine Verräumlichung der Werte des Unternehmens dar, wobei die Marke selbst zum Ort, zu einer Destination wird – ein Publikumsmagnet sowohl für Kunden als auch für Architektur- und Designliebhaber. Mit der Entwicklung von inspirierenden Arbeits- und Erlebnisräumen ist der Vitra-Campus noch immer wegweisend für die heute boomenden Markenwelten, die eine direkte und charakteristische Begegnung mit der Marke ermöglichen.
Kultivierung von Branding durch Kultivierung von Kultur Anspruch des Unternehmens ist es, sich nicht nur für gelungenes Design einzusetzen, sondern auch dessen kulturelle Auswertung zu fördern. Mit der Strategie des »Selfsponsoring« schafft es Synergien zwischen Designern, Produkten und künstlerischem Experiment und verwebt diese zu einer unverwechselbaren Identität. So wurden in einer Werbekampagne Stars wie John Cage oder Wim Wenders mit jeweils einem Vitra-Möbel ihrer Wahl fotografiert. Vitra konnte dadurch seine Identität und sein Prestige erhöhen. Die Kulturschaffenden profitieren im Gegenzug davon, dass ihre Person vermarktet wird. Dieses so genannte »Co-Branding« findet sich auch in der Architektur. Nur wenig Mehrkosten sind durch die Beauftragung von Stars entstanden, dafür bekommt die Firma nicht nur eine hochwertige Architektur, sondern viel Publicity gleich dazu. Umgekehrt konnten die Architekten sich durch die Bauten einen Namen machen. – So waren die Gebäude von Gehry und Ando die ersten, die sie in Europa realisiert haben, und die Feuerwache von Zaha Hadid ihr erster Bau überhaupt.
Die Strategie des Co-Branding hat sich in der Architektur inzwischen etabliert. Seinen Erfolg in Bilbao verdankt das Guggenheim-Museum natürlich dem spektakulären Entwurf von Frank O. Gehry. Ähnliche Allianzen gibt es auch zwischen dem Guggenheim-Museum in SoHo, Prada und Rem Koolhaas oder zwischen Prada, Herzog & de Meuron und dem Innquartier Aoyoma in Tokyo. Im Gegensatz zu den neueren Bespielen ist bei Vitra die Auswahl der Architekten allerdings nicht bewusst als Starsystem konzipiert, sondern beruht vor allem auf dem kulturellen Interesse des Firmeninhabers (Rolf Fehlbaum hat bevor er ins Familienunternehmen einstieg Philosophie und Soziologie studiert und für die Bayrische Architektenkammer gearbeitet). Es scheint auch nicht immer hilfreich, auf Stararchitekten zu setzen, denn diese drücken mit ihrer Autorenarchitektur den Unternehmen und den spezifischen Orten immer mehr ihre eigene Identität auf. Während der Einsatz von Stararchitektur zwar Erfolg garantiert und wenig Risken bringt, scheinen sich die Bauten global agierender Unternehmen immer mehr zu ähneln, wie die Fast-Klone von Gehrys Guggenheim in Bilbao, die Walt Disney Concert Hall in Los Angeles und das Experience Music Project in Seattle verdeutlichen.
Im Unterschied hierzu geht die Designkultur von Vitra über reines Profitdenken hinaus. Dies wird im Vitra Design Museum deutlich. Das Museum unterscheidet sich von anderen Firmensammlungen, indem die Geschichte und Gegenwartsfragen des Designs im Mittelpunkt stehen und nicht die Vermarktung der eigenen Produkte oder Firmengeschichte. Möbel aus der Produktion von Vitra stellen im Verhältnis zur gesamten Sammlung nur einen kleinen Anteil dar. Zudem werden die Ausstellungen auch in anderen Museen und Städten gezeigt. Obwohl das Museum eine vom Unternehmen unabhängige Institution ist und die Objekte nicht bewusst zur Imagebildung des Unternehmens gesammelt werden, ist es dennoch eng mit den Brandingstrategien des Unternehmens verbunden. Es spiegelt die Werte von Vitra als einem Unternehmen, das sich dem Design verschrieben hat. Es fördert somit die Profilierung des Unternehmens auch ohne dessen Produkte zu zelebrieren.
Die Identität von Vitra, ob man nun an die Produkte, Architekturen oder kulturellen Projekte denkt, ist von Vielfalt und Widerspruch geprägt. Diese Offenheit ermöglicht es dem Unternehmen sich ständig zu erneuern und flexibel auf die sich immer schneller verändernden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Anforderungen zu
reagieren.
Wie der Erfolg von Vitra bestätigt, kann eine Corporate Identity-Strategie, die auf Dialog, Authentizität und gesellschaftlichem Engagement basiert, einen langfristigen Mehrwert bringen. Angesichts der enormen Summen, welche für Branding ausgeben werden, um Unternehmen eine stabile Position auf dem Markt zu sichern, scheint es vorteilhaft, in Strategien zu investieren, die sowohl das Unternehmen als auch dessen gesellschaftliches Engagement fördern. In diesem Sinne ist der Vitra-Campus noch nicht in die Jahre gekommen, sondern immer noch beispielgebend. K. H.
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