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Holzheizung

Fernheizwerk in Sexten (I)
Holzheizung

Wo der ländliche Raum mit Naturschönheit wuchern kann, gilt es, technische Bauten besonders behutsam in den örtlichen Kontext einzufügen. Die beiden unprätentiös gestalteten Baukörper des zwischen Waldhang und Bach gelegenen Sextener Fernheizwerks erlauben sich mit ihren frei geformten Hüllen einen selbstständigen Ausdruck. In rural areas brimming with natural beauty, it is imperative to integrate industrial buildings in their surrounding environment with particular care. With their free-form building envelopes, both unpretentious structures at the Sexten district heating plant, situated between a forested slope and stream, retain an individual appearance.

Text: Bettina Schlorhaufer

Fotos: Günter Richard Wett
Unter Architekten ist der kleine Südtiroler Ort Sexten im Hochpustertal als Standort des Hotels »Drei Zinnen« von Clemens Holzmeister oder für den internationalen Preis für »Neues Bauen in den Alpen« bekannt, der im Abstand von einigen Jahren von der »Vereinigung Sexten Kultur« ausgeschrieben wird. Im Herbst 2006 wird die Auszeichnung zum vierten Mal verliehen, was neuerlich zahlreiche Architekten und Architekturinteressierte in die entlegene Alpenregion locken dürfte. Die meisten von ihnen wohnen dann »standesgemäß« im 1926 erbauten Hotel Drei Zinnen, das seinen urig-gemütlichen Charakter der klassischen Moderne (Süd)Tiroler Ausprägung bewahrt hat.
Einst und jetzt sorgte der Tourismus in den Berggebieten mit ihren besonderen klimatischen Rahmenbedingungen dafür, dass sich ein reges lokales Wirtschaftstreiben entwickeln und halten konnte, ohne die Alpendörfer zu »Museen für Berglandwirtschaft« erstarren zu lassen. Die erforderliche Anpassung an die Bedürfnisse des Fremdenverkehrs hat jedoch nicht nur in Sexten unübersehbare Spuren hinterlassen. In architektonischer und städtebaulicher Hinsicht sind es in erster Linie die relativ großen Hotelkomplexe, die aufgrund ihrer unverhältnismäßigen Proportionen negativ auffallen. Neben den Beherbergungsbetrieben hat sich hier aber auch eine kleine Zulieferindustrie etabliert, die ebenfalls ihren Tribut fordert. Zwar gelang es in Sexten gerade noch rechtzeitig, diese Gewerbebauten außerhalb des Dorfes quasi in einer eigenen Zone anzusiedeln. Dennoch treten auch hier zwei der schwerwiegendsten Probleme auf, die den ländlich-alpinen Städtebau heute beherrschen: die Größe der Bauten für Gewerbe und Dienstleistung in der Nähe oder gar innerhalb der historisch gewachsenen Dorflandschaften und die Bewältigung der mit der Entwicklung der Freizeitindustrie und ihrer Zulieferfirmen entstandenen Anforderungen bezüglich Energieversorgung, Entsorgung, … Denn die für die Ver- und Entsorgung tourismusintensiver Gemeinden notwendigen Einrichtungen müssen um ein Vielfaches größer angelegt werden als die für jene Orte mit konstanter Einwohnerzahl. Das heißt, dass die Dimensionen eines Klärwerks oder eines Fernheizwerks in einer Tourismusgemeinde immer auch mit der Anzahl ihrer temporären Bewohner Schritt halten können müssen. In diesem Zusammenhang erscheint es auch paradox, dass die Regionen und Kommunen, die sich dem Thema Tourismus verschrieben haben, erst vor kurzer Zeit erkannten, dass die Landschaft das ganze Kapital dieses Wirtschaftszweiges darstellt und somit erhalten werden muss. Neben Maßnahmen gegen die mehr oder weniger sichtbaren Anteile der Umweltverschmutzung gehört dazu auch ein »optischer Umweltschutz«. Dieser ist gerade in den Berggebieten von besonderer Bedeutung, wo viele Bauwerke eine enorme Fernwirkung haben. Der Blick von der Bergstation einer Seilbahn aus muss freilich unbeeinträchtigt sein und den Erwartungen der Gäste entsprechen.
Von dieser Warte aus gesehen, lohnt sich noch einmal ein Blick nach Sexten. In der kleinen Südtiroler Gemeinde wurde es nämlich aufgrund der langjährigen Aufbauarbeit in Sachen Architektur möglich, für den Bau eines Fernheizwerkes einen geladenen, internationalen Architekturwettbewerb auszuschreiben. Die Konkurrenz sollte gewährleisten, dass der Bau – er sollte in der bereits angesprochenen Gewerbezone entstehen – schonend in die Landschaft gefügt würde. Mit dem ersten Preis wurde das Projekt des in Brixen ansässigen Architekten Siegfried Delueg ausgezeichnet, das seit seiner Fertigstellung schon viel Beachtung gefunden hat.
Fährt man auf Sexten zu, passiert es leicht, dass man zwar die am Ortseingang liegende Gewerbezone wahrnimmt, nicht aber das in ihrem Hintergrund an der Waldgrenze errichtete Fernheizwerk. Es befindet sich auf einer ebenen Wiese zwischen dem so genannten Sextnerbach und einem Waldhang und umfasst zwei relativ große Baukörper, die im schrägen Winkel so zueinander gesetzt wurden, dass sie sich aufgrund der Art ihrer Platzierung und der Weise, wie die Bauaufgabe architektonisch gelöst wurde, mit ihrer Umgebung zu verbinden scheinen. Der an das Bachbett grenzende Bauteil beinhaltet das Heizhaus, der zweite das Hackgutlager. Der asphaltierte Platz dazwischen dient als Verkehrsfläche für die Bagger und als Lagerfläche für weiteres Hackgut.
Im Hackgutlager sind eine Garage und an einer Seite offene Lagerflächen untergebracht, im Heizhaus neben den Büros und den technischen Anlagen eine weitere überdachte Lagerzone. Das Heizhaus ist von jeder Seite befahrbar, die großen Aschecontainer werden über eine an der Seite des Baches angelegten Rampe, die in ein außen liegendes Untergeschoss führt, an- und abtransportiert.
Dach- und Wandtragwerke des Heizhauses bestehen aus verschweißten Stahlrahmenträgern, die in biegesteifer Verbindung ausgeführt wurden. Die Feldbreiten variieren, was in den jeweils unterschiedlichen Anforderungen der einzelnen Funktionszonen (Büro, Heizhaus, Lagerhalle) begründet liegt. Die Außenhüllen des Gebäudes (Dach und oberirdische Außenwände) bestehen aus großformatigen Brettschichtholz-Platten, die zugleich als tragender Raumabschluss, Aussteifung und Wärmedämmung fungieren. Nur der Bürotrakt musste mit einer zusätzlichen Innendämmung ausgestattet werden. Über der diffussionsoffenen, wind- und wasserdichten Haut der Wände und Decken der Gebäude wurden Lärchenholzlatten verlegt, die auch die Fenster und Lüftungsöffnungen verdecken – in diesen Bereichen wurde nur jede zweite Latte über die Öffnungen geführt. Aber nicht allein der senkrechte Verlauf der Lärchenholzlatten und die Geschlossenheit der Fassaden bestimmen das optische Erscheinungsbild des Fernheizwerkes. Es sind vor allem die geneigten Wand- und Dachflächen, die dafür sorgen, dass sich die Gebäudegruppe harmonisch in ihre Umgebung einfügt – denn der perspektivische Kunstgriff (der übrigens ohne Auswirkung auf die technischen Einrichtungen im Innenraum bleibt) bewirkt, dass die großen Baukörper optisch verkürzt erscheinen. In Verbindung mit ihrer Anordnung und ihrem Fassadenbild ist die Neigung ihrer Außenflächen ausschlaggebend dafür, dass dieses Fernheizwerk als gestalterisches und städtebauliches Vorzeigemodell dient. Im Herbst 2006 wird es das erste Gebäude aus der Region Sexten sein, das beim internationalen Preis für »Neues Bauen in den Alpen« ausgezeichnet wird. Die langjährige Aufbauarbeit der »Vereinigung Sexten Kultur« im Hintergrund dieses Architekturpreises scheint sich also gelohnt zu haben. B. S.
Kennwerte Das Fernheizwerk wird ausschließlich mit Brennstoffen aus der Region betrieben. Die benötigte Menge beträgt 35 000 Schüttraummeter pro Jahr (SRM/a). Das Rohrnetz umfasst 36 km und wurde thermische vorgespannt, was bedeutet, dass die Rohre nach der Verlegung erwärmt wurden, damit ihre Form in befülltem Zustand stabil bleibt. Die Nenndurchmesser reichen von DN 250 bis DN 25. Die Pumpen müssen neben dem Rohrleitungsverlust eine hydrostatische Höhe von 105 Metern bewältigen, wobei die Hauptleitungen vorwiegend unter den öffentlichen Straßen verlaufen. Das gesamte Leitungsnetz wird durch ein elektronisches Überwachungssystem laufend kontrolliert. Während des Baus der Hauptleitungen wurden auch neue Trinkwasserleitungen verlegt. Im Endausbau können insgesamt 400 Kunden versorgt werden.
Bauherr: FSH – Fernheizwerk Sexten GmbH Architekt: Siegfried Delueg, Brixen (I) Mitarbeiter: Thomas Mahlknecht, Igor Comploi Tragwerksplanung: Ingenieurgemeinschaft Team 4, Bruneck (I) Elektroplanung: VAS, Anlagensysteme, Großgmain (A) Nutzfläche: 2229 m² Bruttorauminhalt: 23 083 m³ Wettbewerb: November 2003 Baukosten: 2,5 Mio Euro Bauzeit: Mai 2004 – August 2005
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