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Holzbau in Bewegung

Haus Seidl in Molln, Österreich
Holzbau in Bewegung

In einer der größten Waldgemeinden Oberösterreichs war es natürlich nahe liegend, die anstehende Bauaufgabe in Holzbauweise auszuführen. Wie selbstverständlich fügt sich das schlichte, als Pfosten-Riegel-Konstruktion konzipierte, Einfamilienhaus in die Landschaft ein. Bei aller Unaufgeregtheit, spektakulär wird es durch seine riesige Panoramascheibe und ein vier Meter weit auskragendes Gebäudeteil. In one of the largest wooded communities of Upper Austria it was an obvious choice to build with wood. The single family house, conceived as a simple post and beam construction, stands quite naturally in the landscape. Despite its reservedness it is striking for its panorama window and a four metre cantilevered element.

Text: Hubertus Adam

Fotos: Paul Ott
Als Handels- und Verarbeitungsplatz für Eisen avancierte Steyr schon im Mittelalter zu einer bedeutenden Stadt – der Reichtum, den das Bürgertum erwarb, spiegelt sich im ungestörten historischen Ortsbild bis heute. Ihre gute Erhaltung verdankt die Stadt nicht zuletzt der Tatsache, dass die großen Verkehrsachsen Österreichs, die aus Festlegungen des 19. Jahrhunderts resultieren, weiter nördlich verlaufen und Steyr eher abgelegen erscheinen lassen. Der Vorortzug von Linz benötigt dann auch eine knappe Stunde für die dreißig Kilometer lange Strecke.
Mit dem mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Gepräge des Zentrums ist Steyr nicht unbedingt der Ort, an dem man ein junges und ambitioniertes Architekturbüro vermutet. Doch Hertl.Architekten residieren an einem Ort, wie er geschichtsträchtiger kaum sein könnte: in einem hochragenden Haus unmittelbar am Zusammenfluss von Enns und Steyr. Es habe sich durchaus in den letzten Jahren einiges verändert, erklärt Gernot Hertl, der das Büro im Jahr 2000 in seiner Heimatstadt gründete. Oberösterreich sei noch vor wenigen Jahren eine terra incognita moderner Architektur gewesen; inzwischen jedoch gebe es auch hier Interesse an zeitgenössischer Architekturkultur. Hertl verweist auf das Engagement einiger Architekten der mittleren Generation aus Linz, darunter Peter Riepl, der vor wenigen Jahren auch eine viel beachtete Kirche in einem peripheren Wohngebiet von Steyr realisieren konnte. Über Mangel an Aufträgen, so der Architekt, könne er in Steyr nicht klagen.
Ein früherer Studienkollege und dessen Frau waren die Auftraggeber für eines der jüngsten Projekte, ein Einfamilienhaus in Molln, das man von Steyr aus in halbstündiger Autofahrt erreicht. Touristen verirren sich selten in diese Gegend; der jüngste Nationalpark Österreichs, der in dieser waldigen Voralpen- und Alpenlandschaft eingerichtet wurde, ist immer noch ein Geheimtipp.
Außerhalb des Ortsbereichs von Molln, in einer mit verstreuten Einzelbauten teils älteren, teils jüngeren Datums gesprenkelten Talsohle, hatte das Paar ein Grundstück erworben. Kein üppiges Luxusanwesen wollte man, auch kein manieristisches Experiment, sondern schlicht ein gut funktionierendes Wohnhaus für die Bedürfnisse einer dreiköpfigen Familie. Vernakuläre Architektur aus Holz hat in dieser Gegend Tradition, und so entschied man sich für einen Holzbau. Dazu kam, dass sich eine Pfosten-Riegel-Konstruktion – auch angesichts des limitierten finanziellen Budgets – einem Massivbau als deutlich überlegen erwies.
Konzipiert ist das Gebäude als lang gestrecktes, zweigeschossiges Volumen über einem Sockelgeschoss aus Beton, das nur auf der Nordseite aus dem hier abfallenden Hang heraustritt. Wie die beiden Pole eines Magneten scheint der Ausblick Richtung Norden und Süden das Volumen in der Landschaft auszurichten: Auf der Nordseite schweift der Blick durch die gewaltige, die zur Halle erweiterten Hauptgeschosse überspannende vertikale Panoramascheibe hangabwärts, wo sich hinter Bäumen im Talgrund ein Flusslauf verbirgt, um dann am jenseitigen Ufer ein Bergmassiv in Szene zu setzen. Nach Süden hin erstreckt sich die Talsohle zunächst relativ eben, die ansteigenden Bergketten sind stärker auf Distanz gerückt. Das zurückgesetzte Erdgeschoss ist auch in dieser Richtung großflächig verglast und bietet Zugang zu einer schwebenden Bodenplatte, welche zusammen mit dem weit vorkragenden Obergeschoss den zugehörigen Außenraum als gedeckte Terrasse definiert. Diese Auskragung, die nicht zuletzt die südliche Stirnseite des Erdgeschosses verschattet, fungiert als kräftiges, expressives Element, welches das eigentlich simple, rohrartig konstruierte Volumen lebendig macht. Auch das leichte Parallelogramm des Grundrisses – die Stirnseiten sind leicht aus dem rechten Winkel abgedreht – und das in Quer- und Längsrichtung geneigte Pultdach verwandeln die Holzbox sowohl außen als auch innen in ein bewegtes und spannungsreiches Gebilde, das in dem kleinen Bau der Garage sein optisches Pendant findet.
Die aufgehende Konstruktion in Pfosten-Riegel-Bauweise musste lediglich durch einige wenige Elemente aus Stahl verstärkt werden: zwei Stützen, welche die Last der für die Auskragung nötigen Leimholzbinder abtragen, einen Zuganker für die über der Halle abgehängte Ecke des Obergeschosses sowie die zur Stabilität nötigen Queraussteifungen. Die Dämmschicht wurde außen mit einer Schalung aus Lärchenholz versehen, das mit der Zeit einen dunkleren, graubraunen Farbton annehmen wird. Im Übrigen ist auch das Dach als die im Bergland besonders wichtige, fünfte Fassade mit einer Holzdeckung versehen.
Im Gegensatz zu den lichtdurchfluteten Stirnseiten sind die Längsseiten nur spärlich mit Fenstern durchsetzt, auf der Ostseite zeigt sich das Obergeschoss gar völlig geschlossen. Das großzügige Erdgeschoss teilt sich in die nach Norden hin orientierte Wohnzone der Halle und den zum Süden hin ausgerichteten Küchen- und Essbereich, dem die Terrasse vorgelagert ist; über dem schmalen Funktionsbereich auf der Ostseite befindet sich im Obergeschoss der Korridor, von dem aus zwei Zimmer, das Bad sowie der im auskragenden Bauteil angeordnete und durch ein Übereckfenster akzentuierte Elternschlafbereich erschlossen werden.
Energietechnisch funktioniert das Gebäude nach dem Passivhauskonzept – für die nötige Wärme sorgt verrohrtes Erdreich in Verbindung mit einer Wärmepumpe. Die drei Kamine, die sich im Inneren befinden, wären also eigentlich nicht nötig; sie sind dem Beruf des Bauherrn geschuldet, der als Kaminbauer tätig ist. H.A.
Bauherr: Familie Seidl, Molln Architekt: Hertl.Architekten, Steyr Projektleitung: Gernot Hertl Mitarbeiter: Lothar Bauer, Marcel Schäfer, Jo Steinberger, Caroline Waglhuber Tragwerksplanung: Holzbau Bruckner, Hausmening Statik: Födermayr Ott, Linz Bauzeit: Mai – Oktober 2004 Baukosten: 225 000 Euro Nutzfläche: 175 m² Umbauter Raum: 930 m³ (ohne Garage)
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