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Hexerei: Zumthor und Bourgeois

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Hexerei: Zumthor und Bourgeois

~Clemens Bomsdorf

Peter Zumthors Denkmal für die Opfer der Hexenprozesse in Vardø im Norden Norwegens (s. db 7/2010, S. 27) ist fertig. Es hat etwas von der Exklusivität einer Privatvilla, schließlich kommt kaum jemand mal auf der Durchreise in Vardø vorbei oder macht schnell einen Abstecher. Die einzig sicheren Gäste sind die Touristen der Hurtigruten, jener bekannten Kreuzfahrt entlang Norwegens Festlandküste. Die beiden Bauten sind Teil des sogenannten Touristenrouten-Projekts, das durch außergewöhnliche Architektur den Blick auf die norwegische Provinz ziehen soll. Die Auftraggeber aus der staatlichen Straßenverwaltung schätzen Zumthors Architektur sehr, warben ihn aber u. a. deshalb an, um die im vergangenen Jahr verstorbene Louise Bourgeois dafür zu gewinnen, ein Kunstwerk für das Mahnmal zu schaffen. Der norwegischen Hexenverbrennungen sollte gedacht werden, und die Grande Dame der feministischen Kunst schien da genau die richtige. Wenn Zumthor, der bereits mit Bourgeois gearbeitet hatte, ja sagen würde, täte auch sie es, lautete das Kalkül – es ging auf. Nun stehen die beiden Bauten im kühlen nordischen Klima: der quadratische Pavillon aus getöntem Glas mit Bourgeois‘ Werk und der schmale Museumsbau. Die hölzerne Struktur des Gestells ist eine klare Referenz an die simplen Vorrichtungen, auf denen hier oben Fisch getrocknet wird. Der Korpus, in dessen Innerem die Ausstellung aufgebaut ist, sieht wie ein übermäßig langes, aufgebocktes Surfbrett aus. Mit seiner textilen Oberfläche gibt er Rätsel auf, nichts weist darauf hin, was sich in seinem Innern befinden könnte. Der dunkle Farbton dort symbolisiert das dunkle Kapitel in der Geschichte von Vardø. Denn während Hexenverfolgungen im restlichen Norwegen nicht verbreitet waren, steckte sich die Gegend mit der zentraleuropäischen Hysterie an. Von der Decke hängende große Texttafeln weisen auf jede einzelne der Getöteten hin. Spärlich wird die Ausstellung von Glühlampen beleuchtet, durch kleine quadratische Fenster dringt nur wenig Licht. Der Museumsbau beeindruckt schon allein durch seine Länge von 120 m, passt seiner Formanklänge wegen aber bestens in die Landschaft. Der Pavillon hingegen wirkt etwas deplatziert. Zwar fällt er durch Material und Farbwahl auf, doch genau deshalb ist es schwer, nicht an einen modernen Bau in einer Großstadt zu denken. Bourgeois‘ Kunstwerk im Innern hingegen lässt jede Kritik schnell nebensächlich erscheinen, so erhaben ist es. Um das zu spüren, muss man den Pavillon allerdings vor Ort erleben – und unbedingt alleine betreten.
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