~Hartmut Möller
Eine Oase der Ruhe zwischen den Wohn- und Bürobauten im boomenden Stadtteil war überfällig – so die Argumentation des »Verein Brücke«, eines bundesweit einzigartigen Zusammenschlusses von 19 christlichen Kirchen. Den hierfür ausgelobten Wettbewerb konnte 2009 das quasi auf sakrale Bauten abonnierte Büro Wandel Hoefer Lorch für sich entscheiden. Zwar fügt sich der 45 m lange Backsteinbau durch Lochfassade, Materialwahl, Traufhöhe und Häuserflucht konsequent in die Nachbarschaft ein, zwei eingedrückte Dellen in der Straßenansicht verleihen ihm aber die von den Nutzern gewünschte Zeichenhaftigkeit. Der obere Rückschwung beherbergt eine frei hängende Bronzeglocke, der untere signalisiert den Eingang zur täglich geöffneten Kapelle und setzt sich auf der Hofseite als Wölbung fort – gerade so, als hätte der Druck von vorne durch das Gebäude hindurch rückwärtig eine Beule hinausgedrückt.
In Zukunft wird dieser Effekt nur noch von der Terrasse des ebenfalls im EG befindlichen Cafés (mit anschließendem Veranstaltungssaal) zu begutachten sein, denn der Blockrand wird derzeit vervollständigt. Das scheinbar im Hafenwind wehende Sichtmauerwerk wurde meisterhaft mit gegeneinander versetzten Klinkern modelliert; die reliefierte Oberfläche weckt dabei in ihrer geschuppten Ausformung Assoziationen an den Fisch als frühchristliches Symbol. Dunkel lasierte Ziegelsteine bilden ein über zwei Geschosse reichendes Kreuz.
Innen vollenden die Planer den Spagat zwischen der nach Aufmerksamkeit heischenden Außenhaut und der ersehnten Stille. Hinter den raumhohen Türen des Foyers, in welche die Satzung der kirchlichen Gemeinschaft geprägt wurde, liegt das Herzstück des Bauwerks: In der Auswölbung befindet sich die Kapellenapsis, deren halbrunde Ziegelrückwand auf Loch gesetzt und in warmem Gelb hinterleuchtet ist. Leitworte und Symbole der beteiligten Konfessionen sind in einzelne Steine eingebrannt. Der 90 m² große Andachtsraum besticht durch hanseatische Kargheit mit nüchternem Mobiliar. Nichts irritiert das Auge, hier kann man sich ganz seinen Gedanken hingeben. Über die oberen Stockwerke verteilen sich Büro- und Wohnetagen sowie ein Stadtkloster samt Dachgarten. Trotz der unterschiedlichen Nutzungen ist den Architekten eine »geistliche Tankstelle« gelungen.
- Standort: Shanghaiallee 12-14, 20457 Hamburg
Architekten: Wandel Hoefer Lorch, Saarbrücken
Fertigstellung: Juni 2012
db deutsche bauzeitung 06|2013