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Gesunde Sogwirkung

Apotheke in St. Pölten (A)
Gesunde Sogwirkung

Nicht nur das computergesteuerte Ordersystem sorgt in der Center Apotheke für Dynamik, vor allem die großzügige Geste der Verkaufsregale und des Tresens erzeugen den bewegten Raum, dessen Abläufe sich an den Kundenströmen orientieren. Dynamics in the Center Apotheke are produced not only by the computer-controlled order system, but above all by the generous gesture of the display shelves and the counter, making up an eventful space whose processes are orientated to the flow of customers.

Niederösterreich, das flächenmäßig größte Bundesland von Österreich, ist nicht gerade verwöhnt mit guter Architektur. Mit der kompletten Fertigstellung des Regierungsviertels im Jahr 2002 (Einweihung des Landesmuseums) hat man zwar ein durchaus ansehnliches Gebäudeensembel geschaffen, insgesamt aber entstehen in dieser Region, die Wien komplett umschließt und schon alleine deswegen über eine hohe Bautätigkeit verfügt, meist Bauten fragwürdiger Qualität. Ein neu geschaffener Gestaltungsbeirat soll jetzt zumindest für den geförderten Wohnbau Abhilfe schaffen. Was aber vor allem fehlt, ist das Bekenntnis der privaten Bauherren zu anspruchsvoller Architektur. Hier sind Bundesländer wie Tirol und Vorarlberg schon viel weiter und erregen mit privaten und öffentlichen Bauten zu Recht international Aufmerksamkeit.

Aber auch im so gescholtenen Niederösterreich gedeihen Pflänzchen, die man aufspüren und pflegen muss. So wie ein Kleinod in dem ansonsten architektonisch eher mittelmäßigen Einkaufszentrum City-Center in St. Pölten: die Center Apotheke. Zu verdanken ist ihre architektonische Qualität einem Zufall sowie der glücklichen Intuition und Hartnäckigkeit der Apothekerin Elfriede Nakel. Denn sie hatte bereits Pläne für den Ladenbau in der Tasche, war aber nie so richtig glücklich mit den eher konventionellen Entwürfen. Dann lernte sie über ihren Steuerberater das Architektenteam PURPUR kennen und dieses lieferte einen Vorentwurf, der auf Anhieb gefiel und überzeugte. In enger Zusammenarbeit zwischen Bauherrn und Architekten wurde unter Berücksichtigung der Funktions- und Arbeitsabläufe sowie neuester technischer Möglichkeiten eine Apotheke geplant, die sowohl ästhetisch als auch funktionell höchste Ansprüche erfüllt.
Und da auch eine Apotheke längst nicht mehr von Medikamenten auf Rezept alleine lebt, sondern vielmehr die Laufkundschaft braucht, wird diese geradezu ins Geschäft eingesogen. Gebogene Wände und Thekenelemente ziehen den Kunden von der Mall in den Geschäftsraum und folgen dem Kaufvorgang von der Selbstbedienung bis zur Medikamentenausgabe und dem Beratungsgespräch. Die großzügige Geste der elegant geschwungenen Regalwände wird durch eingeschnittene, hinterleuchtete Nischen, die in Laufrichtung abgeschrägt sind, unterstützt. Die Betonung der Horizontalen lässt den relativ schmalen Raum noch tiefer erscheinen und verstärkt die Dynamik und Sogwirkung. Auch die Materialien unterstützen diese Wirkung: Als Basis dient ein schwarzer Boden, alle anderen Teile sind weiß und scheinen zu schweben. Weiß ist auch die Arbeitskleidung der Angestellten und die bevorzugte Farbe der Apothekerin. Die Regalsysteme sind mit weißem Kunstleder überzogen, alle sonstigen Elemente bestehen aus weißen Kunststoffplatten. Alles sehr edel und dennoch pflegeleicht. Und für einige Kunden einladend, aber fremd. Denn, so erzählt Frau Nakel, schon so mancher hätte gefragt, ob sie denn auch Medikamente hätten. Und diese sind wahrlich versteckt. In einem vollautomatischen Lager verschwinden alle angelieferten Medikamente und werden nach einem Zufallsprinzip einsortiert. Mittels Knopfdruck können sie bei Bedarf innerhalb von Sekunden geordert werden. Hier wird die Dynamik des Verkaufsraums zur echten Bewegung. Denn wie von Geisterhand bewegt sich der Greifarm und schiebt die gewünschte Packung über eine Nirosta-Rutsche zum Verkaufsplatz. Das Ganze können die Kunden auch von außen durch einen seitlichen Teil des Schaufensters betrachten. Bald sollte, wenn es die österreichische Apothekerkammer zulässt, auch der Nacht- und Notdienst automatisiert sein. Dann können sich die Kunden die Medikamente wie am Geldautomaten ziehen. Der Apotheker verfolgt den Vorgang über Computer ganz bequem von zu Hause.
Aber das ist Zukunftsmusik. Derzeit befindet sich der Nachtdienstraum noch im hinteren Teil der Apotheke. Dort sind auch Nebenräume wie Sanitärzellen, Büro und Labor situiert. Ausgeklügelte Sicht- und Blickverbindungen ermöglichen immer wieder den Kontakt zum Kundenraum.
Eine schmale Treppe mit einem aus der Wand geklappten Handlauf – auch die Details sind wohl überlegt – führt hinauf zum Aufenthaltsraum. Dieser befindet sich in einer Art Raum im Raum. Wie ein kleines Ufo schwebt die Box mit der abgeschrägten Wand über einem kiesbedeckten Boden. Durch den seitlichen Abstand der Box zur Außenwand ergibt sich ein Lichtgang, der das Büro mit dem unter der Schräge stehenden Schreibtisch belichtet. In der Schräge befindet sich ein Fenster, was wiederum den Sichtkontakt vom Aufenthaltsraum in die Apotheke ermöglicht. Auf der anderen Seite führt der Blick durch ein Panoramafenster auf einen vorbeifließenden Bach. Hier wird auf wunderbare Weise eine Verbindung zwischen dem Fließen in der Natur und dem fließenden Verkaufsraum geschaffen.
Leider befindet sich in diesem Raum auch der einzige Wermutstropfen des in seiner Gesamtheit so überzeugenden Projekts. Denn in die Schräge hätte ursprünglich das Bett für den Nachtdienst eingebaut werden sollen. Durch baubehördliche Auflagen wurde aber die Treppe immer breiter und der Raum immer schmäler, so dass am Ende nicht mehr genügend Breite für das Bett zur Verfügung stand. Jetzt gibt es eine freistehende Bettcouch. Der schräge Raum dahinter hat seinen Nutzen leider verloren. J.E.
Bauherren: Elfriede Nackel und Werner Karner, St. Valentin Architekten: PURPUR.Architektur von Toedtling, Laengauer, Boric und Loebell Mitarbeiter: Christian Tödtling, Helmut Fritz, Christian Zamponi, Gerd Lormann Tragwerksplanung: Reinhard Pötscher Haustechnik: Köstenbauer & Sixl Bauzeit: Januar – März 2005 Nutzfläche: 205 m² Baukosten: keine Angaben des Bauherrn
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