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Ein Ort für flüchtige Phänomene

Wolkenlabor des Instituts für Troposphärenforschung in Leipzig
Ein Ort für flüchtige Phänomene

In Leipzig wurde einem weltweit einmaligen Gerät zur Erforschung der Wolken ein eigenes Gebäude errichtet. Das »Wolkenlabor« setzt im eher disperat bebauten Leipziger Wissenschaftspark nun ein prägnantes Zeichen, von dem sich die Stadt nicht nur architektonische Symbolkraft verspricht. A building for housing an internationally unique device for cloud research has been erected in Leipzig. The »Wolkenlabor« (cloud laboratory), located in the rather disparately built Leipzig Science Park, promises the city more than just the power of architectural symbolism.

Text: Annette Menting Fotos: Heinrich Müller, Stefan Müller-Naumann Im »Land der Ideen« sollen unterschiedliche Projekte innovative, kreative und wirtschaftliche Potenziale repräsentieren – eines davon prägt das Buchcover dieser Bundesinitiative: das Wolkenlabor des Instituts für Troposphärenforschung in Leipzig. Doch warum erforscht man Wolken? Die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu Klimaentwicklung und Niederschlagsbildung sind für ökologische und ökonomische Entwicklungen von besonderer Bedeutung. So bewirkten Emissionen durch Verkehr und Industrieproduktion in den letzten Dekaden ansteigende Feinstaubmengen in der Luft und damit eine Veränderung der Wolkeneigenschaften; aufgrund der globalen Erwärmung ist eine Reduktion dieser Einflüsse unerlässlich.

Bisher versuchten die Wolkenphysiker aus Ballons, Hubschraubern, Flugzeugen oder auf entlegenen Bergstationen unter schwierigsten Bedingungen, den flüchtigen Phänomenen nahe zu kommen. Im Wolkenlabor ist nun eine präzisere und effizientere Arbeit möglich: Anstatt in großen Höhen atmosphärischen Wolken hinterherzujagen, erzeugen die Forscher sie nun an einem Simulator namens Leipzig Aerosol Cloud Interaction Simulator, kurz LACIS. Dieses Forschungsgerät ist weltweit einmalig und wurde von den Wissenschaftlern und Technikern als Prototyp entwickelt und gebaut, es fehlte lediglich die passende schützende Hülle. Zur Architektur kamen die Wissenschaftler eher beiläufig, denn ursprünglich war geplant, das schlanke Forschungsinstrument in einem vorhandenen Schornstein zu installieren. Das zunächst so praktisch scheinende Vorhaben erwies sich jedoch als nicht durchführbar. Auf der Suche nach einem geeigneten Architekten wandte sich der Institutsdirektor Jost Heintzenberg an das Büro Schulz & Schulz, das sich mit ausgezeichneten Technikbauten wie dem Betriebshof der Stadtreinigung Leipzig einen Namen gemacht hat.
Ein Zeichen im Wissenschaftspark Im Leipziger Wissenschaftspark war man nach der politischen Wende auch ohne baukulturellen Anspruch bei den neuen Forschungseinrichtungen ausgekommen und errichtete pragmatisch Fertighallen und Standardbauten. Zuvor hatte das Areal der Akademie der Wissenschaften der DDR gedient und einen besonderen Stellenwert eingenommen, was nicht zuletzt in qualitativen Bauten wie den Zentralinstituten für chemische und physikalische Forschung zum Ausdruck kommt. Das aktuelle Logo des Wissenschaftsparks ist bezeichnenderweise vom Isotopenturm aus den sechziger Jahren geprägt. In diesem diffusen Kontext setzten die Architekten des Wolkenlabors auf Einfachheit und konsequente Klarheit.
Wie sieht ein Wolken-Haus aus? Dauerhaftigkeit und Ortsgebundenheit gehören nicht zu den Eigenschaften von Wolken, während ein Haus für ihre Erforschung darauf angewiesen ist. Das neue Wolkenlabor orientiert sich weniger an pittoresken Wolkenbildern, sondern an der Rationalität und Methodik der Wolkenforschung. So wie die Forscher mit LACIS die inneren Vorgänge der Wolken simulieren, so gestalteten die Architekten quasi eine architektonische Simulation der inneren Funktion. Im Zentrum des Laborturms steht ein Edelstahlrohr mit einem Durchmesser von nur 1,5 Zentimetern, in dem Wasserdampf und Aerosole unter streng regulierten Bedingungen zusammengeführt werden, so dass eine künstliche Wolke entsteht. Sie kann sich in einem Strömungsrohr über acht Meter Höhe entwickeln, bevor die Wolkentröpfchen per Laserstrahl vermessen werden. Dieser innere Aufbau mit dem nur fingerdicken Edelstahlrohr im Rahmengerüst findet seine Übersetzung im zylindrischen Laborturm und quaderförmigen Bürobau. Die Mikrowelt des Versuchsaufbaus wird somit in eine Makrostruktur des Baukörpers transformiert.
Spiel mit dem Licht Nach außen ist der 16 Meter hohe Zylinder hermetisch abgeschlossen und gibt nichts von seinem Innenleben preis, da nur unter absolutem Schutz vor äußeren Einflüssen optimale Versuchsbedingungen gegeben sind. Im spannungsvollen Kontrast zum geschlossenen Turm steht der verglaste Flachbau für die Büros. Er ist optisch vom Erdboden leicht abgehoben und scheint so, auf die dem Erdboden entrückte Wissenschaft zu verweisen. Der Übergang von Labor und Büros ist durch einen »Licht«-Hof gestaltet, in dem das einzige Farbspiel im Gebäude inszeniert wird: Himmelblaues, sonnengelbes und wolkenweißes Licht dringt durch Oberlichter und vermittelt zwischen dem introvertierten Laborturm und den extrovertierten Büros. Das Licht mit seinen wechselnden Qualitäten hat auch für den Laborturm wesentliche Bedeutung: Je nachdem, ob sich der Himmel wolkenfrei oder bedeckt, hell oder dämmrig zeigt, zeichnet der Zylinder sich in aller Deutlichkeit vor blauem Himmel ab und reflektiert das Licht, ein anderes Mal wird er vor einem bedeckt-grauen Himmel quasi absorbiert und erscheint nahezu formneutral. Architektur sei das großartige Spiel der Körper im Licht, konstatierte Le Corbusier – dieses Spiel ist beim Wolkenlabor präzise detailliert. Die fein modulierten Lichtreflexionen auf dem Turm erscheinen so selbstverständlich, doch sind sie das Ergebnis verschiedener Materialuntersuchungen, bei denen sich die Architekten für eloxierte Aluminiumtafeln entschieden, die erstmalig in gebogener Form zum Einsatz kommen. Das Laborgebäude wurde im Finanzantrag nicht als eigenständige Architektur, sondern als Bestandteil des Großgerätes deklariert und unterlag strengen Kostenkontrollen. So wurde bei der Glasfassade auf eine Sonderkonstruktion verzichtet und stattdessen ein gutes Firmenangebot wahrgenommen. Eine weitere Ersparnis ergab sich während der Planung durch die Optimierung des normierten Laborbaurasters von 1,25 auf 1,10 Meter, so dass sich das Bauvolumen reduzierte. Letztlich musste das prüfende Hochbauamt feststellen, dass die Bausumme lediglich zwei Drittel der Kosten betrug, die vergleichbare Laborbauten beanspruchen. Das architektonische Resultat lässt allerdings nicht darauf schließen; die Architekten setzten Prioritäten und detaillierten die wesentlichen Elemente, um die Klarheit der Form zu unterstützen und hielten sich gegenüber aufwändigen Ausstattungen zurück. So entstanden gleichermaßen qualitätsvolle Arbeitsräume und eine den Wissenschaftspark prägende Architektur, die der innovativen Forschung adäquaten Ausdruck verleiht. Für die Forscher ist ein konkreter Ort nicht wichtig, denn Wolken sind flüchtige Phänomene – doch umgekehrt ist der Bau für den Ort ein wichtiger Impuls und soll nach Wunsch des Institutsdirektors zum neuen Symbol werden. Im »Land der Ideen« ist am 9. Oktober Wolkenlabor-Tag. A. M.
Bauherr: Leibniz-Institut für Troposphärenforschung Leipzig Architekten: schulz & schulz, Ansgar und Benedikt Schulz, Leipzig Mitarbeiter: Matthias Hönig, Dirk Lämmel, Lutz Schilbach Tragwerksplanung: Staupendahl & Partner, Leipzig Bauphysik und Fassadenplanung: Ingenieurbüro Michael Lange, Berlin Nutzfläche: 670 m² HNF Bruttorauminhalt: 5.400 m³ Baukosten: 2,9 Mio Euro (davon 1,4 Mio für Technik und Laborausstattung) Planungs- und Bauzeit: 2003–2005 Fertigstellung: 2005
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