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Der gehörte Raum

Technik
Der gehörte Raum

Mit der im vergangenen Jahr überarbeiteten DIN 18041 »Hörsamkeit in kleinen und mittelgroßen Räumen« wurden neue Nachhallzeiten gefordert, die als Leitfaden für die raumakustische Gestaltung dienen. Die Empfehlungen betreffen unter anderem auch Klassenräume und Hörsäle. Mittels Simulationen oder auch der »Auralisation«, bislang eine Methode, die für die Planung in Konzertsälen verwendet wird, können die späteren Räume akustisch dargestellt oder sogar hörbar gemacht werden. The recently revised DIN 18041 “Audibility in Small and Medium-sized Rooms“ lays down new reverberation values which serve as a guide for acoustic design, also of class and lecture rooms. By means of simulations or also auralizations – a method used in concert hall design – the planned rooms can be acoustically displayed end even made hearable.

Viele Faktoren wie etwa Gestaltung, Klima, Licht oder Akustik bestimmen, wie Menschen ihre Umgebung wahrnehmen und empfinden. Die Faktoren beeinflussen sich gegenseitig vor dem Hintergrund gesammelter Erfahrungen und Erwartungsmuster. Allein schon die Frage, wie ein Raum zu gestalten ist, damit er seiner Funktion sowie dem Bedürfnis und der Erwartungshaltung der Menschen entspricht, lässt sich nicht trivial beantworten, hierbei wirken das Sinnesorgan Gehör, die neuronale Verarbeitung der Signale und komplexe Schallfeldstrukturen in Räumen beziehungsweise Umgebungen zusammen. Psychoakustische Erwartungsmuster stehen stets im Kontext zur Umwelt sowie der oben genannten Faktoren. Für eine Ableitung konkreter akustischer Planungsziele ist es daher wichtig, diese Faktoren immer im Blick zu behalten.

Akustische Fachbegriffe Jede Druckänderung (in Luft, Wasser oder einem anderem Medium) ist wahrnehmbarer Luftschall, wenn sie das menschliche Ohr hören kann. Die Anzahl der Druckänderungen pro Sekunde nennt man die Frequenz des Schalls; sie wird in Hertz (Hz) gemessen. Der Hörbereich eines jungen Menschen reicht von ca. 20 Hz bis 20000 Hz. Die Druckänderungen pflanzen sich durch jedes elastische Medium fort, wobei die Schallgeschwindigkeit in Luft bei ca. 344 m/s liegt. Das menschliche Gehör mit der neuronalen Verarbeitung kann geringste Druckänderungen, die am Trommelfell einen Ausschlag von weniger als einem Wasserstoffmolekül verursachen, genauso wahrgenehmen wie Schalldrücke, die bis zu einer Million mal höher sind.
Zur Darstellung dieser sehr großen Spanne der Schalldrücke bedient man sich einer logarithmischen Darstellung der Verhältnisse in Form der Dezibel (dB)-Skalierung. Das Gehör konzentriert sich bei eintreffenden, komplexen Schallfeldstrukturen auf wesentliche Informationen. »Unwichtige« Details werden durch Frequenzselektivität und Richtungswahrnehmung ignoriert, es erfolgt eine präzise Extraktion informationstragender auditiver Konturen.
Wichtigstes Kriterium für die Beurteilung der raumakustischen Qualität ist die Nachhallzeit. Sie ist direkt abhängig von der Raumgröße und -geometrie, von den Schall absorbierenden Eigenschaften der Raumoberflächen und von der Raumausstattung. Nach den Vorstellungen der geometrischen Raumakustik kommt der Nachhall eines Raumes dadurch zu Stande, dass der Schall an den Raumbegrenzungsflächen immer wieder zurückgeworfen wird. Ein Zuhörer in
einem Raum empfängt also nicht nur den Direktschall, sondern zahlreiche Rückwürfe, das heißt Schallanteile nach einfacher oder mehrfacher Reflexion. Die Reflexionen sind gegenüber dem
Direktschall verzögert und abgeschwächt, da sie größere Wege zurückzulegen haben und unvollkommen an den Wänden reflektiert werden. Diese Rückwürfe bilden den Nachhall. Eine lange Nachhallzeit ergibt ein »halliges« Empfinden des Raumes, der Schalldruckpegel im Raum ist höher und kann beispielsweise bei Arbeitsbereichen wie Großraumbüros zu Störungen führen. Je schneller also ein Schallsignal, zum Beispiel ein Störgeräusch, im Raum abnimmt, desto weniger anstrengend ist es für Personen, in diesem Raum zu arbeiten und zu kommunizieren.
Die Nachhallzeit wird in verschiedenen Frequenzbereichen betrachtet: tieffrequent (125 Hz – 250 Hz), mittelfrequent (Hauptsprachbereich), 500 Hz – 1000 Hz) und hochfrequent (2000 Hz – 4000 Hz).
Die optimale Nachhallzeit richtet sich nach der Raumnutzung und der jeweiligen Erwartungshaltung, die auch vom optischen Eindruck des Raumes bestimmt wird. Im Rahmen psychoakustischer Versuche lassen sich so zum Beispiel Erwartungsmuster herausfiltern, die die Bedeutung der anfangs genannten Faktoren Licht, Klima usw.
zeigen. Für große Räume etwa wird intuitiv eine lange Nachhallzeit vorausgesetzt und erwartet.
Schallabsorption und Wirkungsweise Durch die Schallabsorption kann die Nachhallzeit eines vorgegebenen Raumes justiert werden, indem man den schwingenden Luftteilchen durch Reibung an anderen Luftteilchen oder an Materialien Energie entzieht. Die Materialeigenschaft der Schallabsorption wird beschrieben durch den so genannten Schallabsorptionskoeffizienten oder Schallabsorptionsgrad as. Er kann Werte zwischen 0 (vollständige Schallreflexion) und 1 (vollständige Schallabsorption) annehmen und ist frequenzabhängig. Weitere relevante Parameter, die man zur Beschreibung akustischer Eigenschaften von Räumen heranzieht, sind beispielsweise
– die Schalldruckpegelverteilung
– der STI, RASTI (Speech-Transmissions-Index) als Kennzeichnung für die Sprachverständlichkeit
– der Deutlichkeitsgrads bzw. das Deutlichkeitsmaß als Beschreibung für die Klarheit und Durchsichtigkeit von Sprache
– das Klarheitsmaß als Beschreibung für die Klarheit und Durchsichtigkeit von Musik
– das Stärkemaß als Kennzeichnung für die Lautstärke (beziehungsweise den Schalldruckpegelgewinn einer Raumgeometrie gegenüber einer Ausbreitung im Freifeld)
– die Schwerpunktzeit als Energiekriterium zur weiteren Einschätzung und Bewertung günstiger und ungünstiger Schallanteile
– oder der Seitenschallgrad insbesondere zur Kennzeichnung der Räumlichkeit. Sie alle können mittels Simulationen am Raummodell gebildet werden.
Simulationen Dieses Hilfsmittel wird, neben dem bisherigen bevorzugten Einsatzgebiet für Raumbereiche mit besonderer raumakustischer Güte (Konzert-, Oper- und Theaterhäuser, …), zunehmend bei den raumakustischen Planungen von beispeilsweise Mehrpersonenbüros, Bibliotheken, Mensen, Museumsbauten oder Bahnhofshallen eingesetzt.
Bei Bedarf kann auch der noch nicht baulich existierende Raum »auralisiert«, also akustisch erfahrbar und damit hörbar gemachtwerden. Dabei wird mit unverhallten, beliebigen Quellsignalen (Sprecher, Sänger, Orchester, …) die Raumübertragungsfunktion »gefaltet«, so dass der Raumeindruck am Platz des Betrachters hörbar wird. Ein virtueller Gang durch das Gebäude ermöglicht zusätzlich eine integrative Betrachtung. Auf diese Weise können unterschiedlich raumakustische Konzepte neben den rein physikalischen Größen dargestellt und die Wirksamkeit der verschiedenen akustischen Maßnahmen im Vergleich unmittelbar bewertet werden. Für Planungsbeteiligte erschließt sich somit eine Zusammenführung verschiedener Einflussfaktoren zur ganzheitlichen Wahrnehmung von Raumwirkungen.
DIN 18041 – Hörsamkeit in kleinen und mittelgroßen Räumen Mit der Überarbeitung und Einführung der DIN 18041 im Jahr 2004 erfolgte eine Anpassung an zeitgemäße, raumakustische Anforderungen. Sie definiert einen Leitfaden, der für vielfältige Nutzungsbereiche bei alltäglichen Planungen sehr konkrete und weitgehende Maßnahmen als Empfehlungen definiert. Es wird unterschieden in zwei Raumgruppen unterschiedlichen Anspruchs und mit jeweils weiteren Differenzierungen: die Raumgruppe A (Hörsamkeit über mittlere und größere Entfernungen, wie zum Beispiel Unterrichtsräume, Konferenzräume, Hörsäle und Festsäle) und die Raumgruppe B (Hörsamkeit in Räumen über geringe Entfernungen, wie zum Beispiel Verkaufsräume, Bürobereiche, Werkräume oder Publikumsverkehrsflächen).
Für die Raumgruppe A gelten in Abhängigkeit vom Volumen und der Nutzungsart (Musik, Sprache, Unterricht) Nachhallzeiten, die durch die bauliche Konzeption umzusetzen sind. Die Empfehlungen basieren auf beispielsweise in Schulen durchgeführten Untersuchungen, die die Abhängigkeit der Raumakustik zum Lernerfolg der Schüler sowie die Optimierung der Arbeitsbedingungen für die Lehrer beinhalteten. Sie befreien den Planer allerdings nicht davon, eine angemessene Anwendung der formulierten Empfehlungen darzustellen, welche im Einzelfall sicher sinnvoll, generell aber nicht immer erforderlich oder nachvollziehbar erscheinen. Eine unreflektierte Übernahme sämtlicher Empfehlungen als Muss-Anforderung ist insofern nicht zielführend.
Hier ist eine intensive Auseinandersetzung mit der baulichen und räumlichen Konzeption, Wirkung und Wahrnehmung als wesentlichem Bestandteil des Planungsprozesses wichtig. Zusätzlich sind auch bei Bedarf andere Empfehlungen zu berücksichtigen wie beispielsweise der nachfolgende Zusammenhang mit der VDI 2569 in Bezug auf Mehrpersonen- bzw. Großraumbüros zeigt.
Sonderfall Mehrpersonen- bzw. Großraumbüro (VDI 2569) Die Nachhallzeit als Kriterium für die Beurteilung der raumakustischen Qualität reicht bei Großraumbüros allein nicht aus. Aufgrund ihrer Abmessungen (geringe Höhe im Verhältnis zu Breite und Länge) bilden Großraumbüros den akustischen Sonderfall des »gedämpften Flachraumes« und werden daher eigens betrachtet. Stark vereinfacht funktioniert die Raumakustik in Großraumbüros nach folgendem Schema: Die einzelnen Arbeitsplätze sollen akustisch gut voneinander »entkoppelt« sein. Dazu ist eine möglichst große Schallpegelabnahme mit der Entfernung notwendig, wozu neben der Deckengestaltung gegebenenfalls auch die Möblierung mit abschirmenden Elementen genutzt werden kann. Das verbleibende Restgeräusch soll einen gleichmäßigen, nicht zu hohen Geräuschpegel ergeben, der von entfernteren Arbeitsplätzen herrührende Sprachreste verdeckt. So kann trotz der gewünschten räumlichen Offenheit eine »akustische« Intimität hergestellt werden. Die Auslegung der raumakustischen Maßnahmen von Großraumbüros erfolgt nach VDI 2569 – Schallschutz und akustische Gestaltung im Büro, der angegebene Richtwert von A/V (äquivalente Absorptionsfläche in m² zu Raumvolumen in m³) soll bei 0,3 bis 0,35 m-1 liegen. Auch diese Vorgabe gilt es, analog zur DIN 18041, im Planungsprozess zu hinterfragen.
Klassenräume und Hörsäle Da auch im Raum befindliche Personen ein beträchtliches Schallschluckvermögen aufweisen, müssen sie bei der Einstellung der Nachhallzeit, abhängig vom Besetzungsgrad, berücksichtigt werden.
Verschiedene Raumformen erfordern unterschiedliche Wandoberflächen, um zum Beispiel frühere, nützliche Reflexionen zu erzeugen oder späte, schädliche Reflexionen zu vermeiden. Bei einem rechteckigen oder quadratischen Grundriss sollten alle Wände (Seiten-, Redner- und Rückwand, sofern weniger als zehn Meter vom Redner entfernt) sowie der Boden schallreflektierend sein, ebenso der mittlere Deckenbereich. Ist die Rückwand allerdings mehr als zehn Meter vom Redner entfernt, sollte sie schallschluckend ausgeführt sein, die seitlichen Deckenbereiche je nach erforderlicher Nachhallzeiteinstellung schallschluckend oder reflektierend. Bei konkaven Grundrissen ist die akustische Gestaltung komplexer, hier sind zusätzlich strukturierte Elemente erforderlich.
Beispiel Hörsaalzentrum Lübeck Bei dem noch im Bau befindlichen Hörsaal wurden frühzeitig die akustisch relevanten Belange, die sowohl die Primärstruktur (Form, Reflexionslenkung, Abmessung des Raumes) als auch die Sekundärstruktur (Materialeigenschaft der Oberflächen) betreffen, planerisch integriert. Durch einen kreisrunden Grundriss bedingt ergeben sich zunächst keine klaren Zuordnungen von Seiten-, Rück- oder Podiumswänden. Die horizontale Schallausbreitung führt also ohne entsprechende Gegenmaßnahmen zu Schallbündelungen beziehungsweise Fokussierungen in der Hörebene. Im vorliegenden Fall trifft dies insbesondere auf das kreisrunde Auditorium mit ansteigender Bestuhlung zu, die durch eine entsprechend diffus wirkende Oberflächengestaltung (abwechselnde Kombination aus diffus reflektierenden Elementen mit einem akustischen Phasengitter absorbierend/reflektierend) die runde Grundrissform des Raumes auflöst. Mittels einer integrierten Beschallungsanlage kann zusätzlich der Übertragungsweg zum Zuhörer so gestaltet werden, dass gegebenenfalls kritische Ober- flächen nicht negativ in Erscheinung treten.
Hinsichtlich der Nachhallzeiteinstellung werden die Empfehlungen der DIN 18041 auf Grundlage der Nutzung und des Raumvolumens insbesondere durch die Gestaltung im Deckenbereich berücksichtigt. Oberhalb einer akustisch transparenten Verkleidung erfolgt, neben der Integration von Haustechnik, durch entsprechend ausgelegte Absorptionsmaterialien und Aufbauten die Einstellung der Nachhallzeit. Die nicht sichtbaren Absorber können so sehr kostengünstig gewählt werden. Oberhalb des Podiums sollen schräg gestellte Reflektoren eine Optimierung der Schallenkung vom Redner zum Zuhörer erreichen sowie Flatterechos im Bereich des Podiums vermeiden.
Betriebswirtschaftliche Betrachtung Die Ermittlung und bauliche Umsetzung der akustischen Planungsziele setzt unweigerlich einen Kosteneinsatz voraus. Unabhängig von der Fragestellung, inwieweit eine funktionsgerechte Integration akustischer Planung für die Umsetzung eines Bauvorhabens eine ohnehin notwendige Maßnahme darstellt, ergibt sich hinsichtlich bauwirtschaftlicher Betrachtungen zwangläufig auch die Frage nach der erforderlichen Wertigkeit beziehungsweise der Wirkung auf die Produktivität des Menschen. Sinnvoll erscheint eine »Gesamtkostenrechnung«, die die konkrete Investition in Relation setzt zum Personalkosteneinsatz, zum Beispiel bei Arbeitsbereichen in Verwaltungsbauten oder Werkstätten. Denn die Erkenntnis ist nicht neu, dass über die Optimierung der genannten Faktoren (Gestaltung, Klima, Licht, Akustik, u.a.) die Produktivität gesteigert werden kann. Im Vergleich von Investitionen/Baukosten auf der einen Seite und der Produktivitätssteigerung/Personalkosten auf der anderen Seite weisen Untersuchungen und Erfahrungen darauf hin, dass sich erstere in der Regel lohnen. Diese Gewichtung dürfte sich mit zunehmender Bedeutung des Dienstleistungssektors noch verstärken.
Problematisch erscheint es, diese umfassende Betrachtung als Entscheidungsgrundlage beim Investor oder Mieter deutlicher zu verankern; eine begrenzte Sichtweise (»Der Quadratmeterpreis Investkosten/Kaltmiete entscheidet«) ist leider fast immer noch ausschlaggebend. G.K.
Literatur: Kutruff, Heinrich: Room Acoustics. Elsevier Applied Science , London, 1991 DIN 18041 – Hörsamkeit in kleinen bis mittelgroßen Räumen, Berlin, 2004 VDI 2569 – Schallschutz und akustische Gestaltung im Büro, Düsseldorf, 1990 Fasold, Wolfgang und Eva Veres: Schallschutz und Raumakustik in der Praxis, Verlag für Bauwesen, Berlin, 1998
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