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Das Eckige muss ins Runde
~Claas Gefroi
Rem Koolhaas ist seinem Ruf eines ironisch-distanzierten, Haken schlagenden Architekten erneut gerecht geworden. Am 21. Januar präsentierte er der staunenden Fachwelt in Hamburg den komplett überarbeiteten Entwurf seines Büros OMA für ein Science Center in der HafenCity. Ursprünglich sollte das Büro nicht nur das Science Center, sondern auch ein Kreuzfahrtterminal gleich nebenan bauen. Doch weil die Entwürfe – zwei miteinander korrespondierende, halbrunde Formen – nicht mit den Funktionen in Einklang zu bringen waren, wurde OMA der Auftrag für das Kreuzfahrtterminal entzogen und das Wissenschaftszentrum in die Überarbeitung geschickt.
Mit dem neuen, bis 2011 zu realisierenden Entwurf hat Koolhaas den Bautypus Science Center dekonstruiert: Das Gebäude okkupiert nicht den Boden, sondern ragt 70 Meter in die Höhe; statt das Innere hinter einer gleichförmigen Hülle zu verstecken, zeigt es seine komplexe Struktur nach außen. Die Boxen der zehn Themenbereiche sind zu einem großen Ring ineinandergesteckt – eine eindrucksvolle Collage, die sich rational nicht begründen lässt. Sie ist ein aufsehenerregendes, aber beliebig interpretierbares Zeichen. Man benötigt schon die Chuzpe eines Koolhaas, um diese Architektur des Spektakels als Absage an die gebauten »Icons« der Stararchitekten zu deuten. Der Rundling sei zudem ein »Symbol der wirtschaftlichen Vitalität der Hansestadt«, das seine Form aus einer Übertreibung der Funktionalität erhalte.
Ob diese Transformation des Funktionalismus ins Bildhafte auch funktional Sinn macht, bleibt abzuwarten: Das Publikum kann, entgegen der durch den Riesenring erzeugten Erwartung, nicht rundherum laufen, da die landseitige Kreishälfte von Büros und Laboren besetzt wird. So werden die Besucher mit Fahrstühlen nach oben transportiert, um von dort in einem vertikalen Parcours über viele Rolltreppen durch die Themenboxen (9500 Quadratmeter) zum Aquarium (6000 Quadratmeter) und Wissenschaftstheater (1500 Quadratmeter) im Keller zu gelangen. Die übereinandergestapelten, unterschiedlich großen Schachteln werden kaum die gewünschte Flexibilität erzeugen, doch die Konfusion der Kuben passt zu dem uneindeutigen Ausstellungskonzept der Kulturbehörde. Darin liegt eine Gefahr der Beliebigkeit genauso wie eine Chance: Vielleicht entsteht so an Hamburgs Elbufer eine Architekturikone neuen Typs, deren Stärke in der Diffusion von Form und Inhalt liegt.
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