1 Monat GRATIS testen, danach für nur 6,90€/Monat!
Startseite » Architektur » Wohnungsbau »

Collecting Architecture

Kommune der Großen Mauer
Collecting Architecture

Die »Kommune der Großen Mauer« – etwa sechzig Kilometer nördlich von Peking gelegen – ist eine eklektische und faszinierende Ansammlung von Bauten, die eine Art Museum für zeit- genössische asiatische Architektur bilden. Es lassen sich darin durchaus Potenziale für die Entwicklung des Bauens in China erkennen. The «Commune of the Great Wall« – approximately 60km north of Peking – is an eclectic and fascinating group of building forming a sort of exhibition of contemporary Asiatic architecture. Here the potentialities for the further development of building in China are readily discernible.

Text: Caroline Klein

Fotos: SOHO Ltd.
Die Vororte Pekings wuchern mehr und mehr in die Landschaft hinein und lassen einstige Konturen verschwinden. Kaum dass man stadtauswärts auf dem Badaling Expressway dieses städtebauliche Niemandsland hinter sich gelassen hat, erscheint die hauchdünne Linie der Großen Mauer am Horizont. Knapp eine Stunde nördlich von Peking, jenseits der »traditionellen«, jedoch rekonstruierten Tore der Großen Mauer, an denen sich Touristenströme sammeln und Outlets Kundschaft anziehen, verengt sich die Straße, und man erreicht eine Welt, die zugleich fremd – zum Kontext – und vertraut – dem Besucher – ist: Sicherheitswachen heißen in einem umzäunten Areal, einer acht Quadratkilometer großen, neuen Welt der Architektur willkommen. In der wunderschönen üppigen Landschaft des Shuiguan Tals stehen ein Dutzend Häuser, die zwischen dreihundert und siebenhundert Quadratmeter groß sind, locker verstreut; sie überzeugen vor allem darin, wie sie Ausblicke auf die hügelige Landschaft und die Große Mauer im Westen inszenieren. Das Villen-Ensemble – in dieser Dimension wohl nur in China möglich – besteht aus elf Wohnhäusern und einem Klubhaus, die von zwölf prominenten asiatischen Architekten entworfen wurden. Ein Traumauftrag: Ein fixes Programm gab es nicht, eine landschaftlich reizvollere Lage kann man sich kaum vorstellen, und die Architekten hatten alle nur denkbaren Freiheiten. Die »Kommune« ist eine wohl orchestrierte und verführerische Public-Relation-Kampagne, ein Immobilien-Coup auf höchstem Niveau mit bedeutendem kulturellen Inhalt, der auf der globalen Bühne Aufmerksamkeit für die Rolle der zeitgenössischen asiatischen Architektur wecken will.
Die »Kommune der Großen Mauer« war nicht nur das erste chinesische Projekt auf der Biennale in Venedig, sondern erhielt dort auch einen der begehrten Preise.
Die politische Reformbewegung eröffnet der jungen Generation neue Chancen. Die Partei, die – nach fünfzig Jahren Kommunismus und Reform – China immer noch mit fester Hand leitet, beginnt, den privaten Sektor zu umarmen. Es ist kaum abzusehen, wie sich die Öffnung auf den Wohn- und Grundstücksmarkt auswirken wird. Wie andere postreformistische und marktorientierte Initiativen, hat die Entwicklungsgesellschaft SOHO China Ltd., die von dem Ehepaar Zhang Xin und Pan Shiyi geleitet wird, auf den wachsenden Markt schnell reagiert: Sie bietet hochwertige »Design-Projekte« an, die junge Städter ansprechen – zum Beispiel die »SOHO New Town« im Zentrum Pekings, in der Lofts in einem Ambiente gemischter Funktionen gebaut wurden. Die »Kommune der Großen Mauer« ist der bis heute ehrgeizigste Versuch von SOHO, für die Architektur in China zu werben. Bislang ließ die Masse dessen, was hier in den letzten Jahren innerhalb kürzester Zeit gebaut worden ist, dem Land fast keine Zeit, nach seiner eigenen zeitgenössischen Identität zu suchen.
Konzipiert war die Investition von immerhin 24 Millionen US-Dollar für Pekings neue Unternehmer, für die Art, wie diese Gesellschaftsgruppe ihre Freizeit verbringen und wohnen möchte. Das Finanzierungsmodell ist für China genauso innovativ wie seine Architektur. Fünf der elf Originalhäuser werden in einer zweiten Projektphase »reproduziert« und im Lauf der nächsten Jahre in den benachbarten Tälern gebaut und verkauft. Phase 1 funktioniert wie ein Luxushotel aus unabhängigen Villen, die man übers Wochenende oder für kurze Zeit mieten kann. Die Preise in diesem »Boutiquehotel« liegen bei 888 bis 1088 US-Dollar pro Nacht – sie sind hoch und symbolisch, weil die Zahl 8 eine absolute Glückszahl ist. Der Hotelbetrieb soll sicherstellen, dass möglichst viele Menschen Zugang zur Architektur haben und somit ein lebendiges Museum schaffen. Und die »Kommune der Großen Mauer« ist definitiv eine Ausstellung. Hier wurde eine Sammlung von Design-Objekten geschaffen, die zufällig Gebäude sind. SOHO Ltd. ist ein Erwerbsbetrieb und keine kulturelle Institution. Von Anfang an hat der Entwickler darauf bestanden, dass dies kein leeres, symbolisches Experiment werden sollte, sondern ein Ort für normale, allerdings reiche Leute, die die Gebäude wirklich benutzen.
Das Projekt zeigt die Version einer Welt, in der die Grenzen zwischen wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Emanzipation, kultureller Identität und architektonischer Innovation verwischt sind. In einem Land, das Millionen Kubikmeter vulgärer postmoderner Gebäude im Namen des Fortschrittes produziert, das eine aggressive Politik von städtischen Zwangsumsiedlungen betreibt und so systematisch traditionelle Nachbarschaften zerstört, stellt die Kommune mehr als eine frische Brise dar. Es ist eine reife und selbstsichere Aussage, die die Bedürfnisse von Kunst und Handel zu versöhnen sucht. Als elitäre Entwicklung jedoch – bequem versteckt in einem entfernten Tal am Fuße der Großen Mauer – riskiert die Villen-Enklave, architektonische Innovation auf eine Gebäudetypologie zu beschränken, die für die Gesellschaft irrelevant ist. Eine Chance für die neue Generation chinesischer Planer und Architekten liegt lediglich darin, die Lektion der Kommune für den städtischen Maßstab zu lernen und moderne Architektur auf die Probleme von Massenwohnungsbau und städtischer Infrastruktur zu übertragen.
Die Häuser der Kommune sind groß. Es gibt weder die üblichen verbergenden Gartenmauern, noch Hecken, die Häuser sind von der Straße aus einsehbar; die Bewohner teilen sich das öffentliche Reich. Für Immobilienmakler liegt in dieser Besonderheit der Anlage sicher eine Herausforderung, sind doch wohlhabende Klienten selten bereit, die Privatsphäre aufzugeben, für die sie Geld ausgeben sollen. Möglicherweise sind jedoch die künftigen Bewohner Individuen, die gerne on show leben. Im Inneren bieten die Villen mit Höfen oder Terrassen jedoch ausreichend Privatsphäre. In welchem Ausmaß die Kommune als ständiger Schlafvorort für Pekings Pendler oder als Wochenendrückzug – für den die Bauten zu groß sind – funktionieren wird, weiß man noch nicht. Die Besonderheit der Villen ist wohl für Kurzbesuche und events geeigneter als für das tägliche Wohnen. Es geht um Häuser, aber nicht notwendigerweise um ein Zuhause.
Die einmalige Architektur der Kommune könnte, wenn reproduziert und verkauft, zur Selbstparodie werden. Wie würde eine Straße von Bambushäusern aussehen, wenn sich die Bewohner dazu entschließen, sie in individuellen Farben anzumalen? Was kann von den Prototypen für die künftigen Klone abgeleitet werden? Werden Pekings Pendler am Ende No-name -Kisten den Designer- villen vorziehen? C. K.
Aktuelles Heft
Titelbild db deutsche bauzeitung 4
Ausgabe
4.2024
LESEN
ABO
MeistgelesenNeueste Artikel

Architektur Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Architektur-Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Medien GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum arcguide Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des arcguide Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de