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Hilfreiche Software

Schalplanung für das MARTa in Herford
Hilfreiche Software

Je nach Leistungsphase kann CAD-Software bei der Projektarbeit einschränkend, hilfreich oder nahezu unverzichtbar sein. Besonders deutlich fallen die Unterschiede im Nutzwert bei Entwürfen mit unkonventioneller, komplexer Geometrie aus. Das im Mai eröffnete Herforder Museum »MARTa« von Frank O. Gehry ist hierfür ein Paradebeispiel: Die Formfindung erfolgte mit Hilfe des klassischen Modellbaus. In dieser Phase wollte man wohl gar nicht erst das Risiko eingehen, von eventuellen Beschränkungen eines CAD-Programms eingeengt zu werden. Umso intensiver wurde dann bei der Ausführungsplanung und Fertigung auf die Hilfe des Computers zurückgegriffen. Ohne moderne Hard- und Software wäre die exakte und rationelle Umsetzung des von räumlich gekrümmten Wand- und Dach- flächen bestimmten Entwurfs praktisch unmöglich gewesen.

Allerdings war dabei entsprechendes Know-how gefragt, über das nicht alle Bauunternehmen verfügen. So stellte sich für die mit der Ausführung der Rohbauarbeiten beauftragte Bielefelder Firma Sudbrack zunächst die Frage, wie beim Erstellen der geschwungenen Außenwände aus dreißig Zentimeter Stahlbeton, Dämmung, Luftschicht und Klinker-Vormauerung am besten vorzugehen sei. Es galt vor allem, ein praktikables Schalungssystem für die Ortbetonwände zu finden – und jemanden, der aus den zur Verfügung stehenden Unterlagen (digitales 3D-Modell sowie einige Entwurfsskizzen und Massenermittlung) für die Fertigung brauchbare Pläne erstellen konnte. Über Gehrys lokales Projektbüro, das Bauplanungsbüro Archimedes in Herford unter der Leitung von Hartwig Rullkötter, entstand der Kontakt zu Tim Dressler. Da Dressler, freiberuflicher Diplomingenieur Architektur, Erfahrung im Umgang mit professioneller 3D-Software hatte und ein zweckmäßiges Konzept für das gesuchte Schalungssystem vorlegen konnte, wurde er mit der Schalplanung für das MARTa beauftragt.
db: Herr Dressler, inwieweit erforderte das Projekt MARTa eine andere Arbeitsweise bei der Ausführungsplanung als konventionelle Entwürfe?
Dressler: Man könnte sagen, dass über weite Strecken mehr Industriedesign als Gebäudeplanung betrieben wurde. Anstatt der sonst üblichen Pläne, die die komplexe Freiformgeometrie ohnehin nur unzureichend abgebildet hätten, war ein maßstäbliches Entwurfsmodell Basis der weiteren Bearbeitung. Ein 3D-Scan des Modells lieferte die digitalen Daten, aus denen im Büro Gehry mit dem Programm CATIA ein exaktes 3D-Flächenmodell des MARTa erzeugt wurde. Dieses »Master-3D-Modell« (Bild 4) war auch der Ausgangspunkt meiner Arbeit. Ich musste also zunächst eine CAD-Software finden, mit der ich diese Daten, die im Wesentlichen die inneren und äußeren Wandflächen enthielten, einlesen und weiter bearbeiten konnte. Die Wahl fiel auf Rhino, ein Programm, das ich schon öfters bei eigenen Entwürfen verwendet hatte.
db: Rhino ist als reiner 3D-Modeller aber doch kaum das optimale Werkzeug für die Werkplanung. Es gibt doch sicher auch Architektur-CAD-Systeme mit ausgeprägten 3D-Fähigkeiten, die sich hierfür besser eignen sollten.
Dressler: Ich hatte mich Anfang 2002 mit verschiedenen Anbietern von Architektur-CAD-Systemen in Verbindung gesetzt und ihnen meine Anforderungen beschrieben. Damals konnten zwar einige Programme die NURBS-Freiformflächen aus CATIA anzeigen, keines davon verfügte jedoch über Funktionen, um diese weiter zu bearbeiten. Am Ende blieb mir deshalb nichts anderes übrig, als zweigleisig zu fahren: Die 3D- Bearbeitung erfolgte in Rhino, das auch die Daten für die CNC-Fertigung der Schalkörper lieferte. Plandarstellungen habe ich in AutoCAD gefertigt, da Rhino wiederum nur bedingt über die für eine klassische Werkplanung nötigen Schraffuren, Bemaßungen und Beschriftungen verfügte. Grundlage der Pläne bildeten aus dem 3D-Modeller exportierte DXF- oder DWG-Dateien. So habe ich beispielsweise in Rhino Schnitte durch die Wände gelegt und die dabei entstandene Splinekurven dann als 2D-DXF an
AutoCAD übergeben.
db: Was waren die wesentlichen Arbeitsschritte bei der Schalplanung in Rhino?
Dressler: Hier ist vorauszuschicken, dass mit einem zweigeteilten Schalungssystem gearbeitet wurde. Dieses bestand jeweils außen aus einer konventionellen senkrechten Schalung aus planen Elementen, innen wurden Füllkörpern davor gesetzt. Innenseitig geschwungen, bildeten diese dann die eigentlichen Negativformen der räumlich gekrümmten Wand. Durch dieses Prinzip konnte auf der Baustelle nach einer in Plänen einfach und eindeutig darstellbaren Geometrie gearbeitet werden, nämlich einem inneren und einem äußeren Polygon für den Verlauf der senkrechten Schalung (Bild 3). Um den Aufwand beim Herstellen dieser Schalung möglichst gering zu halten, sollten die Polygone möglichst wenig Ecken aufweisen, die Schalung also nicht in zu viele kurze Abschnitte unterteilt sein. Mit zunehmender Länge der geraden Abschnitte ergibt sich aber zwangsläufig ein größerer Maximalabstand zwischen der senkrechten Schalung der zu betonierenden gekrümmten Wand, der durch die Füllkörper überbrückt werden muss. Eine große Tiefe der Füllkörper erhöht jedoch den Materialbedarf und damit die Kosten für deren Herstellung und macht sie vor allem unhandlicher – ein für den Bauablauf wesentlicher Aspekt. Meine Hauptaufgabe zu Beginn der Schalplanung war es deshalb, einen günstigen Kompromiss für den Verlauf der senkrechten Schalung zu erarbeiten und somit den ständig variierenden Abstand zu den späteren, frei im Raum gekrümmten Wandflächen zu definieren.
db: Durch die Zweiteilung der Schalung wurde also das kaum lösbare Problem umschifft, die Freiformgeometrie der Wände in den Plänen für die Baustelle eindeutig und vollständig vermaßt darzustellen zu müssen.
Dressler: Genau, denn aus diesen Plänen musste lediglich klar ersichtlich sein, welcher Füllkörper an welcher Stelle vor der senkrechten Schalung platziert werden muss. Die dafür notwendigen Aufstellpläne schickte ich als druckbare Pläne (PLT/PDF-Dateien) mit isometrischen Darstellungen der einzelnen Wandabschnitte an das ausführende Bauunternehmen Sudbrack in Bielefeld. Die Geometrie der Wände ergab sich dadurch gewissermaßen von selbst, nachdem die in der Tischlerei gefertigten Füllkörper auf der Baustelle angeliefert und an ihre vorgegebenen Positionen gesetzt waren. Trotzdem gab es eine ganze Reihe konventioneller Pläne in Form von zweidimensionalen Schnittzeichnungen. Diese legten wir jedoch vorrangig in die Ebenen, an denen die Schalelemente gestoßen waren. So war an Hand der x-, y- und z-Koordinaten eine möglichst einfache Kontrolle der jeweiligen Position möglich, die anderenfalls auf der Baustelle kaum zu prüfen gewesen wäre.
db: Und auf welcher Grundlage fertigte der Tischler die Füllkörper?
Dressler: Die Tischlerei erhielt Dateien mit den 3D-Volumen. Die hatte ich in Rhino erzeugt, indem ich den Raum zwischen den Wandoberflächen und der senkrechten Schalung zunächst in Abschnitte unterteilte. Deren Höhe betrug durchweg 2,75 Meter, die Breite in der Regel etwa zwei Meter. In Bereichen mit sehr starker Krümmung der Wand auch weniger, um, wie schon gesagt, die erforderliche Tiefe der Füllkörper in vertretbaren Grenzen zu halten. Aus dem gleichen Grund wurden an hohen Wänden mit großem Überhang zusätzliche Abstands-halter zwischen senkrechter Schalung und Füllkörper eingeplant. Die gekrümmten Schalflächen der einzelnen Füllkörper entstanden dann als Kopien der entsprechenden Ausschnitte der im 3D-Modell vorhandenen Freiform-Wandflächen. Sie mussten nur noch mit Rück- und Seitenflächen zu einem vollständig geschlossenen Volumen komplettiert werden. Alle – insgesamt rund fünfhundert – Füllkörper habe ich abschließend in separate IGES-Dateien exportiert, mit denen der Tischler seine Fräse »füttern« konnte. Parallel erhielt Gehrys Projektbüro die von den Füllelementen gebildete Schalfläche im 3dm-Format von Rhino zur Kontrolle.
db: Was ist generell zum Austausch der CAD-Daten zu sagen? Und gab es dabei Probleme zu überwinden?
Dressler: Da die Architekten neben CATIA ebenfalls Rhino verwendeten, traten dabei keinerlei Schwierigkeiten auf. Auch die Übergabe der Daten für die computerge-steuerte Fertigung an die Tischlerei bereitete wenig Probleme. Allerdings hatten wir hier im Vorfeld mit verschiedenen 3D-Datenformaten experimentiert. Von Rhinos möglichen Exportformaten erwies sich dabei IGES als am besten geeignet. Pläne, wenn nicht ohnehin als Plot verschickt, wurden als PDFs oder Plotdateien weitergegeben. Als zentrale Ablage der Projektdaten diente ein Server im Architekturbüro, auf den die Beteiligten via FTP-Up- und -Download zugreifen konnten.
db: Nachdem der Rohbau stand, erhielten Sie Anfang 2004 noch einen Folgeauftrag.
Dressler: Nach Abschluss der Betonierarbeiten wurde das Bielefelder Vermessungsbüro Massong mit einem Laserscan der Wand-außenflächen beauftragt. Anhand der Aufmaßdaten sollte ermittelt werden, inwieweit sich der Ist-Zustand von der Planung unterscheidet. Die vorhandenen Abweichungen sollten dann durch Anpassung der Ankerlängen der Klinker-Vorsatzschale soweit möglich kompensiert werden. Ich erhielt den Auftrag, aus den Messdaten des Laser-scans – einer »Wolke« aus vernetzten Punkten (Bild 7) im Abstand von fünfzig Millimetern – ein Ist-Modell aus NURBS-Flächen (Bild 8) zu generieren und dessen Abweichungen vom ursprünglichen 3D-Modell zu visualisieren. Dazu überlagerte ich beide in Rhino und erzeugte in 12,5- beziehungsweise 25-Millimeter-Schritten Offsets zu den Soll-Wandflächen des Master-Modells.
db: Was hat man unter »Offsets« genau zu verstehen?
Dressler: In Rhino werden damit Flächen bezeichnet, die dadurch entstehen, dass die Punkte der Ursprungsfläche um ein bestimmtes Maß entlang der Flächennormalen im jeweiligen Punkt verschoben werden. Mit Hilfe der Offsets war es möglich, sozusagen Höhenlinien der Abweichungen bezogen auf die Soll-Wandflächen zu erzeugen. So ergibt sich beispielsweise aus der Durchdringung von Ist-Wandfläche und dem Offset im Abstand von 25 Millimetern eine Schnittkurve, deren Punkte alle genau im Abstand von 25 Millimetern vor beziehungsweise hinter der Soll-Wandfläche liegen. Durch Übereinanderlegen der Schnittkurven der verschiedenen Offsets entstanden dann eine Art von topografischen Plänen, in denen das Maß der Abweichung vom Soll durch unterschiedlich farbige Bereiche ablesbar war (Bild 9).
db: Abschließende Frage: Wie stehen Sie als junger Architekt mit reichlich CAD- und 3D-Modelling-Erfahrung zum Thema Entwerfen am PC?
Dressler: In der frühen Phase verwende ich 3D-Software zur Entwurfskontrolle, also als Ersatz für den Modellbau mit Styroporklötzchen oder ähnlichem. Dabei ermöglichen neue 3D-Modelling-Anwendungen überhaupt erst, komplexe Geometrien zunächst anschaulich zu machen, um sie dann in die Realität umzusetzen. Die Architektur der letzten Jahre wurde durch dieses Werkzeug bereits merklich beeinflusst. Vielleicht müssen wir schon jetzt neu definieren, was Architektur in Zukunft ist – oder sein kann. Für das eigentliche Entwerfen sind jedoch 6B und Skizzenrolle aber auch für mich immer noch die bevorzugten Hilfsmittel.
Das Interview mit Tim Dressler führte Jürgen Roth.
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