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Auslegungssache?

Technik
Auslegungssache?

Auslegungssache?
1 Nicht jedem Gebäude ist auf den ersten Blick anzusehen, welche Maßnahmen des Bauens im Bestand sich dahinter verbergen. Hier die Fassade eines Ergänzungsteils inmitten eines denkmalge-schützten, sanierten Ensembles im Zentrum von Bath in England 2 Die Instandsetzung denkmalgeschützter Altbauten wie etwa Stuckfassaden gestaltet sich oft schwierig. Eine reine »Renovierung« ist beispielsweise mit denkmalpflegerischen Grundsätzen oft nicht zu vertreten 3 So spektakulär wie seine Geschichte, so umfangreich die Zahl der Baumaßnahmen an dem historischen Ort in Berlin: Vor einigen Jahren noch wurde der Palast der Republik von Asbest befreit und umgenutzt – nun soll er abgerissen werden, damit an seiner Stelle wieder die barocke Fassade des ehemaligen Berliner Schlosses rekonstruiert werden kann 4 Imposante Rekonstruktion: 2004 wurde die Dresdner Frauenkirche komplett wiederaufgebaut – nachdem die Trümmer jahrzehntelang Mahnmal für den Zweiten Weltkrieg waren. Hier der Zustand vor Aufsetzen der Turmhaube mit Kirchkreuz 5 Zusammenfassende Darstellung der Begriffsunterschiede 6 Von einem Neubau fast nicht zu unterscheiden, das Schulzentrum in Stetten nach der Fassadensanierung mit rot lasierten Faserzementplatten. Die verwitterte und durchfeuchtete Sichtbetonfassade aus den siebziger Jahren wurde ersetzt und wärmetechnisch den aktuellen Standards angepasst
Ob Umbau, Ergänzung, Restaurierung, Sanierung oder gar Rekonstruktion: Bauen im Bestand durchdringt zunehmend die tägliche Arbeit von Architekten und Ingenieuren. Umso wichtiger also, Begriffe und Inhalte der verschiedenen Baumaßnahmen genau unterscheiden zu können, erst recht im Hinblick auf mögliche spätere Streitigkeiten vor Gericht. Whether as conversion, extension, resto- ration, renovation or even reconstruction: building in refurbishment is an increasing part of the day-to-day work of architects and engineers. All the more important to define precisely terms and content of the various construction works, especially with regard to later disputes in court.

Mängelfreies Planen und Bauen ist auch eine Frage der unmissverständlichen Beschreibung von Leistungsinhalten und den mit diesen Inhalten korrespondierenden Begriffen. Denn Verträge mit fehlerhaft oder irrtümlich gewählten Begriffen sind oft vor Gericht hinsichtlich ihres Leistungssolls zu interpretieren. Unterschieden wird dann zwischen der »Nichtleistung« und der »Schlechtleistung«. Während bei letzterer eine bereits erfolgte Ausführung bestimmte (an einem Vergleichsmaßstab abzuleitende) Anforderungen nicht erfüllt und es in der Regel um technische Mangelbeurteilungen geht, handelt es sich bei der Nichtleistung um die Bestimmung eines geschuldeten Leistungssolls.

Generell gibt es bei der Definition der Begriffe drei Probleme: Erstens kann es für verschiedene Sinnzusammenhänge verschiedene Begriffsinhalte geben und zweitens unterliegen Begriffe dem Wandel. Drittens ist es bei solchen Definitionsversuchen unvermeidlich, dass man die zur Definition verwendeten Begriffe definieren muss und somit eine Kettenreaktion erzeugt. Das heißt, die Definiererei läuft ins Uferlose. Dieses Problem kann man allgemein gut lösen, indem man bei Erklärungen mehr auf den Sinn der Aussage und weniger auf die Bedeutung der Begriffe achtet. Deshalb werden nachfolgend Diskussionen zu Begriffsdefinitionen weitgehend vermieden. Allerdings: Völlig vermeidbar sind solche Diskussionen nicht.
Verschiedene Gerichtsurteile in den letzten Jahren haben gezeigt, dass beispielsweise gerade der häufig verwendete Begriff Sanierung keine rechtlich bindende Definition besitzt. Auch steht, so ein Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf [1], eine Sanierung, Erneuerung, Modernisierung und Renovierung nicht unmittelbar für die Einhaltung aktueller bauordnungsrechtlicher Anforderungen an allen Einzelteilen eines Gebäudes. Das gilt vor allem dann, wenn der Erwerber Kenntnis über die vorgenommenen Arbeiten erhält und sich daraus keine Hinweise auf umfangreiche Eingriffe in die alte Bausubstanz ergeben. Insbesondere fordert das öffentliche Baurecht keine Einhaltung aktueller Bauvorschriften, denn Altbauten genießen Bestandsschutz. Das Problem der unterschiedlichen Auslegungsmöglichkeiten von Vertragstexten kann nur durch eindeutige Definitionen der Begriffe Instandsetzung, Renovierung, Instandhaltung, Modernisierung, Rekonstruktion und Sanierung (Teilsanierung, Vollsanierung) gelöst werden.
Instandsetzung In der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure heißt es: »Instandsetzungen sind Maßnahmen zur Wiederherstellung des zum bestimmungsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustandes (Soll-Zustandes) eines Objekts, soweit sie keine Wiederaufbauten (Rekonstruktionen) sind oder durch Modernisierungen verursacht sind.« Im Modernisierungs- und Energieeinsparungsgesetz (ModEnG) kann man dazu lesen: »Instandsetzung ist die Behebung von baulichen Mängeln, insbesondere von Mängeln, die infolge Abnutzung, Alterung, Witterungseinflüssen und Einwirkung Dritter entstanden sind, durch Maßnahmen, die in den Wohnungen den zum bestimmungsmäßigen Gebrauch geeigneten Zustand wieder herstellen.« DIN 31051 [2] definiert »Instandsetzung: Maßnahmen zur Wiederherstellung des Sollzustandes …« Unter dem Gesichtspunkt der Denkmalpflege lautet es in den Arbeitsblättern des Bayrischen Landesamtes für Denkmalpflege [3]: »Im Folgenden wird die Instandsetzung von Denkmälern als Oberbegriff ver- standen, der Maßnahmen der Konservierung und Sicherung, Restaurierung, Renovierung und Ergänzung umfassen kann …«
Eine Instandsetzung stellt keinen nennenswerten Eingriff in die vorhandene Bausubstanz dar. Sie umfasst lediglich die Überarbeitung einzelner Bauteile und die Beseitigung akuter Schäden (Schönheitsreparaturen) mit dem Ziel der Wiederherstellung des Soll-Zustandes für den bestimmungsgemäßen Gebrauch ohne Erhöhung des ehemaligen Gebrauchswertes (in der Regel ohne Notwendigkeit der Einhaltung aktueller bauordnungsrechtlicher Anforderungen). Die denkmalpflegerische Instandsetzung beinhaltet Reparaturen und Teilerneuerungen mit weitestgehend historischen Materialien und Techniken, sowie Sicherungsmaßnahmen wie etwa Unterfangungen [3]. Bei Veräußerung eines in Stand gesetzten Objektes besteht für die durchgeführten Leistungen Werkvertragsrecht, für die unberührte Altbausubstanz Kaufvertragsrecht [4].
Beispiele für Instandsetzungsmaßnahmen: ein neuer Fassadenanstrich, Dachrinnenerneuerung, großflächige Erneuerung der Dacheindeckung, Bodenbelagarbeiten und Putzausbesserungen.
Renovierung Im Sprachgebrauch bedeutet Renovierung soviel wie Erneuerung durch Ersatz, Wiederherstellung beziehungsweise Instandsetzung [4] und umfasst in erster Linie Schönheitsreparaturen. Aus den Arbeitsblättern des Bayrischen Landesamtes für Denkmalpflege kann man entnehmen: »Renovieren heißt erneuern und ist … als eine dritte Methode der Instandsetzung in der Denkmalpflege weit verbreitet.« Im Gegensatz zu Restaurierungen (Wiedersichtbarmachung) zielen Renovierungsarbeiten in der Denkmalpflege auf Erneuerung vorhandener Substanz (sichtbare Oberfläche) ab [3]. Eine Erneuerung vorhandener Substanz ist jedoch oft gleichermaßen mit der ersatzlosen Zerstörung der alten Substanz verbunden und somit in vielen Fällen mit denkmalpflegerischen Grundforderungen nicht zu vertreten. Rechtlich gesehen kann auf die Begriffsdefinition des Begriffes Instandsetzung der HOAI beziehungsweise des ModEnG zurückgegriffen werden.
Unter Renovierungsarbeiten fallen beispielsweise Malerarbeiten, die Erneuerung des Bodenbelags oder Fassadenputzerneuerung.
Instandhaltung Die HOAI bezeichnet Instandhaltungen als »Maßnahmen zur Erhaltung eines Soll-Zustandes eines Objekts«. Genauer heißt es in DIN V ENV 1991–1: »Die Instandhaltung von Tragwerken bezeichnet die Gesamtheit der Maßnahmen, die während der geplanten Nutzungsdauer des Tragwerks durchgeführt werden, um dessen Funktionsfähigkeit zu erhalten.« In DIN 31 051 [2] ist eine sehr detaillierte Begriffsdefinition für Instandhaltungen enthalten: »Instandhaltung: Maßnahmen zur Bewahrung und Wiederherstellung des Soll-Zustandes sowie zur Feststellung und Beurteilung des Ist-Zustandes … Die Maßnahmen beinhalten die Maßnahmen der Wartung, Inspektion, Instandsetzung …« Die Arbeitsblätter des Bayrischen Landesamtes für Denkmalpflege [3] sagen dazu aus: »… während Instandhaltung als eine begrenzte, ständig laufende Maßnahme der Erhaltung … dargestellt wird.«
Das heißt, die Instandhaltung beinhaltet Instandsetzungsmaßnahmen, Wartungsarbeiten sowie die zur Schadensfeststellung notwendigen Maßnahmen. Unter Wartungsarbeiten versteht man dabei die Beseitigung kleinerer schadensträchtiger Zustände. Im Gegensatz zur HOAI stellt die Instandhaltung aus denkmalpflegerischer Sicht jedoch die Erhaltung des Ist-Zustandes eines Objektes, zum Beispiel bei einer Burgruine, dar. Maßnahmen der Instand- haltung stellen ebenfalls keinen nennenswerten Eingriff in die vorhandene Bausubstanz dar. Sie umfassen lediglich die Überarbeitung einzelner Bauteile, die Beseitigung akuter Schäden (Schönheitsreparaturen) und kleinerer schadensträchtiger Zustände mit dem Ziel der Wiederherstellung des Soll-Zustandes für den bestimmungsgemäßen Gebrauch (in der Regel ohne Notwendigkeit der Einhaltung aktueller bauordnungsrechtlicher Anforderungen).
Beispiele für Wartung: das Säubern der Dachrinne oder der Austausch beschädigter Dachziegel, Erneuerung des Fensteranstriches, Pflege der Außenanlagen (Bäume, Sträucher) oder einfache handwerkliche, vom Eigentümer selbst durchführbare Arbeiten.
Modernisierung In der HOAI heißt es unter §3 Nr. 6: »Modernisierungen sind bauliche Maßnahmen zur nachhaltigen Erhöhung des Gebrauchswertes eines Objekts, soweit sie keine Erweiterungsbauten, Umbauten oder Instandsetzungen sind, jedoch einschließlich der durch diese Maßnahmen verursachten Instandsetzungen.« Im Modernisierungs- und Energieeinsparungsgesetz findet man: »Modernisierung ist die Verbesserung von Wohnungen durch bauliche Maßnahmen, die den Gebrauchswert der Wohnungen nachhaltig erhöhen oder die allgemeinen Wohnverhältnisse auf die Dauer verbessern.« Zu guter Letzt kann man im zweiten Wohnungsbaugesetz (II. WoBauG §17a) nachlesen: »Modernisierung ist die Bezeichnung für bauliche Maßnahmen, die den Gebrauchswert des Wohnraums nachhaltig erhöhen, die allgemeinen Wohnverhältnisse auf Dauer verbessern oder nachhaltig Einsparungen von Heizenergie oder Wasser bewirken; Instandsetzungen, die durch Maßnahmen der Modernisierung verursacht werden, fallen unter die Modernisierung.«
Im Sprachgebrauch bedeutet Modernisierung soviel wie Veränderungen oder Umgestaltungen von Gebäuden, um sie technisch auf einen neuen Stand zu bringen [4]. Das korrespondiert auch mit den Erklärungen der einschlägigen Literatur [5], in der der Begriff Modernisierung für die Anpassung von Gebäuden an die zum Zeitpunkt der Durchführung gültigen Standards beziehungsweise Regeln der Technik steht. Das heißt, eine Modernisierung stellt keine wesentlichen Eingriffe in die vorhandene Bausubstanz dar (keine Erweiterungsbauten oder Umbauten). Die Modernisierung umfasst lediglich die Überarbeitung einzelner Bauteile, nicht das Gesamtgebäude. Im Gegensatz zur Instandsetzung hat sie jedoch das Ziel einer nachhaltigen Erhöhung des Gebrauchswertes eines Objektes bezogen auf das ursprünglich vorhandene Bauwerk und dessen Ausrüstung (mit Notwendigkeit der Einhaltung aktueller bauordnungsrechtlicher Anforderungen an die bearbeiteten Bauteile). Bei Veräußerung eines modernisierten Objektes besteht für die durchgeführten Leistungen Werkvertragsrecht, für die unberührte Altbausubstanz Kaufvertragsrecht.
Beispiele für Modernisierungsmaßnahmen: der Einbau von Zentralheizung, Fenstern, Bädern oder wärmegedämmter Dachhaut, die Überarbeitung der Raumausnutzung und Belüftung sowie die Verbesserung der Verkehrswege durch Aufzüge oder etwa schwellenloser Zugänge für altersgerechtes, behindertengerechtes Wohnen.
Rekonstruktion Bislang ist in den Rechtsvorschriften keine eindeutige Definition für den Begriff der Rekonstruktion vorzufinden. Im Lexikon der Bautechnik [5] findet man dafür folgende Definition: »Rekonstruktion bezeichnet den Vorgang des neuerlichen Erstellens oder Nachvollziehens von etwas mehr oder weniger nicht mehr Existierendem oder Unbekanntem beispielsweise eines (…) zerstörten Gebäudes, (…). Dabei ist es nötig, sich an erhaltenen Fragmenten, Bauplänen oder auch nur Indizien zu orientieren. Nicht nur der Vorgang, sondern ebenfalls sein Ergebnis wird als »Rekonstruktion« bezeichnet. Aufgrund der Menge und Qualität der Annahmen hat eine Rekonstruktion immer hypothetischen Charakter. Als Hypothese bezeichnet man in der Wissenschaft eine noch nicht bewiesene Vermutung, auf deren Grundlage bestimmte Phänomene erklärt werden können.« Aus dem Urteil des Oberverfassungsgerichts Nordrhein-Westfalen [6] geht hervor, dass eine Rekonstruktion der Wiederherstellung des alten Zustandes eines Bauwerkes beziehungsweise eines Bauwerksteils entspricht. Andere unterscheiden [7]: »Der Begriff »Wiederaufbau« schließt nicht die Notwendigkeit der Annäherung des Erscheinungsbildes an das verlorene Original ein. Mit Rekonstruktion wird dagegen die Wiederherstellung von einem, aus welchen Gründen auch immer, verlorenen Original aufgrund von Bild-, Schrift- oder Sachquellen bezeichnet, während die Kopie im Gegensatz zur Rekonstruktion ein noch vorhandenes Original abbildet. Neben der Gesamtrekonstruktion gibt es die bereits unter dem Stichwort Ergänzung als denkmalpflegerische Maßnahme eingeordnete Teilrekonstruktion …«
Somit kann festgestellt werden, dass die Rekonstruktion bauliche Maßnahmen zum originalgetreuen Wiederaufbau eines Objektes umfasst, die zum Teil auf Vermutungen (Farbgestaltung oder Ähnliches) beruhen. Das heißt, Rekonstruktionen stellen in der Regel auch größere Eingriffe in eine vorhandene Bausubstanz dar. Sie sind mit einer Erhöhung des Gebrauchswertes eines Objektes bezogen auf die vorhandene Altbausubstanz verbunden – generell jedoch ohne der Notwendigkeit der Einhaltung aktueller bauordnungsrechtlicher Anforderungen, das heißt keine Anpassung an technische Standards, außer aus Gründen der Dauerhaftigkeit und Standsicherheit. Im Gegensatz zur Sanierung und Modernisierung wird keine nachhaltige Gebrauchswertsteigerung des Objektes bezogen auf das ursprünglich vorhandene Bauwerk angestrebt.
Es kann auch gesagt werden, dass eine »Gesamtrekonstruktion« die Summe aller notwendigen Teilrekonstruktionen an einem Objekt, also Instandsetzungsmaßnahmen zur Wiederherstellung des Originalzustandes sind. Die Rekonstruktion steht jedoch weniger in Zusammenhang mit dem Bauen im Bestand. Vielmehr handelt es sich hierbei um einen Begriff der Denkmalpflege.
Die neuen Bundesländer haben den Begriff ursprünglich verwendet, um eine Modernisierung oder Vollsanierung zu umschreiben [8]. Dies hat seinerzeit zu einer gewissen Verwirrung beigetragen und ist bei DDR-Literaturstellen terminologisch zu berücksichtigen. Beispiele sind der Wiederaufbau von Denkmälern als gesamtes Bauwerk (Bild 4) oder Fassadenerneuerungen nach altem Vorbild (Form, Farbe, Schmuckelemente) als Teilrekonstruktion.
Sanierung Der Begriff Sanierung ist rechtlich nicht definiert [9] – obwohl er von den genannten Begriffen der am häufigsten bei der Vertragsformulierung anzutreffende Begriff ist. Wenn von Sanierung die Rede ist, muss erst geklärt werden, ob die Bauarbeiten das gesamte Gebäude umfassen (Vollsanierung = objektbezogen) oder ob Baumaßnahmen an einzelnen Bauteilen vorgenommen werden (Teilsanierung = bauteilbezogen) [4].
In DIN EN 752–1 heißt es: »Sanierung ist die Bezeichnung für alle Maßnahmen zur Wiederherstellung oder Verbesserung von vorhandenen Bauwerksteilen.« Aus dieser Definition geht hervor, dass der Begriff Sanierung mit einer Instandsetzung (Wiederherstellung vorhandener Bauwerksteile) gleichzusetzen ist. Gleichzeitig deutet die Definition darauf hin, dass der Begriff Sanierung auch die Gesamtheit aller Modernisierungsmaßnahmen, also die Verbesserung von vorhandenen Bauwerksteilen an einem Bauwerk darstellen kann. Das heißt, eine Sanierung im Sinne der oben genannten Definition umfasst entweder alle an einem Bauwerk durchzuführenden Instandsetzungen (Teilsanierung) oder sämtliche Modernisierungsmaßnahmen (Vollsanierung).
In den Arbeitsblättern des Bayrischen Landesamtes für Denkmalpflege [3] heißt es: »Insgesamt versteht man unter dem Begriff Sanierung (…) zum Teil notwendige, zum Teil viel zu weit gehende und durchgreifende Maßnahmen als Folge der Anpassung an moderne Normen und Vorschriften, als Folge von Umnutzungen und Revitalisierungsüberlegungen, die sich nicht unbedingt an den Vorgaben des alten Baubestands orientieren.« Auch bei dieser Definition wird der Begriff Sanierung in notwendige, zu erbringende Maßnahmen (Substanzerhaltung = alle Instandsetzungen = Teilsanierung) und durchgreifende Maßnahmen (alle Modernisierungsmaßnahmen = Vollsanierung) zur Anpassung an moderne Normen (z. B. DIN) und Vorschriften (z. B. Länderbauordnungen) unterteilt.
Weiter heißt es in den Arbeitsblättern des Bayrischen Landesamtes für Denkmalpflege, dass »Sanierung als eine durchgreifende, auch mit dem Begriff der »Modernisierung« verbundene Maßnahme dargestellt wird.« Auch hier werden Analogien zwischen den Begriffen Modernisierung und Sanierung aufgezeigt.
Teilsanierung
Die Teilsanierung ist einer Instandsetzung gleichzusetzen [3]. Das heißt, eine Teilsanierung stellt keinen nennenswerten Eingriff in die vorhandene Bausubstanz dar. Sie umfasst lediglich die Überarbeitung einzelner Bauteile und die Beseitigung akuter Schäden (Schönheitsreparaturen) mit dem Ziel der Wiederherstellung des Soll-Zustandes für den bestimmungsgemäßen Gebrauch ohne Erhöhung des ehemaligen oder bestimmungsgemäßen Gebrauchswertes (ohne Notwendigkeit der Einhaltung aktueller bauordnungsrechtlicher Anforderungen [1]). Eine Teilsanierung führt demzufolge zu Mangelhaftung für durchgeführte Leistungen nach Werkvertragsrecht, für die unberührte Altbausubstanz hingegen besteht Kaufvertragsrecht [1, 4, 10].
Vollsanierung
Im Gegensatz zur Teilsanierung bezieht sich die Vollsanierung eines Gebäudes auf das Gesamtbauwerk, dessen Konstruktion und technische Ausrüstung dem aktuellen technischen Standard angepasst werden [9]. Hierbei gilt uneingeschränktes Werkvertragsrecht. Eine Vollsanierung ist demzufolge rechtlich gesehen vergleichbar mit einem Neubau, da eine Errichtungsverpflichtung für das gesamte Bauwerk besteht. Das heißt, die Vollsanierung beinhaltet die Verpflichtung der nachhaltigen Beseitigung sämtlicher aufgetretener Schäden und damit auch die Aufgabe, alle schadensanfälligen Bauteile auszuwechseln. Im Sprachgebrauch bedeutet Sanierung soviel wie Gesamtbauwerke zu modernisieren, sie bewohnbar zu machen, gesunde Lebensverhältnisse zu schaffen und die bisherige Lebensqualität zu verbessern [4]. Das heißt eine Vollsanierung ist im Grunde eine Modernisierung mit größeren Eingriffen in die vorhandene Bausubstanz sowie die Gesamtheit aller notwendigen Instandsetzungsmaßnahmen. Dabei bezieht sich die Vollsanierung auf das Gesamtbauwerk (Mangelhaftung ausschließlich nach Werkvertragsrecht). Die Modernisierung hingegen bezieht sich nur auf Einzelbauteile (Kaufvertragsrecht und Werksvertragsrecht).
Die denkmalpflegerische Sanierung eines Bauwerkes stellt die Gesamtheit aller Instandsetzungsmaßnahmen und Modernisierungsmaßnahmen dar, wobei der Modernisierungsumfang auf das Nötigste beschränkt und auf den historischen Bestand abgestimmt sein sollte [3].
Woran erkennt man nun, ob es sich um eine vertraglich geschuldete umfassende Sanierung des gesamten Bauwerkes (Vollsanierung) oder nur um die Instandsetzung einzelner Teilbereiche des Objektes (Teilsanierung) handelt? Zu dieser Frage hat bisher keine Instanz eindeutig Stellung bezogen. Der nachfolgende Abschnitt soll Anregungen zur Konfliktlösung geben.
Vertragsinterpretation Bei gerichtlichen Auseinandersetzungen erfolgt meist die Interpretation von Verträgen durch eine Stufenprüfung in Anlehnung an ein Urteil des Bundesgerichtshofes vom 14.5.1998. Demnach werden drei Formulierungsarten unterschieden, nämlich die ausdrücklichen, die stillschweigenden und die gänzlich fehlenden Beschaffenheitsvereinbarungen.
Ausdrückliche Beschaffenheitsvereinbarung Um diese handelt es sich, wenn im Vertrag oder in der Baubeschreibung eindeutig die zu erwartende Beschaffenheit des Objektes umschrieben wird. Aus der bisherigen Rechtsprechung sind folgende beispielhafte Formulierungen solcher Vereinbarungen bekannt, wie etwa· »uneingeschränktes Versprechen einen Altbau zu sanieren«, »Sanierung und Umwandlung in komfortable Eigentumswohnanlage«, »umfassende Modernisierung und Renovierung eines Altbaus im erforderlichen Umfang«, »umfassende Sanierung«, »Sanierung, Renovierung und Aufteilung des Grundbesitzes; durchzuführende Arbeiten gemäß Baubeschreibung«, »Gebäude wird modernisiert und im sanierten Zustand verkauft, der Bauausführung liegen Baubeschreibung und Bauplan zugrunde«. Diese Arbeiten entsprechen jeweils einer Vollsanierung [4].
Stillschweigende Beschaffenheitsvereinbarung
Wird im Vertrag oder in der Baubeschreibung die zu erwartende Beschaffenheit des Objektes nicht eindeutig beschrieben, sind Angebotsauslegungen und Werbeaussagen einzubeziehen [11]. Solche Auslegungen werden als stillschweigende Beschaffenheitsvereinbarungen verstanden. Aus der Rechtsprechung sind wiederum folgende Formulierungen solcher Vereinbarungen bekannt, die ebenfalls für eine Vollsanierung stehen: »vollkommende Modernisierung und Umbau«, »Neubau hinter historischer Fassade«, »Verbindung von Vorzügen des Altbaus mit Wohnkomfort eines Neubaus« [4]. Eine »Erneuerung von Decken und Fußböden im Rahmen der Sanierung von Mietshäusern« steht dem hingegen nur für eine Modernisierung einzelner Bauteile [12].
Gänzlich fehlende Beschaffenheitsvereinbarung
Geht weder aus dem Vertrag und der Baubeschreibung noch aus dem Angebot oder Werbeaussagen eine Beschaffenheitsvereinbarung hervor, richtet sich das Leistungssoll des Veräußerers nach der vom Erwerber zu erwartenden Beschaffenheit des Objektes. Ein Urteil des Oberlandesgerichts München vom 26.10.1999 entschied dazu: » Welche Leistungen geschuldet sind, bestimmt sich in erster Linie nach den im Vertrag genannten Begriffen der »Modernisierung und Sanierung« und dem, was die Verkehrsauffassung darunter versteht.« Gemäß [4] suggeriert eine Baubeschreibung, die über bloße Schönheitsreparaturen und punktuelle Erneuerungen hinausgeht, dem Erwerber, dass umfangreichere Untersuchungen im Vorfeld stattgefunden haben und somit von einer umfassenden Sanierung/Vollsanierung des Objektes ausgegangen werden kann.
Aus einem Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 4.5.1995 geht allerdings hervor, dass Verstöße gegen die aktuellen allgemein anerkannten Regeln der Technik bei sanierten und modernisierten Altbauten nicht unmittelbar einen Mangel darstellen. Bei dieser Formulierung wird auf die im Zuge einer Teilsanierung unberührte Altbausubstanz abgezielt. Auch das Oberlandesgericht Düsseldorf ist der Ansicht, dass eine Sanierung, Erneuerung, Modernisierung und Renovierung nicht unmittelbar für die Einhaltung aktueller bauordnungsrechtlicher Anforderungen bezüglich aller Einzelteile eines Gebäudes steht. Das heißt, es kann davon ausgegangen werden, dass es sich in der Regel ohne Festlegung von Beschaffenheitsvereinbarungen um reine Instandsetzungsmaßnahmen beziehungsweise eine Teilsanierung gemäß Leistungsbeschreibung handelt.
W. W., S. C.
[1] OLG Düsseldorf, Urteil vom 25.7.2003 – 22 U 6/03 -: Gewährleistung für im Wege der Altbausanierung geschaffene Eigentumswohnungen. In: baurecht, 34 (2003), Heft 12, Seite 1911–1914 [2] DIN 31051: Instandhaltung. Begriffe und Maßnahmen, 01/1985 [3] Petzet, Michael: Grundsätze der Denkmalpflege 1 bis 3, Bayrisches Landesamt für Denkmalpflege München, 1994 [4] Bohl, Thomas: Bauen im Bestand, Renovierung, Modernisierung, Sanierung von Altbauten, Probleme des Leistungsprogramms, Haftungsrisiken. In: LVS Bayern Fachbereichs-Diskussion Bau 2003, München, 11.7.2003 [5] Peter, Norbert: Lexikon der Bautechnik. 10 000 Begriffsbestimmungen, Erläuterungen und Abkürzungen, C.F. Müller-Verlag, Heidelberg, 2001 [6] OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21.7.1999 – 7 A 3387/98 – (rechtskräftig): Denkmalschutzrecht – Rekonstruktion eines Baudenkmals. In: baurecht, 31 (2000), Heft 3, Seite 384–387 [7] Petzet, Michael und Gert Mader: Praktische Denkmalpflege, Kohlhammer, Stuttgart, 1993 [8] Burmeister, Enno: Gedanken zum Begriff Rekonstruktion. In: Schriftenreihe des deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz, Band 57, 1998, Seite 16–17 [9] Samson, Frederik von: Werkvertragliche Gewährleistung beim Kauf einer sanierten oder renovierten Altbauwohnung vom Bauträger. In: baurecht, 27 (1996), Heft 1, S. 58–63 [10] OLG Hamm: Urteil vom 4.5.1995 – 17 U 25/94 -: Sanierte und modernisierte Altbauten: Sachmangel. In: baurecht, 22 (1995), Heft 6, Seite 846–848 [11] BGH: Urteil vom 7.5.1987 – VII ZR 366/85 – KG LG Berlin: Bauträgervertrag: Isolierte Vereinbarung des § 13 VOB/B. In: baurecht, 14 (1987), Heft 4, Seite 439 [12] BGH, Urteil vom 16.7.1998 – VII ZR 350/96 – OLG Rostock LG Rostock: Erfolgshaftung des Werkunternehmers bei fehlerhafter Leistungsbeschreibung und Sowieso-Kosten. In: baurecht, 1999, Heft 1, Seite 37–39 Text als überarbeiteter und gekürzter Auszug aus: Tragwerksplanung im Bestand, Band 1; Wilfried Wapenhans (Hrsg.), Fraunhofer IRB Verlag, Stuttgart, 2005
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