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Architekturqualität und Wirtschaftlichkeit in der Hafencity – Widerspruch oder Ergänzung?

Die Stadt als Kaufmann
Architekturqualität und Wirtschaftlichkeit in der Hafencity – Widerspruch oder Ergänzung?

Mit der »Anhandgabe« wurde in der HafenCity ein komplexes Verfahren eingeführt, das bei der Entwicklung von Bauprojekten der Stadt eine enge Zusammenarbeit mit den Investoren garantieren soll. Das Ziel ist, trotz wirtschaftlichen Drucks eine höchstmögliche städtebauliche und architektonische Qualität ebenso zu erreichen wie strukturelle und soziale Vielfalt. – Das Hamburger Modell.

~Claas Gefroi

Es hat eine lange Tradition in der Bürgerstadt Hamburg, die fehlen- de monarchische und kirchliche Pracht durch eine repräsentative Gestaltung profaner Zweckbauten zu ersetzen. Die Geschäftsbauten des Kontorhausviertels oder die Lagerhäuser der Speicherstadt entstanden aus rein wirtschaftlichem Kalkül und sind mit ihren reichhaltigen Fassaden doch architektonische Meisterleistungen. Auch die HafenCity verdankt ihre Gründung kaufmännischen Interessen und erhebt zugleich den Anspruch auf höchste städtebauliche und architektonische Qualität. Ursprünglich sollte der möglichst gewinnbringende Verkauf von kaum noch genutzten zentrumsnahen Hafengrundstücken an der Elbe den Bau des neuen Containerterminals in Altenwerder finanzieren – die Stadt als Grundstücksspekulant. Schon bald musste der Hamburger Senat jedoch feststellen, dass die Kosten für die Infrastruktur des Großprojekts HafenCity weit höher sind als ursprünglich angenommen. Nun sollen mit den Verkaufserlösen zumindest die Investitionen in Hochwasserschutz, Straßenbau, Energie- und Wasserversorgung sowie die Sanierung von Altlasten bezahlt werden. Die von der Stadt aufgekauften Grundstücke wurden in das Treuhandvermögen der eigens gegründeten HafenCity Hamburg GmbH (HCH) überführt. Diese stadteigene Entwicklungsgesellschaft ist zuständig für die Entwicklung der HafenCity, was die Vermarktung und den Verkauf der Grundstücke beinhaltet. Nach eigenem Bekunden ist sie darauf bedacht, einen Ausgleich zu finden zwischen der Erwartung auf hohe Einnahmen und der Suche nach dem jeweils für den Ort besten Konzept – was nicht immer ein und dasselbe ist. In einer Broschüre heißt es: »Es ist das Ziel, in der Konzept- und Architekturqualität internationale Standards zu setzen und zu entwickeln. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Gewinnung nicht nur von leistungsfähigen und finanzstarken Investoren, sondern insbesondere auch solcher, die an der Mitwirkung bei der Setzung von Qualitätsstandards interessiert sind und bereit sind, innovative Wege zu gehen.«
Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser
Doch wie findet man diese seltene Spezies? Zum einen betreibt die HCH ein recht geschicktes Marketing mit der Betonung auf die essenziellen Themen: Wohnen und Arbeiten am Wasser, Zentrumsnähe. Sie profitiert aber auch von einem prosperierenden Immobilienmarkt und dem seit Jahren anhaltenden Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum Hamburgs. Innerhalb der HCH ist viel immobilienwirtschaftlicher Sachverstand versammelt – man kennt die Märkte und Investoren und weiß, welche Bewerber die anspruchsvollen Projekte realisieren können. Es war also eine richtige Entscheidung der Stadt, die Vermarktung und den Verkauf des Baulands einer privatwirtschaftlich agierenden Tochtergesellschaft zu überlassen, die gesamtstädtischen Zielen verpflichtet bleibt. Der Fehler vieler Kommunen, unerfahrene oder zu schwache Investoren durch überzogene Verkaufspreise bei gleichzeitig sehr hohen Qualitätsansprüchen zu überfordern, wird so vermieden. Die HCH entscheidet zudem nicht allein über den Verkauf, sondern muss alle geplanten Grundstücksveräußerungen der Kommission für Bodenordnung zur Prüfung vorlegen. Diese setzt sich zusammen aus von der Bürgerschaft gewählten Mitgliedern sowie zwei von jeder Bezirksversammlung bestimmten Fachleuten und zwei Vertretern der Verwaltung und entscheidet (in nichtöffentlichen Sitzungen) über alle An- und Verkäufe städtischen Grundeigentums. Diese Art der Gewaltenteilung gewährleistet, dass weder die Verwaltung noch eine öffentliche Entwicklungsgesellschaft wie die HCH im Alleingang Verkäufe tätigen können. Das letzte Wort behält ein (relativ) unabhängiges Gremium. Mit der »Anhandgabe« wurde in der HafenCity ein besonderes Verfahren eingeführt, das eine enge Zusammenarbeit der HCH und des Kaufinteressenten bei der Entwicklung eines Bauprojektes gewährleisten soll. Nachdem (im Regelfall durch ein Ausschreibungsverfahren) ein Investor gefunden wurde, der durch die Kommission für Bodenordnung bestätigt wurde, erfolgt eine circa einjährige Planungsphase, in der der künftige Bauherr verpflichtet ist, einen Architekturwettbewerb durchzuführen und die Baugenehmigung vorzubereiten. In dieser Zeit findet ein ständiger Austausch zwischen Käufer, HCH und den beteiligten Behörden statt, der der reibungslosen Zusammenarbeit dient, aber auch der Stadt Einfluss auf das Projekt sichert, bis alles »in trockenen Tüchern« ist. Viele Details können in dieser Zeit entwickelt und dann im parallel auszuhandelnden Kaufvertrag festgeschrieben werden. Am Ende wird der Vertrag unterschrieben und der Kaufpreis gezahlt. Die Bauherren sind offenbar zufrieden mit diesem anspruchsvollen Verfahren, denn es bringt ihnen Planungssicherheit und einen geldwerten Vorteil, weil die Kaufsumme erst nach einem Jahr fällig wird.
Profit versus Vielfalt?
Bei der Vergabe der Baufelder wird nicht einheitlich verfahren. Wenn Unternehmen in die HafenCity ziehen wollen, können sie sich bei der HCH für ein Grundstück bewerben und nach Prüfung durch die Hamburgische Gesellschaft für Wirtschaftsförderung als Wirtschaftsförderungsfall anerkannt werden. Mit diesem Status erhält das Unternehmen sein Grundstück direkt, ohne an einer Ausschreibung teilnehmen zu müssen. Die Definition des Förderfalls ist weit gefasst: Nicht nur Firmen, die sich neu in der Stadt ansiedeln oder zusätzliche Arbeitsplätze schaffen wollen, sind förderungswürdig, sondern auch solche, die innerhalb der Stadt umziehen – zumindest, wenn sie so bedeutend sind wie der Spiegel-Verlag oder Unilever, die gegenwärtig ihre neuen Zentralen in der HafenCity bauen. Der Grund für solches Entgegenkommen ist offensichtlich: Man hat aus einigen negativen Erfahrungen gelernt, dass man mehr tun muss, um wichtige Unternehmen in der Stadt zu halten. Der Masterplan und die in städtebaulichen Wettbewerben erfolgten Präzisierungen müssen infolgedessen immer wieder mal korrigiert werden. Es spricht für den Masterplan, dass er diese Anpassungen erlaubt. Zumeist jedoch werden die Grundstücke öffentlich ausgeschrieben. Nachdem der geeignetste Bieter ausgewählt wurde, schlägt die HCH diesen bei der Kommission für Bodenordnung vor, die über eine Anhandgabe entscheidet. Es ist schwer zu beurteilen, nach welchen Kriterien die HCH sich für einen Bewerber entscheidet. Man hält sich hier mit Auskünften zurück. Die Aussage, dass die Auswahl der Bewerber »oftmals« nicht über die Höhe des angebotenen Kaufpreises erfolgt, sondern auf Basis eines Festpreises mit Konzeptangebot, dürfte allenfalls auf den Wohnungsbaubereich zutreffen. Eine generelle Vergabe, vorwiegend nach qualitativen Kriterien, widerspräche auch dem 2003 vom damaligen CDU-Senat ein- geführten Höchstgebotsverfahren (Verkauf städtischer Grundstücke an den Meistbietenden), das noch immer gilt. In der HafenCity erzeugen der aufwendige Warften-Flutschutz und das dadurch notwendige komplexe Erschließungssystem immense Kosten, die auf die Grundstückspreise umgelegt werden. Es gibt dennoch genügend Investoren, die ihre Konzepte darauf ausgerichtet haben und Projekte in der HafenCity realisieren. Aber es sind natürlich zumeist Projekte auf hohem und höchstem (Preis-)Niveau – alles andere rechnet sich eben nicht. So entsteht die Gefahr von Monokulturen; von den avisierten »unterschiedlichen Angeboten« für »möglichst vielfältige Wohnbedürfnisse« ist bislang wenig zu sehen. Dieses ist nicht die Schuld der HCH,sondern falscher politischer Entscheidungen.
WettbewerbsVorteile
Im eigenartigen Kontrast hierzu stehen die bemerkenswerten Bemühungen, in der HafenCity eine differenzierte und abwechslungsreiche Architektur zu erzeugen. Selbst im derzeit entstehenden Herzstück der HafenCity, dem über acht Hektar großen Überseequartier, das ein einziges Investorenkonsortium realisiert, wurden für alle sechzehn Baublöcke komplexe Architekturwettbewerbe durchgeführt. Insgesamt planen und bauen allein dort ein Dutzend Architekturbüros. Bis auf wenige (angesichts wenig überzeugender Ergebnisse nicht nachvollziehbaren) Ausnahmen für zum Beispiel David Chipperfield und Christoph Ingenhoven wurden auf allen Baufeldern der HafenCity Wettbewerbe durchgeführt. Vereinzelt gibt es hierzu kritische Stimmen: So monierte der Hamburger Architekturjournalist Gert Kähler, die Ergebnisse blieben oftmals unbefriedigend, weil die Architekten in Wettbewerben gezwungen seien, möglichst auffällige Entwürfe zu liefern und nicht »das Beste für diesen Ort«. Angesichts des allzu bunt geratenen Dalmannkais möchte man ihm recht geben. Doch die Gründe für die Disparität liegen woanders: in der ausdrücklich erwünschten gestalterischen Vielfalt und einer bewusst erzeugten Kleinteiligkeit – über beides lässt sich trefflich streiten. Die vielen Wettbewerbe aber haben Positives bewirkt: Das gestalterische Niveau der Beiträge wird durch die Konkurrenzsituation angehoben, die Verfahren sind in der Regel transparent und durch zahlreiche Einladungen an junge Hamburger Büros für die zumeist beschränkten Wettbewerbe wird der örtliche Architektennachwuchs gefördert. So kamen zum Beispiel Teams wie spine, SEHW oder üNN (überNormalNull) hier schon zum Zuge.
Die »Neuerfindung Hamburgs«
Der Beginn eines Wandels ist zu bemerken: Die Erkenntnis, dass eine strukturelle und soziale Vielfalt der Nachhaltigkeit und Attraktivität des neuen Stadtteils dient, führt zu einer vorsichtigen Differenzierung im Angebot: Dank reduzierter Bodenpreise konnten sich am Dalmannkai einige Baugemeinschaften und Genossenschaften ansiedeln, in deren Wohnhäusern auch familientaugliche Grundrisse zu finden sind. Und im Koalitionsvertrag des neuen schwarz-grünen Senats wird explizit eine »Erhöhung des Anteils preisgünstiger und familienfreundlicher Wohnungen« in der HafenCity sowie in den noch zu bauenden östlichen Bereichen ein Drittel des Wohnungsbaus als Genossenschafts- und Baugemeinschaftsprojekte gewünscht (hoffentlich weiß der Senat auch, dass das die Einnahmen schmälert). Man könnte noch weiter gehen: Warum nicht in den B-Lagen der HafenCity den wirtschaftlichen Druck reduzieren und »Sonderwirtschaftszonen« einrichten, die eine ganz andere Klientel anlocken als bislang? Mit reduzierten Grundstückspreisen und innovativen Architekturkonzepten zur Verknüpfung von Wohn-, Freizeit- und Arbeitswelten könnten die in Hamburg zahlreich vorhandenen, aber bislang sträflich vernachlässigten Künstler, Werber, Designer etc. der »Kreativen Klasse« (Richard Florida) eine passende Heimat finden. Der kreative Sektor, die »quartäre Dienstleistung« (Matthias Horx), ist seit Langem der am schnellsten wachsende Wirtschaftszweig und hat in Hamburg eine so bedeutende Rolle erlangt, die ihn ebenbürtig macht mit dem industriellen Sektor und dem Dienstleistungsbereich. Wo, wenn nicht in der HafenCity, die »Hamburg ein Stück weit neu erfinden« und ein »urbaner und kultureller Magnet« werden soll, könnten dafür Möglichkeitsräume entwickelt werden? Wie steht es auf der HafenCity-Website: Die Strukturen des neuen Stadtteils »müssen Raum lassen für Nutzungen und Bedürfnisse, die wir heute noch gar nicht kennen.« •
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