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architekturplappern

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architekturplappern

~Nikolaus Bernau

Wie wertvoll sind doch gute Umgangsformen. Auf der Documenta wollten Rem Koolhaas und der umtriebige Kunstorganisator Hans Ulrich Obrist in einem groß angekündigten »Interview-Marathon« etwa zwei Dutzend Journalisten, Künstler, Architekten, Ingenieure, Schriftsteller befragen: Wie ist die Situation der Stadt, welche Bedeutung haben aktuelle Kunst und ihre Verbindung zur Architektur?
Koolhaas und Obrist sitzen am Tisch. Erste Frage, meist, was dies oder jenes »Manifesto« (dies gezierte Modewort wird zum Trauma des Abends) denn bedeute? Der Interviewte redet, Obrist bestellt derweil Kaffee, Koolhaas liest. Man reicht sich Zettelchen zu. Selten schrecken Obrist und Koolhaas auf, als etwa die Filmemacherin Hito Steyerl feststellt, Architektur sei ihr nur ein Anlass, soziale Konflikte zu analysieren. Die Zeit ist um: »Welche Visionen haben Sie für Deutschland?« Der Historiker Karl Schlögel weist die Aufgabe des Orakels von sich: Wer hat am 8. November 1989 vom Umsturz am nächsten Tag gewusst?
Schnell lernen die »Interviewten«, die »Interviewer« zu ignorieren, ihre oft interessanten Geschichten einfach so zu berichten. Deswegen bleibt das Publikum. Obwohl die Herren Koolhaas und Obrist meist dramatisch uninformiert sind: Wer mit Schlögel über Wanderungen von Ost nach West und zurück spricht, sollte nach dem Wanderungszwang aus Armut fragen können, und mit Dieter Hoffmann-Axthelm kann man sich über dessen unsinnige Forderung nach der Entstaatlichung der Denkmalpflege nur streiten, wenn man selbst weiß, was Denkmalpflege ist. Maoistischem Elitismus wie dem des Künstlers Thomas Bayrle kann man die Toten der Kulturrevolution und die Opfer des chinesischen Lagersystems entgegensetzen – aber Koolhaas verweigerte sich ja sogar der Frage des Statikers Manfred Grohmann nach der Moral hinter seinem Projekt für den staatlichen Rundfunk in Peking. Und Obrist fragte tatsächlich die Künstlerin Selja Kameric, warum sie »entschieden« habe, in Sarajevo zu bleiben. Als ob sie das während der von Europa tatenlos betrachteten Belagerung dieser Metropole hätte »entscheiden« können. Großartig war es, als der Architekt Eckart Schulze-Fielitz, der in den sechziger Jahren mit seinen »Raumkunst«-Projekten für Furore sorgte, die brutale Frage Obrists beantwortete, warum er später so wenig Erfolg gehabt habe: »Ich bin kein so guter Verkäufer wie Sie.« Schallendes Gelächter im Saal, höchst indignierte Blicke von Koolhaas und Obrist. Es zeigte sich wieder: Selbst um das Niveau von Talkshows zu erreichen, braucht man Vorbereitung und Interesse, journalistische Professionalität und nicht Kunstgeschwätz.
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