Architektur und Wissen

~Karl R. Kegler

Was bedeutet Wissen in der Architektur? Diese sehr theoretisch klingende Frage hat zumindest eine direkte und praktische Bedeutung: Von ihrer Beantwortung hängt der Stellenwert von Architektur als Fach an wissenschaftlichen Universitäten ab, die in jüngster Zeit den Erfolg ihrer Fakultäten immer häufiger über Forschungsleistungen und eingeworbene Drittmittel definieren. Kann auch Architektur in dieser Weise gemessen werden?

Das Thema der Tagung, zu dem der Aachener Architekturtheorie-Lehrer Axel Sowa im November in das neue Service-Center der TH einlud, war vor diesem Hintergrund klug gewählt. Mit einer beeindruckenden Auswahl von Referenten aus ganz Europa und Amerika war die Veranstaltung hervorragend besetzt. Internationalität und Organisation der Tagung waren von vornherein darauf angelegt, vorzuführen, dass sich die theoretische Beschäftigung mit Architektur mit anderen universitären Disziplinen messen kann. Die Tagungsbeiträge zeigten, dass postmoderne Begrifflichkeiten aus den Kulturwissenschaften längst in der Architekturtheorie angekommen sind. So war viel von Architektur als einer intellektuellen Praxis, als gesellschaftliches Netzwerkphänomen oder als Übersetzungsprozess zu hören. Überzeugender waren jene Vorträge, die auf diese abstrakten Einordnungen verzichteten und herausstellten, dass der Wissenschaftsbegriff der Natur- und Kulturwissenschaften eben nicht auf die Architektur übertragbar ist. Architektur ist eine Kunst, die auf vielen Wissensgebieten aufbaut, sich aber nicht in einer wissenschaftlichen Arbeitsweise erschöpft. Will man die sehr unterschiedlichen Beiträge auf einen Nenner bringen, lässt sich vielleicht folgendes Fazit ziehen: Entscheidender als ein Kanon feststehender Inhalte ist für die Architektur ein Wissen von Prozessen und Zusammenhängen. Im Management dieser wissensbezogenen Prozesse liegen Vermittlungsaufgabe und künstlerische Leistung des Architekten.