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Architektur der Einkaufszentren

Kassen als Seismografen der Kundenzufriedenheit
Architektur der Einkaufszentren

Im ersten Halbjahr 2006 wurden rund 10,3 Mrd. Euro in deutsche Einzelhandelsimmobilien investiert, gut 550 Prozent mehr als im Vorjahr, davon allein 3,2 Mrd. in Shopping Center. Shopping Center sind immer noch ein Magnet für ausländische Anleger, die sich bei langfristig nachhaltigen Investitionen bevorzugt für City-Immobilien entscheiden. »Und sie entdecken zunehmend die so genannten »Hidden Champions«: kleine bis mittelgroße Städte mit guter Kaufkraft bei vergleichsweise moderaten Mieten.« Dieses Resümee zieht Atisreal, eines der international führenden Maklerhäuser für Gewerbeimmobilien.

~Gudrun Escher

Wie und wo Einzelhandelszentren gebaut werden, bestimmen in erster Linie die Städte, denn gute Handelsarchitektur ist angewandte Standortpolitik. Dabei haben sie sich an die landesplanerischen Vorgaben des jeweiligen Bundeslandes zu halten. »Man mag keinen Markt, dem anderen eine Meile nahe, bauen«, bestimmte bereits der Sachsenspiegel von 1230. Die Anfänge des modernen Raumordnungsrechts sind eng mit dem industriellen Wachstum und der Ausbreitung der Stadtstrukturen verbunden. Vorreiter waren 1911 der Zweckverband für Groß-Berlin und 1920 der Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk, der heutige RVR. Über Jahrzehnte bestand das Ziel darin, das Wachstum der Städte beherrschbar zu gestalten. Um Wohngebiete zu entlasten und Verkehrsprobleme zu lösen, wurden große Einkaufsmärkte am Siedlungsrand oder zwischen Städten entworfen. Heute stellt sich die Situation umgekehrt dar. Obwohl die Einkaufsfläche statistisch in Deutschland immer noch niedriger ist als in anderen westlichen Ländern, herrscht bei schrumpfender Bevölkerung ein Verdrängungswettbewerb um so genannte integrierte Lagen. Die »grüne Wiese« mit Einkaufsschachteln von der Stange ist für neue Shopping Center uninteressant, stattdessen geht es um anspruchsvolle, differenzierte Konzepte.
Kennziffern des Städtewachstums und der Kaufkraft Eine der Mittelstädte, bei denen Investoren mit Wertzuwächsen rechnen können, da die Ausgangsbasis sehr niedrig ist, stellt Duisburg mit einer halben Million Einwohnern dar. Diese, und da liegt das Problem, kaufen jedoch großteils nicht in ihrer Stadt ein, sondern »nebenan« in Düsseldorf, Krefeld, Essen oder im überregionalen Einkaufsmagneten CentrO Oberhausen mit 74 000 Quadratmetern Einzelhandelsfläche samt Erweiterungsgenehmigung und mit kostenfreien Parkplätzen. Was das bedeutet, lässt sich in Kennzahlen darstellen. Die Kaufkraftkennziffer beschreibt das verfügbare Einkommen abzüglich Steuern und Sozialbeiträgen; gemessen am Bundesdurchschnitt = 100 %. Die Innenstadt Köln verspricht mit 110,1 dem Einzelhandel ein sehr gutes Umfeld, Duisburg liegt nur bei 99,5. Ähnlich sieht es bei der Umsatzkennziffer aus, die sich, wieder bezogen auf den Bundesdurchschnitt, aus amtlichen Umsatzstatistiken des Einzelhandels ergibt. In Erlangen beträgt sie 139,0, in Duisburg nur magere 91,2. Die örtliche Einzelhandelszentralität benennt das Verhältnis von Einzelhandelsumsatz und Marktpotenzial. Bei Werten über 100 überwiegen Kaufkraftzuflüsse die auftretenden Abflüsse, in Duisburg ist es mit 91,7 umgekehrt (Quelle: GfK 2004).
Shopping Center und Denkmalschutz Diese Situation ist nicht neu und die Überlegungen in der Stadt, dagegen etwas zu unternehmen, auch nicht, denn hinter diesen Zahlen stehen Insolvenzen, Leerstände, Billigläden und eine Innenstadt, die in vielen Bereichen zu veröden droht. Dabei glaubte man in Duisburg lange, mit zwei Kaufhäusern an entgegengesetzten Enden der City, Fußgängerzonen dazwischen und der zweigeschossigen Einkaufspassage Galeria – entworfen von gmp – gut aufgestellt zu sein. Unmittelbar nach dem Krieg fand in Duisburg die Wiedergeburt der Kaufhäuser als Vollsortimenter mit Lebensmittelabteilung statt. Für Helmut Hortens »Kaufhaus der hundert Tage«, später Karstadt, entwarf Emil Fahrenkamp 1950 die äußere Hülle und für das jüngere Horten-Kaufhaus entwickelte Helmut Rhode den Prototyp der berühmten Waffelfassade. Während letztere gerade saniert wird, existiert der Fahrenkampbau nicht mehr, da er im Betrieb unwirtschaftlich geworden war. An seiner Stelle entsteht innerhalb eines ganzen Straßengevierts das »Forum Duisburg«. Schräg gegenüber ersetzt das fast fertig gestellte »City Palais« die städtische Mercatorhalle von 1962, deren Sanierung die Stadt nicht mehr finanzieren konnte. Beide prägnanten Bauwerke standen unter Denkmalschutz. Das »Forum Duisburg« wird ein Shopping Center mit 120 Läden auf 57 000 Quadratmetern Verkaufsfläche über fünf Geschosse, das »City Palais« ein Komplex aus Philharmonie, Spielkasino, Büros, Gastromeile und ebenfalls Geschäften werden. Ein drittes Projekt, das eigentlich als erstes vorgesehen war, galt der Umwandlung des brachliegenden Güterbahnhofs in die Mega-Mall »Multicasa « nach dem Vorbild des CentrO. Die Bürger der Stadt quittierten jedoch das endlose Tauziehen zwischen Ansiedlungswunsch und Marktfähigkeit sowie den Streit um den Abriss der Mercatorhalle mit der Abwahl der damals seit Jahrzehnten regierenden Partei. Nach dem Politikwechsel will das Großprojekt hier niemand mehr.
Projektentwickler und Architekten
Seit vor über hundert Jahren Passagen und Einkaufspaläste unter schimmernden Glasdächern erfunden wurden, auf deren Grundkonzept die heutigen Shopping Malls immer noch aufbauen, hat sich die Architekturdiskussion lange nicht ernsthaft mit den Bedürfnissen der Einzelhändler und ihrer Kunden beschäftigt. Kaufhäuser wie Einkaufszentren werden zunächst von Handelslogistikern konzipiert, die genau wissen, was die Kunden wünschen: Zugänglichkeit, Bequemlichkeit, Sauberkeit. Daraus resultieren klare Strukturen mit flexiblen Elementen, bestehend aus so genannten Ankermietern wie das Karstadt Kaufhaus im »Forum« und dazwischengelegenen Passagen, an denen sich weitere Geschäfte aufreihen.
Dabei stellt der Trend zum »Erlebniskauf« immer höhere Ansprüche an das Ambiente. Projektentwickler wie ECE in Hamburg, wo derzeit allein 230 Architekten zur Planungsabteilung gehören, arbeiten deshalb zunehmend mit externe Büros zusammen, denn mehr und mehr hängen die Akzeptanz und damit die Umsätze solcher Großprojekte auch von einer gehobenen Architektur ab. Als Ergebnis von Wettbewerben in Kooperation mit den Städten ist z. B. in Essen das Büro Henn für das ECE-Projekt »Limbecker Platz« tätig, in Düsseldorf-Bilk sind es Allmann Sattler Wappner und in Würzburg Auer + Weber für »Arcaden«-Projekte des Essener Konkurrenten mfi. In Duisburg führte die Planungsgeschichte des »City Palais« dazu, dass das Büro Chapman Taylor, das dort im Auftrag der LEG NRW arbeitet, als Spezialist für Einkaufszentren auch für das »Forum« hinzugezogen wurde, ergänzend zu T+T Design, dem Team des niederländischen Projektentwicklers Multi Development. »Ein Marktplatz für Duisburg«, wie es in der Werbung heißt, beschreibt den Entwurfsgedanken, auf den sich alle Beteiligten sehr schnell einigten: Statt im Inneren eine klassische Passage anzulegen, wird es einen geschützten Platz mit bebauter Mitte geben und Gassen zu den umliegenden Straßen. Dieses Konzept wird gestärkt durch die Mitarbeit von Ortner + Ortner Architekten, die den nachgeschalteten Fassadenwettbewerb gewannen und mit der künstlerischen Oberleitung betraut sind. So entstehen in enger Abstimmung der Architekten mit der Vermietungsabteilung in der äußeren Erscheinung wie längs der internen Erschließungen individuelle Fassaden mit Vor- und Rücksprüngen in Naturstein und Klinker – denn die Fassaden sollen nicht wie Tapeten wirken – während das Kerngebäude im Innenhof als Stahl-Glas-Konstruktion die helle Mitte bildet. An einer Seitenfront wird eine Denkmalfassade integriert. Auf so engem Raum zwei Großprojekte zu entwickeln, ist nicht nur städtebaulich und architektonisch eine Herausforderung; dort das durch Glasfronten bestimmte kompakte »City Palais«, hier das vielteilige Ensemble. »Das Forum Duisburg wird ein Modell für die Sanierung deutscher Innenstädte sein«, davon ist Andrej Pomtow von Multi Development überzeugt. Bei der LEG hofft man auf Synergien und in der Stadt auf neue Kunden in der neuen Duisburger City. •
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