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Am Strand von Brand

Das Tropenparadies in Brand bei Berlin
Am Strand von Brand

Brand in Brandenburg, früher trugen die Gehöfte in der Gegend Namen wie »dürre Ziege«, heute sollen hier tropische Landschaften gedeihen. Ein ehemaliger Militärflugplatz, halb verfallene Gebäude, eingewachsene Hangars und dazwischen eine riesige, silbrig glänzende Halle. Eigentlich sollten hier mal Luftschiffe für den Schwerlasttransport gebaut werden, doch das Projekt scheiterte; seit Dezember 2004 ist die Halle nun zu einer überdachten Südseeinsel geworden – kuriosere Nachbarschaften kann es kaum geben. Brand in Brandenburg: the farmsteads int the region once bore names like “dürre Ziege“ (scraggy goat); now tropical landscapes are appearing. A former military airfield with derelict buildings, overgrown hagnars and, in between, suddenly a silver-gleaming hall shed. It was planned to construct airships here for transporting heavy loads but the project failed. Since December 2004 the hall has become a roofed-over southsea island. There can hardly be stranger proximities than this.

Text: Oliver Herwig

Fotos: Florian Holzherr, Ulrike Grothe
Strand, das ist nicht einfach ein Wort, sondern eine Lebenshaltung. Heute genießt sie jeder auf Mallorca, Belize, Bali oder in Brand – Brand? Die Tropenhalle fünfzig Kilometer südöstlich von Berlin klinkt sich in die globale Entertainment-Industrie ein, die Schnee in die Wüste transportiert und den Dschungel nach Brandenburg. Der Auftakt ist allerdings wenig ermutigend: Die Straße zum Parkplatz gleicht eher einer Teststrecke für das Fahrwerk. Etwas abseits der markierten Stellplätze ragen daumendicke Bewehrungseisen aus dem Beton, staubige Fahrwege verbinden leere Hangars; die bröckelnden Überreste der ehemaligen sowjetischen Luftwaffenbasis und mittendrin, in einer Halle, groß wie acht Fußballfelder, – Tropen de luxe.
In der weltweit größten freitragenden Halle aus Stahl sollten ursprünglich Schwerlastluftschiffe entstehen. Nun werden Träume montiert, Dolce Vita auf italienischem Feinsand. Jede Nachnutzung musste sich an der Größe der Vorgängervision messen lassen. Der malaysische Investor Colin Au hatte immerhin »eine geniale Idee für die Halle, die sich eigentlich nicht optimal nutzen lässt«, sagt Jürgen Grothe von CL MAP, der als Architekt und Projektleiter zusammen mit Martin Hautum den Umbau begleitet hat. Colin Au kaufte für 12,7 Mio Euro eine Investitionsruine. Ein Freizeitpark mit sichelförmiger Südseebucht, Dschungelparcours, nierenförmiger Bali- Lagune und einem Riesenrad zog in die Halle ein. Letzteres entspricht zwar ganz und gar nicht den Vorstellungen der Architekten, aus 40 Metern Höhe lassen sich die Dimensionen der Freizeitwelt aber zugegebenermaßen gut erkennen: 107 Meter hoch, 360 Meter lang und 210 Meter breit, ein Koloss, der seit Dezember 2004 als Oase mit Showbühne wieder auferstand.
»Zwei bis drei Mal im Jahr sollen die Besucher, entsprechend den wechselnden Abendshows, schon kommen«, erklärt die PR-Managerin Kathrin Schaffner. »Die Auslastung ist sehr gut, wie erwartet«. Sie suggeriert, die Zahlen lägen nahe an den prognostizierten 2,4 Millionen Besuchern pro Jahr. Das sehen nicht alle so optimistisch. 2000 bis 3000 Besucher pro Tag schätzen unabhängige Experten. Und weil die Deutschen sich nicht an Einbahnwege durch den Dschungel hielten und alle zugleich baden wollten, sei die Südsee schnell überfüllt. »An Pfingsten sah es aus wie in Rimini«, klagt ein Besucher, »zu wenig Garderoben, zu viel improvisiert, zu wenig Spielmöglichkeiten für die Kinder.« Hin und wieder könnte Jürgen Grothe schon verzweifeln, die sauber geplanten Tropen haben sich zu einem Improvisationsstück verwandelt, in dem zu viele Menschen mitredeten und von der Wegeführung bis zur Beschilderung ständig Konzepte änderten. Die Badebereiche etwa sind auf rund 5000 Menschen ausgelegt, zugelassen ist die Halle zwar für 8200 Sonnenanbeter, aber schon bei 6000 bis 7000 Badenden sind Lagune und Meer überfüllt. Au hat vorgebaut: Selbst die Torbereiche, bislang ungenutzt, können in Schwimmbäder umgewandelt werden, in eine Vulkanlandschaft und ein Korallenriff. Offenbar ist Brand ein riesiges Versuchslabor, das seine optimale Arbeitstemperatur noch nicht erreicht hat.
»Weit günstiger als erwartet hat sich hingegen die Energiebilanz entwickelt«, sagt Grothe. Zwar sei Tropical Islands kein Energiesparhaus, dafür aber eine Art riesiger Wintergarten, der seine Kritiker widerlege. Die Investoren lassen sich die Tropen bei Berlin einiges kosten; in der Bali-Lagune blubbert es bei 31 Grad. Damit das so bleibt, wanderten allein zwei Kilometer Dichtungsmaterial in die Scharniere der Torelemente, 40 Zentimeter dicke Folienschläuche gegen die Kälte der Mark Brandenburg.
Tropical Islands gleicht einem dreidimensionalen Reiseprospekt, die Halle funktioniert als »größtes Kreuzfahrtschiff mit Kurs auf tropische Länder«, jubelt die hauseigene PR. Wenn die ursprünglichen derzeit aber auf Eis liegenden, Pläne doch noch verwirklicht würden, wäre der Ozeanriese bald Zentrum eines ganzen Ressorts aus Hotel, Campingplatz und Themenparks. Eine wesentliche Voraussetzung, um »Klein-Las Vegas im wilden Osten« wenigstens mittelfristig am Leben zu halten, wird seit März 2005 geschaffen. So wurden die ersten 5000 m² des Membrandachs gegen die UV-durchlässige ETFE-Folie ersetzt. Der Austausch auf einer Fläche von insgesamt 20 000 m² wird voraussichtlich noch bis September dauern. Wegen des fehlenden UV-Lichts konnte bisher nur ein Teil der vorgesehenen Pflanzen eingepflanzt werden; ein Teil der bereits eingesetzten hat leider stark gelitten. O. H.
Bauherr: Tropical Island Asset Management GmbH, Krausnick – Groß Wasserburg Generalplanung: CL MAP GmbH (Masterplanung Architektur und Projektmanagement), München Projektsteuerung: UT Projects SDN. BHD, Kuala Lumpur Landschaftsgestaltung, Halle: Burle Marx & CIA LTDA, Rio de Janeiro Beratung Regenwald : Robin Lock – Rainforest Rescue International, Galle (Sri Lanka) Technische Gebäudeausrüstung: LP 1 – 4 SIAT GmbH, München Technische Gebäudeausrüstung LP 5 – 8 Ingenieurgesellschaft Drommer + Schwiedersky mbH, Cottbus Schwimmbadtechnik, Außenanlagen: SIAT Infrastruktur GmbH, Ottobrunn Beratung Schwimmbadtechnik: Kannewischer Ingenieurgesellschaft mbH, Baden-Baden; Christoph Saunus, Alt Duvenstedt Gesamttragwerk, Halle: Arup GmbH, Berlin Beratung ETFE-Folie: Engineering + Design, Rosenheim Tragwerksplanung Einbauten: ING. Ingenieurgesellschaft für das Bauwesen, Augsburg Tragwerksplanung Tropical Houses: Dr. Christian Müller – Ingenieurbüro für Tragwerksplanung, Berlin Brandschutzgutachter : Halfkann + Kirchner, Erkelenz SiGe-Koordinator: Büro J. Knoppik, Berlin Hallengrundfläche: 340 x 220 m Gesamtvolumen der Halle: 5,5 Mi m³ Beplante Fläche 1. Ausbaustufe: 37.000 m² Bauzeit: April – Dezember 2004 Bausumme: 43 Mio Euro
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