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Max Ernst Museum in Brühl

Alles anders
Max Ernst Museum in Brühl

Max Ernst, tiefgründig, distanziert heiter-ironisch, fantasievoll und fatastisch, unbestritten einer der größten Künstler des 20. Jahrhunderts, ist in seiner Heimatstadt mit einem Museum späte Heimkehr zuteil geworden. In einer klassizistischen Villa mit gläsernem Eingangspavillon findet seine Kunst Raum und Luft, ihre ungeheuere Lebendigkeit zu entfalten.

Max Ernst, profound, distantly amused-ironic, highly imaginative and fantastic, and unquestionably one of the greatest artists of the 20th century, has been belatedly welcomed in his home town with a museum. A classic-style villa with a glazed entrance pavilion offers scope and space for his art to unfold its tremendous vividness.

Text: Elisabeth Plessen
Fotos: Rainer Mader
Es ist die Zeit der Künstlermuseen. Während Hans Arps Werke noch auf ihre Meiersche Trutzburg in den Remagener Rheinterrassen warten, hat Paul Klee in Bern seine Welle erhalten. Und auch Max Ernst ist mit einem Museum in seine Heimatstadt Brühl zurückgekehrt.
In Brühl, der rheinischen Klein-Villen- und Gartenstadt, wo früher die politische Welt ein und aus ging und Empfänge auf Schloss Augustusburg feierte, ist nach der Wende wieder jene beschaulich-bürgerliche Ruhe eingekehrt, die einst auch den berühmtesten Sohn der Stadt in die Welt hinausgetrieben haben mag.
Es ist viel geschrieben worden über die Beziehung von Max Ernst zu seiner Heimatstadt, den Bau des Museums, die Einweihung viele Monate nach der Fertigstellung, eine Museumsdirektorin, die noch vor Eröffnung ihre Kündigung erhielt, über Bauschäden. Und alles ist anders als es auf den ersten Blick scheint. Ein Teil Groteske, ein Teil Inszenierung, eine Mischung, die den Künstler wahrscheinlich erheitert hätte. Vielleicht wäre es auch das, was Max Ernst an »seinem« Museum so gut gefallen hätte: die »Übermalungen« und Überlagerungen der Nutzungen und der unterschiedlichen Lesarten desselben Geschehens – wie in seinen Collagen.
Da gab es einen Brühler Pavillon, ein Ausflugs- und Vergnügungsetablissement für die feine Gesellschaft aus dem Kreis Köln-Bonn, 1844 als lang gestreckter Baukörper im klassizistischen Stil, bedauerlicherweise ohne Fundamente erbaut, der durch Erweiterungen, Um- und Anbauten zur klassizistischen, dreiflügeligen Anlage avancierte und zu Max Ernsts Zeit auch dem Oberschüler erste Tanztee-Erlebnisse bot. Die Legende will, dass er ein von den Müttern seiner Tanzpartnerinnen gefürchteter Charmeur war. Aber vielleicht war auch das ganz anders.
Bald erwuchsen dem Bau neue Aufgaben. 1919 richten Salvatorianerinnen in dem Gebäude ein Kinderheim ein, 1930 wurde es als Kinder- und Mütterheim genutzt. Im Zweiten Weltkrieg teilweise zerstört, beherbergte es ab 1946 kranke Säuglinge, um ab 1953 als Altenheim der Dienerinnen Jesu zu fungieren, die 1990 das mittlerweile unter Denkmalschutz stehende Bauwerk der Stadt Brühl verkauften. Die brachte in dem durch vielfältige Anbauten veränderten Komplex später Asylbewerber unter.
In dem 2001 ausgeschriebenen Wettbewerb überzeugte der Gedanke Thomas van den Valentyns, das Gebäude in den Zustand als klassizistische Dreiflügelanlage zurückzuversetzen und seinem »U« einen oberirdisch eingeschossig gläsern-transparenten Eingangspavillon auf leicht erhobenem, steinernem Plateau einzuschreiben. Darunter findet eine großzügig dimensionierte Wechselausstellungshalle ihren Platz. Selbst einen unabhängig vom Museum zu bespielenden Veranstaltungssaal für über 300 Besucher konnte sich die Stadt hier gönnen. Durch die Verlagerung in den Untergrund wurde das erforderliche Raumprogramm untergebracht ohne das Grundstück mit neuem Bauvolumen zu überfrachten.
Der Pavillon wurde in der Folgezeit sorgfältig überarbeitet und den Erfordernissen an das Raumklima Rechnung getragen. Noch ein wenig mehr von der ursprünglichen Leichtigkeit, ein wenig mehr Ernst’sche Vogelhaftigkeit hätte man sich gewünscht von dem Eingangsbau, der über eine einläufige Treppe die Verbindung in die Tiefe der neuen Wechselausstellung herstellt und gleichzeitig die museumstechnisch überzeugend organisierten, zurückhaltenden Ausstellungsräume und Kabinette des Altbaus erschließt. Die Stahl-Glas-Konstruktion, die auf einem unterirdischen Sichtbetongeschoss ruht, breitet zwar ihr Dach schwebend über den Eingangsbereich – dessen Auskragungen und Versprünge aus einer Tageslichtstudie abgeleitet, am Sonnenstand orientiert, über den ganzen Tag die notwendige Verschattung ermöglichen –, die Reihung der dunklen Profile begrenzt jedoch mehr als sie öffnet. Davon abgesehen überzeugen Pavillon, das Zwischengeschoss und Wechselausstellung durch eine ausgeklügelte Lichtführung. Oberlichter in der Dach- und Erdgeschossebene sowie die zum Teil mit Punktrastern versehene Pavillonverglasung lassen Tageslicht in das Unterschoss, überraschen mit Ausblicken himmelwärts und machen vergessen, dass man sich untertage befindet.
Der Wechselausstellungsraum ist seit der Eröffnung Ort der Inszenierung von Peter Schamonis »Max Ernst.Loplop«, einer Multimedia-Installation, die Max Ernst als Maler, Schriftsteller, Dichter, Schauspieler und Bildhauer in einer dunkel-flirrenden Welt aus bewegten Bildern und Tondokumenten einzufangen und zu bändigen versucht. Ein ganzes Jahr wird diese Installation die Fläche belegen und verdunkeln. Danach erst wird der Raum jene Qualitäten zeigen können, die sich auf den Fotografien kurz nach der Fertigstellung des Gebäudes erahnen lassen.
Das »Langhaus« des Altbaus, an das der Pavillon »andockt«, sowie die Obergeschosse der Flügelbauten sind ganz der Kunst Max Ernsts vorbehalten. Im Erdgeschoss des Südflügels, der ein neues Treppenhaus erhielt, ist die Verwaltung, im Nordflügel ein kleines Café untergebracht.
Neben ungeplant viel Geld, das in die Unterfangungen des fundamentlosen, denkmalgeschützten Bestands investiert werden musste, gab es für den Altbau weitere kostenintensive Auflagen der Denkmalpflege. Nachdem viele Einbauten entfernt worden waren, fanden sich sechs Gusseisenstützen, die, obwohl statisch nicht mehr erforderlich, für den großen Ausstellungsraum des Erdgeschosses aufwändig erhalten werden mussten. Was die hochstilisierten Bauschäden betrifft; die inzwischen beseitigten, punktuellen Ausblühungen an der Fassade des Altbaus gehören zu jenen unliebsamen Überraschungen, die beim Umgang mit alter Bausubstanz immer wieder auftreten können. Dabei sollte man es auch belassen.

Brühl und Max Ernst, die einen »verscherbelten« ein 1951 überlassenes Bild, um die Unkosten der ersten Ausstellung des Stadtsohnes zu kompensieren; »vom geschäftlichen Standpunkt beurteilt« fast so, wie es Max Ernst über dreißig Jahre zuvor ironisch schon einmal vorweggenommen hatte. Der andere lehnte später die Ehrenbürgerschaft ab. Zum Schluss ist er doch noch einmal vorbeigekommen, um den Max-Ernst-Brunnen einzuweihen. Jetzt hat er in seinem ehemaligen Tanzlokal ein Museum, das ihm den Raum gibt, den er hier früher vermisst haben mag. Und Brühl hat ein Museum, das ohne »Bilbao-Effekt« auskommt, das ganz auf die Kraft der Kunst Max Ernsts zählt. Gewonnen haben beide. elp


  • Standort: Comesstraße 42, 50321 Brühl

    Bauherr: Stadt Brühl
    Architekten: Architektenarbeitsgemeinschaft van den Valentyn Architektur, Köln, mit smo Architektur, Köln
    Umbau Altbau: van den Valentyn Architektur, Köln
    Projektleiterin: Gloria Amling
    Mitarbeiter: Eva Rupprecht, Liane Wilke, Beate Borghoff, Barbara Burghardt
    Entwurfsüberarbeitung und Neubau Pavillon: smo Architektur, Köln Seyed Mohammad Oreyzi
    Mitarbeiter: Stephanie Greisinger, Chris Bosse
    Tragwerksplanung: SIG Schilling
    Ingenieurplanung GmbH, Brühl
    Baugrundgutachten: Kühn Geoconsulting GmbH, Bonn
    Landschaftsarchitekt: LAD+, Landschaftsarchitektur Diekmann, Hannover
    Haustechnik: Zibell, Willner und Partner, Köln
    Lichtplanung: Licht Ô Kunst Ô Licht GmbH, Bonn
    Stahlbau: Frenken & Erdweg GmbH
    Stahl- und Metallbau, Heinsberg
    Wettbewerb: September 2001
    Bauzeit: Oktober 2002 bis September 2004
    Eröffnung: September 2005 Baukosten: 13 Mio. Euro
    BGF Altbau: 3100 m2
    BRI Altbau: 11800 m3
    BGF Neubau: 2300 m2
»Alle verstehen sie was von Kunst: der Philologe, der Theologe, der Kritiker, der Jurist, der Kommis, der Kunsthistoriker und der Herr Bürgermeister. Alle haben ja ihren Geschmack. Bitte, meine Herren, Kunst hat mit Geschmack nichts zu tun. Kunst ist nicht dazu da, dass man sie ›schmecke‹. Aber ein Herr Bürgermeister meint, Kunst wäre da, dass man sie ›beurteile‹, die modernste Kunst, dass man sie ›vom geschäftlichen Standpunkt beurteile‹. Dass ein so origineller Gedanke dem Hirn eines Bürgermeisters entspringen kann! Was der Bürgermeister will, das tun die Kritiker der grossen und kleinen Tageszeitungen. Sie wollen Kunst beurteilen. Das ist sehr bequem, denn ein Urteil kann noch so falsch sein, man braucht es nie zu dementieren. Die Kunstrichter sprechen von dem ›Können‹, sie klagen, dass dieses Können den ›Jungen‹ so ganz verloren gegangen sei. Manchmal sind diese Klagen sogar ernst gemeint. Aber meine Herren, wissen Sie denn auch, was das ist, das Können? Nein, das wissen Sie nicht, Sie glauben, Können hiesse richtig zeichnen …. Das ist die ›solide Grundlage‹, man holt sie sich auf den Kunstakademien und ist ein tüchtiger – Handwerker. Können heisst Gestaltenkönnen. Können setzt voraus, dass man das innere Leben der Linie und der Farbe empfinden kann (…). Können setzt voraus, dass man Erlebnisse hat. …Dieses neue Können setzt voraus, dass auch das Publikum und vor allen Dingen der Kritiker etwas ›kann‹. Der Kritiker muss in der Form, die der Künstler gestaltet hat, das Erlebnis wieder erkennen, wiedererleben können. … Der Kritiker muss noch etwas können: seinen Dünkel aufgeben, die Ansicht, er dürfe die Künstler bevormunden …. Aber, meine Herren Kunstrichter, Sie ›können‹ nichts.« Max Ernst, »Kunst und Können«, 30. Oktober 1912, Bonner »Volksmund«
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