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125 Jahre Mythos

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125 Jahre Mythos

~Nikolaus Bernau

Was für ein banaler Name: Kurfürstendamm. War das Kaiserreich vor 125 Jahren nicht gerade gegründet worden, wurde Wilhelm I. nicht als Vater des Vaterlandes selbst im liberalen Süddeutschland verehrt? Und doch sollte die neue Prachtstraße nur Damm heißen. Keine Erinnerung an die Champs-Elysées aufkommen lassen, oder gar eine Konkurrenz zur alten preußischen Paradestraße Unter den Linden; dabei ist der Kurfürstendamm ohne diese Vorbilder gar nicht denkbar. Angeblich soll sich ja, wenn man dem herrlich lokalverliebten Kolportageroman »Leute vom Kurfürstendamm« von Dieter Hildebrandt folgt, Bismarck in der Pracht von Schloss Versailles gedacht haben: »Etwas will ich hinterlassen, das schön ist. Es sei eine Straße.« Vielleicht war das wirklich der Grund, warum diese Achse zwischen der damaligen City West rund um den Potsdamer Platz und dem künftigen Villenviertel in Schmargendorf (auch so ein simpler Name) und Grunewald (schon etwas nobler) angelegt wurde. Jedenfalls entstand der Kurfürstendamm mit seinem breiten Reitweg in der Mitte, den vielen Bäumen – Paris! Platanen! – den ausladenden Fahrbahnen und Bürgersteigen, die einst begleitet wurden von zierlichen, später oft mit Veranden überbauten Vorgärten vor den üppigen Fassaden. Er war – in der jüngsten Biografie der Straße von Sven Kuhrau und Michael Zajonz kann man es höchst amüsant und kritisch betrachtet nachlesen – ein andauerndes Versprechen: Irgendwann wird diese Stadt auch so würdevoll sein wie die alten Metropolen. Aber bitte auch so dramatisch modern wie Picadilly und Times Square. Wirklich ein Boulevard, ein Treffpunkt der Gesellschaft, war er aber nur in den Zwanzigern als Zentrum von »Charlottengrad« und in den 50er Jahren, als wieder Flüchtlinge und Geschäftemacher, noble und weniger noble Damen quirliges Leben brachten. Und natürlich nach dem 9. November 1989, als sich die DDR hier zu versammeln schien, während ungerührt von all dem Trubel die Damen im Fuchskragen weiter ihr Gedeck verzehrten. In den 90ern kam es dann zu den legendären Schautortenessen der Grünen im Kranzler (von wegen neue Bürgerlichkeit …). Damals wurde mit dem viel zu großen Neuen Kranzler-Eck Helmut Jahns nachden Sünden der 70er Jahre ein weiterer Axthieb am traditionell durchaus etwas behäbigen Kurfürstendamm getan. Dass die Straße trotz all dieser Globalisierung immer noch sehr berlinisch ist, das ist auch so ein Wunder.
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