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Römische Therme nachgerechnet

Kostenspezialist kalkuliert Stundenaufwand und Materiallogistik
Römische Therme nachgerechnet

Die Thermen des Caracalla wurden von Kaiser Marcus Aurelius Antonius Bassianus, genannt Caracalla, gestiftet und 216 n. Chr. nach nur 3-jähriger Bauzeit eröffnet. Die heutige gewaltige Ruine in der Nähe des Circus Maximus in Rom drängte mir als Bauingenieur und Baukostenexperten mit Leidenschaft für Archäologie die Fragen auf: Wie war es den römischen Bauleuten möglich, ein Bauwerk mit diesen Abmessungen (225 x 116 m, 24-56 m hoch) in so kurzer Zeit zu erstellen? Welche technischen Hilfsmittel, welche Baustellenorganisation und wie viele Arbeitskräfte wurden dabei benötigt? Diese Fragen habe ich mir im Rahmen einer von Mitte 2017 bis Frühjahr 2020 durchgeführten Untersuchung beantwortet.

Welche Geräte standen zur Verfügung, welche Arbeiten waren auszuführen?
Dazu mussten zunächst einige Vorüberlegungen angestellt werden. Es galt, die technischen Hilfsmittel, im Wesentlichen Krane, Schalung und Rüstung, zu konzipieren und deren Funktionstüchtigkeit rechnerisch nachzuweisen. Die Arbeiten setzten sich aus einer Vielzahl von Einzeltätigkeiten zusammen, wie das Ausschachten der Baugrube und der Fundamente, das Herstellen von Mauerwerk, das Mischen und der Einbau von Beton, das Einschalen von Gewölbekuppeln, das Verputzen von Wandflächen u. v. m. Die Hauptmassen waren dabei Mauerwerk, Beton, Marmorverkleidungen, Marmor- und Granitsäulen. Für jede dieser Einzeltätigkeiten musste ein Kalkulationsansatz, das Maß für den erforderlichen Zeitaufwand, bestimmt werden.

Digitale Erfassung
Das gesamte Bauwerk wurde mithilfe eines CAD-Programms erfasst. Es gibt zahlreiche, meist jedoch unvollständige zeichnerische Darstellungen der Thermen, die gesichtet und zu einer Gesamtdarstellung mit den Hauptmaßen ausgewertet wurden. Mit dem CAD-Programm lassen sich bei maßstäblichen Zeichnungen ohne Probleme Zwischenmaße und Dimensionen abgreifen. Die Genauigkeit dieser Vorgehensweise liegt im Bereich von 5 %, was in Bezug auf die spätere Bauablaufbetrachtung aber völlig ausreicht. Dabei wurden auch die Konstruktionsprinzipien der römischen Architekten erkennbar, wie z. B. der Grundriss für einen gastronomisch genutzten Raum zeigt. Alles steht in einem geometrischen Zusammenhang. Zwei sich überschneidende Kreise bilden das Grundraster. Auf dem Umfang der Kreise angesetzte Kleinkreise markieren die Durchgänge und Nischen.

Terminplan für die historische Baustelle
Mit den Massen aus den Grundrissen und Schnitten sowie den Standardkalkulationsansätzen konnte für jedes Bauteil ein Terminplan entwickelt werden, der in einen Gesamtterminplan eingefügt wurde. Dabei war eine Reihe von Faktoren zu berücksichtigen, etwa die Frage nach der Leitkapazität. Aus dem Zusammenspiel von verfügbarer Technik und Arbeiterkolonnen war mal das eine, mal das andere der Engpass und legte damit die Arbeitsgeschwindigkeit fest. Dieses Verhältnis musste für jeden Einzelfall untersucht werden. Aber es gab auch andere Faktoren, welche die Arbeitsgeschwindigkeit bestimmten, z. B. der Abbindeprozess des Mörtels im Beton und im Mauerwerk. Dies spielte etwa bei dem abschnittsweisen Betonieren der Kuppeln und Gewölbe eine wichtige Rolle.

Bei der näheren Betrachtung der Baustellenlogistik ergab sich die Erkenntnis, dass nicht das gesamte Bauwerk auf einmal erstellt worden sein konnte, sondern in mehreren Abschnitten in einer bestimmten Reihenfolge. Dies war zwingend notwendig, um einen ungestörten Materialtransport während aller Bauphasen zu ermöglichen. Ganz wie solche Überlegungen heute in der Arbeitsvorbereitung für große Bauvorhaben selbstverständlich sind.

Erkenntnisse
Es gab offensichtlich vier Bauphasen, wobei Phase 1 die Hauptphase im Rohbau war. Der Rohbau umfasste insgesamt vier Phasen, der Ausbau analog dazu ebenfalls. Immer, wenn ein Abschnitt im Rohbau beendet war, wurde unmittelbar mit dem Ausbau begonnen. Mit jeder weiteren Phase wurden die noch vorhandenen Lücken geschlossen.

Tatsächlich konnte so in 135 Wochen, das sind gut zweieinhalb Jahre, offenbar der zentrale Teil der Thermen fertiggestellt werden. Dabei kamen in der Spitzenzeit, nämlich zur Durchführung der Erdarbeiten, ca. 5 000 Arbeiter und Aufseher zum Einsatz. Diese Personalzahlen und die Personalbedarfskurve über die Bauzeit insgesamt ergeben sich aus der Kalkulation. Für die Rohbauarbeiten der Hauptphase 1 waren noch 4 000 Arbeiter, Fach- und Hilfsarbeiter, erforderlich, während der Ausbauphase waren es im Mittel dann noch 2 000 Arbeiter.

~Ulfert Martinsen

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