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Zwischen Poelzig und Feininger

Das Paulinum in Leipzig wurde endlich fertiggestellt
Zwischen Poelzig und Feininger

»Mit der brutalen Vulgarität eines chromblitzenden SUV«, »Neureichenschick im postsowjetischen Russland« – ein Leipziger Kollege griff mächtig in die Tasten, um Erick van Egeraats Paulinum am Leipziger Augustusplatz gehörig zu schelten (db 12/2012, S. 14, und, deutlich verhaltener, FAZ vom 6. Mai 2013). Der endlich fertig gewordene Neubau der Universität polarisiert, er ist zweifellos Geschmackssache. Ob man ihn aber als »Tiefpunkt der nachwendezeitlichen Architekturgeschichte in Sachsen« abwatschen muss, wird jeder selbst entscheiden wollen. Die Leipziger sind mehrheitlich begeistert. Das mag kein relevantes Qualitätssiegel sein, doch es signalisiert immerhin einen Grad an Akzeptanz, wie er nicht jedem Kulturneubau zuteil wird.
Immerhin: Der Bau macht etwas her mit seiner schrägen poelzigschen Golem-Ästhetik. Egeraat ist einer der Gegenwartsarchitekten, die sich vom Dekorverbot der Moderne nie beeindrucken ließen und jenseits des historischen Formenrepertoires neue ornamentale Elemente suchen. Wenn er am Paulinum historistisch zitiert – Maßwerkfenster, Fensterrose –, so, um dem Erinnerungsbedürfnis der Leipziger an den 1968 vom SED-Regime gesprengten Kirchenbau zu entsprechen. Doch er sieht den Bau durch die Brille Lyonel Feiningers, verschoben, zersplittert, eine kühne Interpretation des erinnerten Bilds. Manche sind begeistert, andere entgeistert. Gleichgültig jedoch reagiert kaum einer, und das halten viele schon für ein Positivum.
Über die holprige Entstehungsgeschichte und die jahrelangen Bauverzögerungen ist viel geschrieben worden, die sollen hier nicht das Thema sein, denn seit Kurzem ist der Bau auch im Innern fertig. Jeder Winkel des Baukörpers ist für Institutsräume genutzt. Manche im Dach sind merkwürdig geschnitten, manche, wie der Seminarraum hinter der Rosette, kurios befenstert – wie wenn man sich in einem Altbau eingerichtet hätte.
Hauptattraktion ist freilich der Saal, den Egeraat als faszinierende Metamorphose der spätgotischen, dreischiffigen Halle interpretierte. Die Bündelpfeiler sind mit bedruckten Gläsern bekleidet und leuchten von innen. Drei Säulenpaare sind auf halber Höhe abgeschnitten. Sie enden, von oben kommend, in einer Art Kronleuchter. So entstand ein nicht durch Säulenreihen geteilter Veranstaltungssaal, der trotzdem sakralen Charakter hat. Der kirchlich genutzte Chor und das profane Langhaus werden durch eine erstaunliche raumhohe, sprossenlose Glaswand getrennt, die zur Seite verfahren werden kann, die größte ihrer Art, wie es heißt. Kirche, Aula und Musiksaal, »Dreifaltigkeit der Nutzung« ist das Credo, mit dem die Universität die im Vorfeld heftig widerstreitenden Interessengruppen zu befrieden suchte – ein guter Kompromiss.

~Falk Jaeger

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