Kein österreichischer Architekt hat so viele Wohnungen geplant wie Harry Glück (etwa 18.000 Stück). Und kein anderer hat mit seinen Bauten die Architektenschaft so polarisiert. Es ist ihm nämlich gelungen, unvergleichlich hohe Wohnzufriedenheit im sozialen Wohnungsbau zu schaffen. Denn er sieht sich als Architekt nicht nur in der sozialen, ökologischen und stadtplanerischen, sondern auch in einer gesellschaftspolitischen Verantwortung und gibt auf den Inhalt mehr als auf die Form. Der Wohnpark Alt Erlaa mit seinen Dachschwimmbädern, Gemeinschaftseinrichtungen und großzügigen Grünräumen wurde zur Ikone seines Modells eines »menschengerechten« Bauens.
Sein Schaffen hat noch kein Ende gefunden, auch wenn Harry Glück heute seinen 90. Geburtstag feiert.
Und er nimmt auch kein Blatt vor den Mund, wenn es um die Zukunft des Bauens geht. In einem Interview des »Standard« merkte er an: »Es wird nur weitergehen, wenn die Architekten aufhören, alles kritiklos hinzunehmen, und endlich anfangen, sich gegen die immer schärfer werdenden baulichen Anforderungen zu wehren.«
In kürzlich erschienenen Buch »Harry Glück. Wohnbauten« beschreibt der Stadtplaner Reinhard Seiß Leben und Werk Harry Glücks und geht gemeinsam mit elf Autoren – Architekten, Wohnbauexperten, Nachhaltigkeitsforschern, Soziologen, Ethologen oder auch Kunsthistorikern – u.a. der Frage nach, worin dessen Bedeutung für den heutigen Wohnungsbau liegt. Harry Glücks Methoden sind sicher nicht leicht übertragbar, an ihnen lässt sich aber studieren, welche Konsequenzen es zeitigt, wenn man alles in die Inhalte und möglichst nichts in die Form steckt.