Über dem Eisenbahngelände »Hudson Yards« auf der Westseite Manhattans entsteht nach und nach ein schätzungsweise 25 Mrd. USD verschlingendes Hochhausensemble. Da musste auch ein bisschen Kultur und Unterhaltung her, freilich auf dem gehobenen Niveau der modernen Stadtbewohner. Hier endet die zur Fußgängerstrecke umgewandelte High Line, die von Anfang an ein ungeheurer Erfolg bei Einheimischen und Touristen war. Für diese Klientel wurde »The Shed« erdacht, ein ironisch als Schuppen bezeichnetes Hightech-Veranstaltungsgebäude für schlappe 550 Mio. Dollar.
Der Grundgedanke des »The Shed« sei den Architekten quasi beim Anblick einer Streichholzschachtel gekommen: ein Kern, über den sich durch Auf- und Zuziehen eine Hülle legt. Das Ganze nun in groß gedacht ergab ein festes Bauwerk, über das eine U-förmige Hülle auf seitlichen Schienen fährt, abgeguckt bei Hafenkränen. Das Gebäude ist eine Stahlkonstruktion, gefertigt übrigens in Italien und nach New York verschifft. Dabei sind die einzelnen Stockwerke stützenlos ausgebildet; die Ebenen 2 und 4 dienen als Ausstellungsflächen, auf Ebene 6 ist ein Theaterspielraum vorgesehen, und Ebene 8 prunkt mit frei bespielbarer Eventfläche.
Die sehr fabrikartige Konstruktion ist voll verglast, seitliche Wände sind nichttragend. Die gut 40 m hohe Hülle besteht aus 148 luftgefüllten, transluzenten ETFE-Folienkissen, die über diagonale Stahlstreben gespannt sind. Dabei neigen sich die so gebildeten Rauten schräg zur Eingangsseite hin. Fährt die Hülle auf ihren sechs doppelachsigen, direkt angetriebenen Gestellen zurück, lässt sie bei sommerlichem Wetter eine Freilichtbühne vor dem Kerngebäude frei; rollt sie majestätisch langsam nach vorne, umschließt sie den eben noch freien Raum wetterunabhängig als Veranstaltungshalle von den Ausmaßen eines Flugzeughangars. Das ist eine technische Spielerei so recht nach dem Geschmack von New York. Der freie Platz nebenan soll den wuchtigen Hochhäusern ringsum urbanes Flair geben.
Leider waren noch 200 Mio. USD übrig, mit denen der Londoner Thomas Heatherwick eine sinnfreie Treppenkonstruktion errichten konnte, die an eine Kreuzung aus Piranesi und M.C. Escher erinnert (s. db 3/2019, S. 12). Das hat nun eher etwas von Rummelplatz – und nimmt dem Shed die Aufmerksamkeit der Platz-Passanten. Schade. Und ein Beispiel dafür, dass »mehr« oftmals nur »zu viel« wird.
- Standort: 545 W 30th St, 10001 New York
Architekten: Diller Scofidio + Renfro, New York
Bauzeit: 2015 bis April 2019