~Wojciech Czaja
Einst ein kleines Dorf im Rhein-Maas-Delta, durch den Wirtschaftsboom der 60er und 70er Jahre und mit dem Ausbau des Rotterdamer Hafens groß geworden, hat Spijkenisse (dt.: »Spitze Nase«) fast 80 000 Einwohner und einige Neubauten des verspäteten Postmoderne-Zampanos Sjoerd Soeters vorzuweisen. Nach vielen Jahren löste das neue Theater (Baukosten knapp 26 Mio. Euro) nun ein unsägliches Hallenprovisorium am Stadtrand ab. Von außen gleicht der Bau einem buckligen, gestrandeten Wal – angesichts der noch nicht allzu großen Beliebtheit beim Publikum (Spijkenisse weist die niedrigste Bildungsrate der gesamten Niederlanden auf) eine durchaus passende Endzeitmetapher. Nachts jedoch erstrahlt der weiße Alien, dessen 22 m hoher Bühnenturm sich unter einem geschmeidigen Buckel versteckt, in einem leuchtenden Rosarot. Kreisrunde Ausschnitte in der Fassade und eine entsprechende Beleuchtung und Lackierung machen es möglich. Auch innen dominiert die mutige, geschmeidige und mit Farben kaum geizende Sprache von UNStudio. Statt samtigem Theaterrot leuchten hier kräftige Beerenfarben: Vorhang, Saal, Bestuhlung, Teile des Foyers, ja sogar die Mitarbeiter tragen Pink, Magenta, Violett. Der Theaterdirektor Reggy Barra bekennt: »Das Farbkonzept war sicherlich auch einer der Gründe, warum wir uns im Rahmen des EU-weiten Auswahlverfahrens für dieses Projekt entschieden haben. Spijkenisse ist keine besonders schöne Stadt. Das Leben hier ist nicht gerade das bunteste.« Mit den angewandten Tricks wolle man die Hemmschwelle senken und die Bevölkerung ins Haus locken.
650 und 200 Sitzplätze zählen die beiden Säle, deren Bestuhlung und öffenbare Kollektorkabelkanäle unterschiedliche Nutzungen zulassen.
Das Theater de Stoep (dt.: der Bürgersteig) ist eine sehr clevere Neuinterpretation eines klassischen Theaterbetriebs. Das zeigt sich allein schon an der Gestaltung der traditionellen Elemente eines solchen Hauses: Im Bühnenturm fällt statt immernächtlicher Schwärze über riesige Fenster Tageslicht herein. »Warum sollen die Schauspieler, Sänger und Techniker nicht auch ein bisschen Sonne haben?« Tagsüber wird schließlich ganz normal gearbeitet und geprobt. Am Abend werden die Schotten dicht gemacht. Dann erstrahlt wieder alles in pathetischem Pink.
- Standort: Theaterplein 1, NL-3201 DH Spijkenisse
Architekten: UNStudio, Amsterdam
Bauzeit: September 2012 bis Juli 2014, Eröffnung: Oktober 2014
db deutsche bauzeitung 02|2015