Baulücken zu schließen, gehört zum Berliner Baualltag. Nun hat sich David Chipperfield dieser Herausforderung in eigener Sache angenommen und ein bemerkenswertes architektonisches Statement zu den Fragen innerstädtischer Verdichtung abgegeben. Schon seit einigen Jahren residiert sein Berliner Büro in einem typischen Backstein-Fabrikbau aus dem 19. Jahrhundert in einem Hinterhof. Auf die vorhandene Ziegelarchitektur antwortet Chipperfield mit Betonquadern. Wichtigster Baustein ist aber die Lückenschließung entlang der Joachimstraße. Sie ist eine moderne Interpretation eines Stadthauses: Über einem hohen Empfangsraum im EG liegt das klassische Piano Nobile, mit hohen Decken und gewaltigen Glasflächen zu Hof und Straße. Großformatige Holzmöbel in teilweise gewöhnungsbedürftiger Farbwahl zwischen Orange, Rosa und Grün gliedern die pure Betonarchitektur. Bekrönt wird das Stadthaus von einem niedrigen Staffelgeschoss, einem privaten Rückzugsbereich.
Öffentlich zugänglich ist der vom belgischen Gartenarchitekten Peter Wirtz gestaltete erste Hof, zu dem ein weit geöffneter Durchgang von der Straße aus einlädt. Katzenkopfpflaster aus Granit, ein Kirschbaum und eine Gruppe von Kugelahornen lassen eine sinnliche Aufenthaltsqualität entstehen, die zugleich eine reizvolle Wechselwirkung mit der Architektur entfaltet. In einem doppelgeschossigen Baukörper hat die »Kantine« für die Mitarbeiter Platz gefunden. Sie ist bereits Anlaufpunkt für Architekturliebhaber. Ihr antwortet auf der gegenüberliegenden Seite leicht versetzt ein hoher schlanker Trakt mit unregelmäßig über die Fassade verteilten Fenstern. Vom Altbau aus erschlossen, bietet er Platz für die dringend benötigten, großzügigen Besprechungsräume. Eine schmale Gasse zwischen den beiden ungleichen Neubauten führt in den rückwärtigen Hof und leitet zum Eingang in das einstige Fabrikgebäude.
Das Besondere am neuen Chipperfield-Campus ist die gefühlvolle Platzierung der Betonquader. Mit ihr entsteht ein differenziertes Wechselspiel von Weite und Enge, von unterschiedlichen Höhen, das um einen Dialog der Zeitschichten in Form und Material ergänzt wird. Es ist eine beispielgebende Lösung in der Diskussion um innerstädtische Verdichtungen, denn es gelingt Chipperfield, einen Hinterhof in einen eigenständigen Ort zu verwandeln, den eine besondere städtebauliche Qualität auszeichnet.
~Jürgen Tietz
- Standort: Joachimstraße 11, 10119 Berlin
Architekten: David Chipperfield Architects, Berlin
Fertigstellung: August 2013
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