~Ulf Meyer
Zaha Hadids Karriere begann 1983 mit ihrem epochalen Entwurf für den »Peak Leisure Club« hoch über den Dächern von Hong Kong. Das Projekt ist über das Entwurfsstadium jedoch nie hinausgekommen. Dafür wurde jetzt der »Innovation Tower« am engen Rand des Campus‘ der Hong Kong Polytechnic University in Kowloon fertiggestellt. Hadid hatte den Wettbewerb schon 2007 gewonnen. Gefordert war damals ein »Leuchtturm, der Hongkongs neue Rolle als Design-Zentrum in Asien« symbolisieren sollte. So etwas Ähnliches haben die Bauherren nun bekommen. Der wie ein Flusskiesel geformte 15 Etagen hohe Turm ist tatsächlich zum neuen Wahrzeichen des Campus‘ geworden, nicht zuletzt, weil er als einziger die Tradition rot-brauner Keramikfassaden bricht: mit einer gleißend weißen und pechschwarzen Fassade mit Brise-Soleil-Elementen, die sich sehr aufwendig gedreht wie Bänder um alle Etagen winden – besonders gut zu sehen von der Chatham Road aus, einer der Hauptverkehrsachsen der Halbinsel Kowloon. Zackig-dekonstruktivistische Formen wie damals im Entwurf für den Peak hat Hadid nun wohl endgültig zugunsten fluider, dem Pkw-Design ähnlicher Formen aufgegeben. Sie waren jedoch noch nie so steil vertikal übereinandergetürmt wie hier.
Der Neubau bietet auf 12 000 m2 Nutzfläche Raum für 1 800 Design-Studenten. Hadid hat die Nicht-Trennung der unterschiedlichen Gestaltungs-Disziplinen zum Ausgangspunkt ihres Entwurfs gemacht und gruppiert alle Fachbereiche um die gemeinsamen Vertikalerschließungen herum. Ob das 76 m hohe Gebäude wirklich »die multi-disziplinäre Zusammenarbeit der Fakultäten« fördert, bleibt zu beweisen. Sie erscheinen zu schmal und oft auch ungünstig geschnitten, um wirklich interdisziplinär genutzt zu werden.
Der Hauptzugang liegt am Zentrum des etwas erhöht gelegenen Campus‘. Vom »Suen Chi Sun Memorial Square« führt eine Rampe geradewegs in das Foyer des aufsehenerregenden Neubaus und weiter in die Studios, Seminarräume und Auditorien. Eng und überfrachtet wirken manche Innenräume, deren Wände, Böden und Decken nahtlos ineinander übergehen. Eingestanzte Atrien und Balkone bieten Raum für Begegnungen und Kritiken – und einen Moment ohne die erschlagende, allgegenwärtige Soft-Edge-Geometrie.
db deutsche bauzeitung 02|2015