Mit lediglich ein paar Monaten Verzögerung ging der neue Istanbuler Flughafen in diesem Frühjahr in Betrieb. Und der Betrieb, der läuft, wie sich der Autor dieser Zeilen bei Zwischenstopps auf Hin- und Rückflug überzeugen konnte. Anstelle des bisweilen chaotischen Geschiebes auf dem alten Flughafen IST – das Kürzel ist auf den Newcomer übergegangen – herrscht im Neubau, dem mit 1,4 Mio. m² weltweit zweitgrößten zusammenhängenden Terminal, luftiges Flanieren. Noch. Denn IST soll, wenn sich erst einmal die bislang zurückhaltenden ausländischen Fluggesellschaften neben Lokalmatador Turkish Airlines engagieren, 90 Mio. Passagiere bewältigen. Dabei ist der Umsteigeverkehr der Hauptzweck des Riesenbauwerks. Und dafür muss man die Passagiere bei Laune halten. Nicht ganz einfach in Anbetracht der bis zu 2 km langen Fußmärsche, die zwischen den Gates zurückzulegen sind, zumal wenn man an der Spitze eines der fünf »Finger« ankommt oder abhebt, die vom rechteckigen Hauptgebäude abzweigen. Schön hoch und luftig hat die Arbeitsgemeinschaft der Büros Nicholas Grimshaw (London), Hapti (London) und Nordic (Oslo) das Terminal angelegt, mit einer in gleichförmige quadratische Felder über schlanken Stützen aufgelösten Bedachung. Das Licht kommt absolut gleichmäßig und schattenfrei aus hochweißen Strahlern, man fühlt sich restlos ausgeleuchtet – und ist es wohl auch im übertragenden Sinne, denkt man an die zahllosen Kameras und Bewegungsmelder, die im Terminal verbaut sein sollen. IST ist funktional, aber auch etwas langweilig, so ganz ohne die Designeffekte oder auch die Opulenz, die mittel- und ostasiatische Flughäfen auszeichnen. Und bald ist man froh, sich in das angenehm verschattete türkische Café im Hauptgebäude zurückziehen zu können, um Schutz zu finden vor dem gleißenden Licht und einfach einen Tee zu trinken.
~Bernhard Schulz