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Wie hoch darf eine Moschee sein?

Diskurs
Wie hoch darf eine Moschee sein?

Fortsetzung Titel »Moscheen dürfen nicht größer werden als Dome«, meinte vor Kurzem Bayerns Ministerpräsident Stoiber; wenigstens eine

klare Vorgabe für Architekten. Damit ließe sich leben. Spätestens mit der heftigen Kontroverse um die Kölner Moschee im Stadtteil Ehrenfeld ist die Moscheendiskussion auch bei Architekten angekommen. Mit 55 Meter hohen Minaretten und einer 35 Meter hohen Kuppel sprengt der Entwurf Paul Böhms jeden bisherigen Rahmen in Deutschland. Die Kritik unter anderem der Kölner CDU hinsichtlich der geplanten Größe sieht er gelassen. Sorgen und Ängste nehme er nicht auf die leichte Schulter, als Architekt sei er aber auch dafür verantwortlich, dass das Gebäude die höchstmögliche Qualität habe. Damit hebt er die Diskussion auf die richtige Ebene, weg von Abmessungen und Größenvergleichen mit dem Kölner Dom, hin zur inhaltlichen Auseinandersetzung, die jedem Entwurf vorangeht. Den Kölner Gläubigen soll ein Haus gebaut werden, in dem sie ihre Religion seriös und würdig ausüben können, heraus aus dem Hinterhof-Milieu.

Die Moscheendiskussion in Deutschland ist fast ein Jahrhundert alt. Zwar ließ Friedrich Wilhelm IV. in Potsdam 1841 ein Dampfmaschinenhaus in Form einer Moschee mit Minarett von immerhin 36 Metern Höhe errichten, Proteste aus der Bevölkerung sind jedoch nicht überliefert. Ganz anders erging es dem Unternehmer Hugo Zietz und seinem Architekten Martin Hammitzsch 1909 mit ihrer »Tabakmoschee« in Dresden, eigentlich eine Zigarettenfabrik. Das Bauwerk, dessen 62 Meter hohes Minarett zum Teil als Schornstein fungierte – eine Höhe, die auch in Köln nicht erreicht werden wird –, traf damals auf heftige Ablehnung. Es gibt Dresdner, die immer noch bedauern, dass das Gebäude im Krieg kaum zerstört wurde.
Die klassische Moscheenarchitektur lässt sich auf drei Grundformen zurückführen, die sich völlig unabhängig voneinander entwickelt haben: Die arabische Stützenmoschee, in der Regel mit einem Flachdach, die persische Vier-Iwan-Hofmoschee und die osmanische Kuppelmoschee mit Zentralraum. Unter dem Einfluss der christlichen Hagia Sophia erfuhr die Moschee entscheidende Impulse und entwickelte sich im 16. Jahrhundert zu der bekannten klassischen Form. Das ist wohl der Grund, warum die Kuppelmoschee heute für die meisten Türken, die die Mehrzahl der Muslime in Deutschland stellen, die einzig denkbare ist. Das Minarett, durch die Einführung des Lautsprechers für den Gebetsruf funktional entbehrlich geworden, besitzt nach wie vor hohe Symbol- und Identifikationskraft.
So ist das Bild von einer Moschee bis heute gleich geblieben. Was stört die derzeitigen Kritiker von Moscheen in Deutschland am meisten? Die immer noch fremdartig anmutende Form mit Kuppel und Minarett, Höhe und Größe des Bauwerks, der mögliche Ruf des Muezzins, die vermeintlich transportierten Werte? Der mit dem Bau einer Moschee beauftragte deutsche Architekt steht dem Bauherrn etwas hilflos gegenüber. Sind Kuppel und Minarett vorgeschrieben? Welche Freiheiten darf er sich beim Entwurf nehmen? Nun, Minarett und Kuppel sind genauso wenig vorgeschrieben wie der Glockenturm für eine Kirche oder ein Kopftuch für Musliminnen.
In der Türkei gab es in den sechziger Jahren einige sehr ambitionierte und zum Teil gelungene Versuche, das Traditionelle abzustreifen. Vedat Dalokays Entwurf für die Kocatepe Moschee in Ankara wurde gerade deswegen nicht gebaut, weil man ihn für zu modern hielt. Aber Behruz Cinici (Moschee für die Türkische Nationalversammlung) und Cengiz Bektas (Etimesut Moschee) und einige andere Architekten konnten meist im staatlichen Auftrag völlig eigenständige Lösungen realisieren.
In türkischen Internetforen werden Moscheenkonzepte heute lebhaft diskutiert. Moderne Entwürfe haben dabei nach wie vor große Schwierigkeiten, sich durchzusetzen. Die neue, umstrittene Moschee der Architekten Bütüner und Güner am Mogan-See in Ankara ist eine positive Ausnahme. Sie kommt ganz ohne Kuppel aus und ist an der Fassade zum See hin fast vollständig verglast. Das Minarett ist lediglich ein Turm ohne Plattformen und von oben bis unten durchgeschlitzt. Der Bauherr ist interessanterweise die Stadt Ankara, deren Bürgermeister der Partei Erdogans angehört.
Mit dem Wettbewerb um die Kölner Moschee ist der Moscheenbau zumindest in Deutschland in eine neue Phase eingetreten. Der Entschluss der DITIB (Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e. V.), einen Wettbewerb auszu-schreiben und sich somit modernen Lösungen zu öffnen, ist ein bemerkenswerter erster Schritt und die Beauftragung eines im Sakralbau anerkannten Büros ein ausgesprochener Glücksfall – auch wenn Böhm durch die Anlehnung an klassische Formen einen Kompromiss eingegangen zu sein scheint. Bei der Beurteilung von Moscheenentwürfen sollte es nicht nur darum gehen, ob man Kuppel und Minarett weglassen kann, um Vorbehalte bei der Bevölkerung zu minimieren. Vielmehr sollten die gleichen Qualitätsmaßstäbe gelten, wie sie bei allen anderen Bauten auch angelegt werden. Schlussendlich sollten wir aber nicht vergessen, dass die Form einer Moschee neben der unverblümten Demonstration des Andersseins auch für kulturelle Identität, Vertrautheit und Schutzbedürfnis steht. Ihre Wandlung weg von der traditionellen Form bedingt in erster Linie eine veränderte, innere Einstellung der Nutzer.
~Cengiz Dicleli
Der Autor ist Dekan an der Hochschule Konstanz HTWG, Fakultät Architektur und Gestaltung.
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