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Verhalten optimistisch

Expo Real 2013 in München
Verhalten optimistisch

Noch immer sind Baukultur und Immobilienwirtschaft zwei getrennte Welten, die sich nur schwer zusammenbringen lassen. Die internationale Fachmesse für Immobilien und Investitionen fördert den nötigen Austausch nach Kräften, hat dabei aber noch einen weiten Weg vor sich. Karl J. Habermann hat sich auf der Messe umgesehen und zu einer zwar kritischen, aber leicht positiven Einschätzung gefunden.

~Karl J. Habermann

Die in Architektenkreisen bekannte Internetplattform »World Architects«, in der Schweiz zu Hause und hierzulande mit dem Ableger »German Architects« aktiv, hat mit einiger Verspätung den Sprung in die Immobilienwelt gewagt. Der Auftritt auf der diesjährigen Supershow der Branche weckt Erwartungen und macht Mut. War doch bislang qualitätvolle Architektur immer nur marginal, bestenfalls als schmückendes Beiwerk vertreten. Sogenannte Investorenästhetik dominiert indes nach wie vor diese Veranstaltung.
Das von World Architects initiierte und von dem Architekten und Netzwerker Daniel Racine [1] launig moderierte Podium brachte erfreulich frischen Wind auf die Messe – Titel der unterhaltsamen Veranstaltung: »Qualitätskriterien guter Stadtentwicklung«. Der Hamburger Oberbaudirektor Jörn Walter zeigte sich gewohnt wortgewaltig, die Architekten Peter Berger (Theo Hotz Architekten, Zürich), Markus Penell (O&O Baukunst, Berlin), Stefan Rappold (Behnisch Architekten), die Stadtplanerin Fabienne Hoelzel (Fabulous Urban, Genf) und der Projektentwickler Franz Fürst (Fürst Developments, Salzburg) bezogen beherzt Stellung für mehr Planungskultur und Qualität im Städtebau. Erstaunlich zu beobachten war dabei, dass sich überraschenderweise der Unternehmer Fürst für mehr Qualität besonders im Sozialen Wohnungsbau stark machte.
Erstmalig trat das Deutsche Architekturmuseum mit der Ausstellung »Netzwerk Wohnen. Architektur für Generationen« auf und unterstützte das Planning & Partnerships Forum mit dem marketinggenerierten Titel »intelligent urbanisation« nicht nur optisch, sondern auch inhaltlich.
Der großzügige Gemeinschaftsstand von Stiftung Baukultur, Bundesarchitektenkammer und DGNB schien überwiegend von Architekten und Planern belagert. Die entsprechenden Recherchen führten leider zu einer Bestätigung dieses Eindrucks: Unter Maklern und Investoren fand sich kein Gesprächspartner, der sich in diese Architekturenklave verlaufen hatte. »Man habe ja leider keine Zeit dazu«, lautete oftmals die lakonische Reaktion. Zu spüren war Desinteresse bis hin zur Ignoranz.
Aufschlussreich waren die Informationen zu Trends und Erwartungen in den Sektoren »Retail«, »Office« und »Logistics«, die etwa im Rahmen eines Pressefrühstücks angeboten wurden. Hier war zu erfahren, dass die Branche bis zum Ende der Koalitionsverhandlungen ein wenig die Luft anhielt, um dann die Lobbyarbeit bei den neuen Akteuren umso gezielter angehen zu können. Im Stil eines Börsentelegramms wurde verlautbart: Deutschland stehe im Mittelpunkt des Investitionsinteresses, für 2013 stünde ein Transaktionsvolumen allein im Bereich Gewerbeimmobilien von 30 Mrd. Euro im Raum, es mangele allerdings an geeigneten Produkten. Nach der Meldung im Flüsterton, dass die Hofstatt in München von der Hamburger Kapitalanlagegesellschaft Quantum zum Höchstpreis »für einen kleinen Club deutscher institutioneller Investoren erworben wurde«, verließ der Berichterstatter die traute Runde. Flink die Seiten gewechselt: Länder, Metropolregionen und Kreisstädte buhlen alle Jahre wieder im Stil üppiger Fremdenverkehrswerbung um die Gunst der Investoren. Zu den Top Ten der Ausstellerländer zählen laut Messeleitung Deutschland, Österreich, Polen, die Niederlande, die Schweiz, Großbritannien, Frankreich, Luxemburg und die Tschechische Republik, aber auch Russland, das nun den Part des Lands der unbegrenzten Möglichkeiten übernimmt, nachdem sich die Emirate wohl nicht zuletzt aus Gründen des zunehmend unsicheren politischen Umfelds aus der Szene zurückgezogen haben. Über die Interessenlage potenzieller Investoren in Nischny Nowgorod, Tula oder Sibirien war dennoch wenig zu erfahren. Architekten und Planer zeigen sich hierzu auskunftsfreudiger: So bekunden z. B. Drees & Sommer wie auch Werner Sobek, dass sie z. T. mit großem personellen Einsatz dort zu Gange seien.
Die Städte Hamburg, München und Berlin brauchen sich über mangelnden Zulauf nicht zu beklagen. Stichproben an den Ständen von Pfaffenhofen an der Ilm, Meißen und Dessau fallen indes unterschiedlich aus. Der Vertreter von Pfaffenhofen erinnert sich gern an zwei erfolgreiche Abschlüsse vom Vorjahr und hofft auf ähnliche Ergebnisse – die dortige Strategie der Stärkung des Stadtzentrums scheint erfolgreich. In Meißen hingegen sind die bereits im Vorjahr angebotenen sanierungsbedürftigen Schlösser noch immer nicht vermittelt, man zeigt dennoch unverdrossen optimistisch Flagge. Dessau hat mit Bauhaus und Wörlitzer Gartenreich zwar kulturelle Pfunde, mit denen jedoch im Umfeld harter Marktwirtschaft nur schwer zu wuchern ist. Die grundsätzliche Frage bleibt, wer hier wen am Haken hat: die Wirtschaft die Politik oder umgekehrt. Die europäische Stadt droht weiterhin ständig an unverwechselbarer Substanz zu verlieren. Stadt- und Regionalplanung laufen den Interessen des Marktes eher hinterher als im Vorgriff gestaltend tätig zu werden. Eine politische Regulierung unter dem Gesichtspunkt einer stärkeren Gewichtung des Allgemeinwohls scheint kaum mehr möglich. Heiner Geißlers mahnende Worte auf der Expo Real 2011 (s. db 11/2011, S. 12) sind ohne Beachtung geblieben. Lediglich ein Blick nach Helsinki könnte noch einen erfreulichen Gegenpol bieten: Hier wird intensiv und detailliert vorausgeplant, bevor man geeignete Angebote einholt. Man nimmt sich einfach die Zeit dazu. Natürlich ist das auch der besonderen Lage und Struktur des Landes geschuldet.
Ein erste Grundlage für die Verschiebung der Qualitätsmaßstäbe in Richtung Baukultur ist also geschaffen. Nun bedarf es nur noch einer geeigneten Idee, die an der Messe Beteiligten besser zu durchmischen. Vielleicht könnte diese von den universitären Ausbildungsstätten kommen: Ben Gabriel beispielsweise, Wissenschaftlicher Koordinator des Weiterbildungsstudiengangs Real Estate Management an der TU Berlin, konnte auf den hohen Stellenwert der Architektur im Stundenplan verweisen. Vielleicht lässt sich im Interesse der Nachhaltigkeit hier planungsseitig wieder Boden gut machen gegenüber einem allzu volatilen Marktgeschehen. •
Der Autor ist freier Architekt und Fachautor. Er lebt und arbeitet in München.
[1] www.ingenious-switzerland.com
Die Podiumsdiskussion »Qualitätskriterien guter Stadtentwicklung« in voller Länge:
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