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»Theming«

9. Internationales Kolloquium des IAGT, Universität Wuppertal
»Theming«

»Theming« bereitet Probleme, grundlegend: Schon darüber, was denn mit dem Begriff eigentlich gemeint sei, gingen die Ansichten auseinander, und direkt war man mitten in der Debatte, die Anfang Dezember das diesjährige Kolloquium des Wuppertaler Instituts für Architekturgeschichte und -theorie prägte. Dabei war dem Titel eine erste Definitionslinie bereits angehängt: »Die Stadt als Set gebauter Events«. Darin scheint bereits einiges auf: Inszenatorisches, nicht-architektonischer Bedeutungstransfer an urbane Orte, manipulativer Atmosphären. Gastgeber Frank Werner führte zurück zur narrativen Funktion so genannter Follies, zu synthetisch angelegten Ausstellungsarchitekturen und gebauter Agit-prop. Und mit den Ausführungen von Frank Roost, Berlin, zur Disney-Stadt Celebration war der Diskurs sicher im Präsens angelangt, bereit zur Erörterung realer Bedingungen eines fiktional hantierenden Phänomens. Denn wenn die Besonderheit Celebrations weniger in der Existenz historisierender Musterbücher liegt als in der Einbindung in einen polymedialen Vermarktungszyklus und weniger in der Abwesenheit demokratischer Mechanismen als im Bau ihrer symbolischer Statthalter, weist dies der Architektur eine unverzichtbare, aber hinsichtlich einer Steuerungskompetenz eher schwache Rolle innerhalb sozialer und ökonomischer Prozesse zu. Und: Um letzte müsste es dann eigentlich gehen, einschließlich der Intentionen der Akteure wie jener, die die Nachfrage begründen. Doch dann verursachte Sonja Beeck, Dessau, die »Theming« zunächst wertfrei als Strategie zur »semantischen Programmierung von Raum durch Applikation eines Narrativs« beschrieb, mit der Wahl ihrer Beispiele unbeabsichtigt Unruhe. Autostadt, Jüdisches Museum und ein Rückbezug auf barocke Bildprogramme: Alles eins? Verläuft die Grenze nicht vielmehr zwischen Kommerz und Hochkultur? Zerstreuung und Ergriffenheit? Böse und Gut?

Vielleicht ist das Thema im akademischen Diskurs zu frisch, um Definitionsfallen zu entgehen. In Wuppertal jedenfalls lag das Dilemma gar nicht in der kategorischen Differenz der Stränge – Medientheorie versus soziale und berufsständische Konsequenzen –, sondern darin, dass sie so spät zusammenfanden. Dabei war der Weg durchaus erhellend. So machte Gerda Breuer, Wuppertal, die Fotografie als Vorreiter im Erkennen inszenierter Räume aus, während der in Tokio lehrende Jörg H. Gleiter die Weltausstellungen des Fin de Siècle mit ihrer Verknüpfung von Exotik, Entertainment und Propaganda und also dem gezielten Rückgriff auf die transikonische Qualität des Bildhaften als Geburtsstunde der Architektur als Massenmedium identifizierte. Uwe R. Brückner, Bühnenbildner mit urbanem Wirkungskreis, und Gunter Henn, Architekt der Autostadt und der Gläsernen Manufaktur, demonstrierten derweil souveräne Bewegung in der Praxis. Nur blieben die sich auftuenden Abgründe fast unbefragt, weil es zu schwer fiel, sie akademisch nachzuweisen: »Theming« sei untauglich zur nachhaltigen Ortsbegründung, so Susanne Hauser, Graz, denn es bediene Sehnsüchte auf symbolischer Ebene, ohne für seine Versprechen Haftung zu übernehmen. Konzeptionell stehe es dabei, so Claus Dreyer, Detmold, in der Folge Venturis, allerdings ohne dessen Reflexionsvermögen und Ironie. Schließlich brauchte es Werner Sewing, um Klartext zu reden: »Theming« sei absolut unkreativ und daher kulturell unnutzbar, kommerziell angelegt, aber zugleich umso nachdrücklicher politisch: ein todernst gemeintes konservatives Äquivalent zur linken Utopie.
Da aber war leider Gunter Henn schon verschwunden: Wie weit seine gläserne Fabrik Internes nicht nur zeigt, sondern auch verändert oder, frappierender, ihm einen völlig vorgeblichen Schein auflegt, wäre mindestens zu hinterfragen gewesen. Zumal Henn sein Wirken in den Netzwerken neuer Wissensräume legitim zu verorten wusste und zugleich deutlich wurde, dass dieses sich durchaus auf programmatische Mitgestaltung erstrecken kann. Der Architekt als Autor und Regisseur hat demnach Perspektive. Die erfreuliche Nachricht daran: Sein Einfluss im Gefüge des Marktes könnte sogar wieder wachsen. Die unangenehme: Die Verantwortung wächst auch. Olaf Winkler
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