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Syntax und Morphologie – Zur neuen Gestalt im Holzbau

Grammatik des Holzbaus
Syntax und Morphologie – Zur neuen Gestalt im Holzbau

Die Arbeiten sind Beispiele aus dem Seminar »Holz« der Universität Stuttgart, Institut für Baukonstruktion und Entwerfen, SS 2004, Betreuung: Prof. P. Cheret, Arbeiten: Simon Knöner, Doris Kollmann (Studie 1); Fabian Getto, Christiane Reuther, Friederike Struckmeier (Studie 2); Anna Hofheinz, Rena Lorenz, Mirko C. Schnabel (Studie 3). Anerkennungspreis beim Wettbewerb »Das Detail im Gesamtentwurf« der Bayerischen Architektenkammer.

Architektur gleicht hinsichtlich der Beziehungen zwischen ihren Bauteilen einem aus Wörtern gebildeten Satz. Die Differenzierung und Benennung der einzelnen Bauglieder macht ein Nachdenken über Konstruktion und Gestalt überhaupt erst möglich.
Eine Definition aus dem 19. Jahrhundert beschreibt den Begriff Tektonik als Gesetz der architektonischen Kunstformen in Analogie zur Grammatik, als Gesetz der Sprachformen. Wie Text in Kenntnis der Regeln der Morphologie und der Syntax gebaut wird, so wird das architektonische Gebilde in Kenntnis der Regeln der Form der Elemente sowie deren Position zueinander gebaut. Anhand Fritz Neumeyers Beschreibung lässt sich die wechselseitige Abhängigkeit von Chronologie (Fachwerk/Skelett/Holzrahmen etc.) und Typologie (stabförmig/flächig) gut nachvollziehen: »Der Kern des Begriffs Tektonik bezieht sich auf das geheimnisvolle Verhältnis zwischen der Fügbarkeit und der Anschaubarkeit der Dinge und betrifft den Zusammenhang zwischen der Ordnung eines Gebauten und der Struktur unserer Wahrnehmung.« Den Zusammenhang zwischen Text und Architektur wiederum deckt Gerd de Bruyn auf: »Tektonik ist also die Lehre und Kunst/Methode des Fügens. Entsprechend meint das Tektonische den »Zusammenbau« oder das Bauprinzip von (poetischen) Texten und von (kunstvollen) Gebäuden.« Der Begriff setzt sich also aus dem pragmatischen Bauen (tekton, griech. Zimmermann) und dem Gefühl für das Maß der Dinge (techne, griech. Kunst des Wägens) zusammen. Als Fourier 1822 seine Wärmetheorie bekannt machte, öffnete er die Tür für kalkuliertes Freisetzen von Energie zum Antrieb von mechanischen Maschinen. Der motorische Teil der Maschine ist damit endlich Wirklichkeit. Stator, der mechanische Teil, der dem Prinzip des Gleichgewichts folgt, und der Motor, sein eigenständiger Antrieb, ergeben zusammen das entscheidende Gebilde. Tradierte Bauweisen werden durch maschinelle Prozesse ersetzt. Man träumte von Montage statt handwerklichem Bauen. Man träumte von universellen Werkzeugmachern und Monteuren, von anonymen Produkten. Konrad Wachsmann schreibt in seinem »Wendepunkt des Bauens«: »Käme es darauf an, den Begriff des Originals und der Kopie zu analysieren, so würde sich ergeben, dass das einzige Original das Werkzeug der Maschine ist, darum kann das mit Hilfe dieses Werkzeugs aus dem Material geformte Produkt nur eine Kopie sein […]. Mit der Schaffung des Werkzeuges hat also der Werkzeugmacher in anonymer Arbeit, (…), bereits den großen schöpferischen Akt vollzogen, der das Symbol des Handwerks ist.«
So wendet sich die Sphäre des Schöpferischen vom Produkt ab und tritt an die Seite des Prozesses. Damit ist die industrielle Umwälzung nicht nur ökonomisch, sondern auch künstlerisch relevant. Der Computer als universelles Werkzeug, als omnipotente Maschine ist im Sinne Wachsmanns mithin der letzte Schritt einer Hinwendung zum abstrakten Prozess.
Es ist klar, dass beim Bauen mit seriellen Bauteilen dem Fügen dieser Bestandteile eine herausragende Rolle zufällt. Wir haben es also nur noch mit zwei Aspekten zu tun: Der Intelligenz des einzelnen Elements, gemessen an den Potenzialen des Produktionsprozesses und der Fuge als Repräsentation von technologischer Rationalisierung und dem sichtbaren »ins-Verhältnis-Setzen« der Elemente. Aber vergessen wir nicht den Anteil der Neumeyerschen Anschaubarkeit. In Tatis sarkastischer Abrechnung mit der Nachkriegsmoderne, dem Film »Playtime«, ist die Fuge als Repräsentation von Tektonik überfordert. Im albtraumhaften Überborden Mies‘scher Seagramplagiate kann keine inhaltliche Identität mehr entstehen. Es werden nur noch immer gleiche Worte, also stereotype Bauelemente, zu einem Satz gefügt. Verstanden wird, was sich aus tradierten Bauweisen ableiten lässt. Deswegen ist es nicht verwunderlich, dass ein neuer Baustoff zuallererst einen bekannten Baustoff dem Erscheinungsbild und Fügungsprinzip nach sublimiert. So hat es zum Beispiel der Stahlbetonbau mit dem Holzskelettbau gemacht. Ein neuer Baustoff ist wie ein neues Wort. Aber wie unsinnig, diesem Wort die identische Bedeutung eines anderen Begriffs überzustreifen. Um Sprache zu bereichern, muss sie auf ihren Gehalt getestet werden.
Genauso verhält es sich mit den flächigen Holzbaustoffen. In unserer Lehrveranstaltung wird der klassische Entwurfsprozess auf diese Weise auf den Kopf gestellt. Die vordringlichen Entwurfsparameter, seine Gestalt und Lesbarkeit liegen im Baustoff selbst begründet. Wie, wenn nicht auf diese Weise, können wir ihn zum Sprechen bringen? Kersten Schagemann
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