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Stetig im Wandel

Ein Museum für Alberto Giacometti
Stetig im Wandel

Diplomarbeit von Stephan Birk im Sommersemester 2003 an der Universität Stuttgart,

Institut für Entwerfen und Konstruieren,
Betreuung: Prof. Dr.-Ing. Jürgen Adam
»Baue nicht malerisch« – Regeln für den, der in den Bergen baut (Adolf Loos 1913)
Im Süden Graubündens liegt das Bergeller Tal, die Heimat der Künstlerfamilie Giacometti. Den Ausgangspunkt für die Arbeit bildete der Wunsch nach einem Museum, das dem Bildhauer, Maler und Zeichner Alberto Giacometti sowie seiner Familie gewidmet ist.
Das Tal ist noch ursprünglich und authentisch, Homogenität und Geschlossenheit bestimmen seine Architektur. Es herrscht eine Ästhetik des Praktischen und des Funktionalen.
In Stampa (994 Meter NN), gegenüber dem ehemaligen Wohnhaus und Atelier der Giacomettis auf der anderen Seite der Meira, finden das neue Museum und ein kleines Ateliergebäude für Stipendiaten ihren Platz. Das Ateliergebäude ergänzt das Ensemble zweier bestehender Schulhäuser, eines davon wurde von Bruno Giacometti, Albertos jüngstem Bruder, 1960/61 gebaut.
Der Baukörper nimmt die Richtung des Tals auf, er ist parallel zu Hang und Fluss organisiert. Das Museum besteht im Wesentlichen aus drei Elementen: einem monolithischen Körper aus rau geschaltem Ortbeton, der die Ausstellungssäle beinhaltet, einer 82 Meter langen, 12 Meter hohen Wand aus geschichtetem Brennholz und dem Raum, der zwischen diesen beiden liegt.
Das Thema der Schichtung begegnet einem überall im Bergell: grüne übereinander liegende Terrassen dienen als Weideland, Mauern und Häuserwände sind aus geschichtetem Granit, Dächer aus gespaltenem Gneis. Brennholz wird fast überall vor den Häusern und in den Hauseingängen gestapelt. Von diesen Holzstößen, ihrer Struktur, der Oberfläche und dem Geruch geht eine eigene Ästhetik aus.
Zunächst waren es ästhetische Gründe und Materialüberlegungen, aus denen die Idee für die gestaltbestimmende Südfassade entstand: Übereinander geschichtetes Brennholz dient als Abschluss für den dahinter liegenden Erschließungs- und Verweilraum des Museums sowie als Lichtfilter und Sonnenschutz. Doch die Brennholzwand ist darüber hinaus die »Heizenergie-Vorratskammer« des Gebäudes, denn vom Herbst an wird diese Fassade verheizt.
Raumstruktur Man betritt das Gebäude hinter der Holzlagerwand; der Zwischenraum dient als Foyer sowie dem Aufenthalt und der Erschließung. Die Eingangsebene ist ein reines Ausstellungsgeschoss. Die Säle liegen so hintereinander, dass man an mehreren Stellen über einen schmalen Pufferraum hinaus- und eintreten kann. Über den letzten drei Ausstellungssälen liegt ein Lichtraum mit tiefen Einschnitten, die in den Hang übergehen. Das Licht gelangt seitlich ins Innere und wird dort über Streuung und Reflektion gleichmäßig auf die Lichtdecke verteilt. Schneefächer machen es möglich, dass auch in den schneereichen Wintermonaten genügend Licht in die Säle dringen kann; erst bei einer Schneehöhe von 1,10 Meter nimmt der Lichteinfall ab. Diese Fächer dienen gleichzeitig konstruktiv als Oberzüge, die über die Länge von 20 Metern frei spannen.
Im Obergeschoss befinden sich die Bibliothek, eine Lounge, der Verwaltungsbereich sowie ein Saal für Veranstaltungen. Im Untergeschoss liegen die Nebenräume, das Magazin sowie der Heiz- und Holzraum.
Immer anders Das Erscheinungsbild der Südfassade ändert sich im Verlauf des Jahres mehrfach. Im Frühling und Sommer dient das Holz als Sonnenschutz und Lichtfilter für den dahinter liegenden Erschließungs- und Verweilraum. Während dieser Zeit trocknen die Sonne und der Wind das Brennholz, seine Feuchte wird reduziert. Im Herbst beginnt sich nun die Fassade zu leeren, die Holzscheite werden verfeuert, um das Museum zu heizen. Im Winterhalbjahr wird das Holz als Sonnenschutz nicht mehr benötigt, da während der so genannten Schattenmonate kein direktes Sonnenlicht den Talboden erreicht.
Das Holz wird in Körben über Forstseilwinden ins Untergeschoss gebracht, die dort ausgehängt werden; das Brennholz wird in eine Lore geschüttet und in den Heizraum geschoben. Dort wird das Holz vor der Verbrennung in Hackschnitzel zerkleinert. Bei den überschlägigen Berechnungen der Holzheizung hat sich ergeben, dass das Verheizen der mit einem Meter langen Scheiten beschickten Südfassade den Jahreswärmebedarf des Museums und des Ateliers hinreichend deckt. Die Holzmenge, die ein Korb fasst, beträgt 4,2 Tonnen, genug, um die beiden Gebäude 1,6 Tage lang zu beheizen – das heißt, das Erscheinungsbild der Südfassade verändert sich circa alle zwei Tage. So öffnet sich das Museum nach und nach seiner Umgebung, ehe die Fassade im Frühjahr wieder neu beschickt wird. Dieser Zyklus wiederholt sich jedes Jahr, nie aber ist die Fassade absolut identisch mit der des Vorjahres, sie unterscheidet sich im Detail. Die Brennholzfassade wird zu einer Giacometti-Fassade; sie ist, wenn man so will, wie seine Kunst: »durchaus unfertig«. S. B.
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