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Schöne Worte

Diskurs
Schöne Worte

Erstaunlich offen dokumentiert die Bundesregierung ihre Affinität zu Energiekonzernen und Stromerzeugern. Und das nicht erst

~Jürgen Lintner

seit ihrem Einknicken Ende Oktober. Bereits das am 28. September veröffentlichte Energiekonzept zeigt bei genauerem Hinsehen nur halbherzig formulierte ökologische Ziele und nichts, was man für das Bauwesen als sinnvoll erachten könnte. Wenn Energieeffizienzmaßnahmen in Zukunft gefördert werden, dann fast ausschließlich solche, die letztendlich der Verbesserung der Gewinnmaximierungseffizienz der Energiewirtschaft dienen.
Erstaunlich offen gibt sie sich auch gegenüber den Erzeugern oder Importeuren erneuerbarer Energien. Diese werden gefördert, jedoch nur, wenn es sich nicht um Privatleute handelt. Deren Stromlieferung aus Kleinkraftwerken (Photovoltaik, Windenergie) wird, wegen ihrer angeblich nicht im Voraus zu berechnenden, geringen Einspeisemenge, eher als Störfaktor angesehen. Die Einspeisevergütung national erzeugten Stroms aus kleinen privaten PV- und Windenergieanlagen soll daher weiter deutlich sinken. Die Weiterentwicklung (nicht: der Einsatz) erneuerbarer Energien im Gebäudebestand soll weiterhin über das Marktanreizprogramm gefördert werden, jedoch nur »nach Maßgabe des Wirtschaft splans des Energie- und Klimafonds«. Wie gut dieser funktioniert, zeigt das Ergebnis der Verhandlung über die Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken und die unmittelbare Abwälzung der Ökoabgabe auf den Energieverbraucher. Geothermie- anlagen sollen nur noch erlaubt sein, wenn dadurch nicht die Belange der Betreiber von CCS-geeigneten Kraftwerken beeinträchtigt werden. Diese Kraftwerke nutzen unterirdische CO2-Speicher und entsprechende Pipelines und bewirken, dass Treibhausgase und Schadstoffe unter der Erde bleiben – im Prinzip eine umweltfreundliche Technologie. Allerdings wird auch deutlich, dass die Regierung die Kosteneffizienz und die Absenkung der heimischen CO2-Produktion (Einsatz von 80 % erneuerbarer Energien bei der Stromproduktion bis 2050) fast ausschließlich durch Stromimporte realisieren will. Funktioniert das nicht und wird deswegen in Deutschland mehr CO2 produziert, werden an die Energiekonzerne Emissionshandelszertifikate ausgegeben. Ist das auch umweltfreundlich?
Laut Aussage unserer Bundesregierung entfallen »auf den Gebäudebereich (…) rund 40 % des deutschen Endenergieverbrauchs und etwa ein Drittel der CO2-Emissionen«. Differenziert wird zwischen privaten und öffentlichen Gebäuden aber nicht. »Bis 2020 wollen wir eine Reduzierung des Wärmebedarfs um 20 % erreichen. Darüber hinaus streben wir bis 2050 eine Minderung des Primärenergiebedarfs in der Größenordnung von 80 % an«. (…) »Dafür ist die Verdoppelung der energetischen Sanierungsrate von 1 % auf 2 % erforderlich«. – Endenergiebedarf, CO2-Emissionen, Wärme-bedarf und Primärenergiebedarf lassen sich jedoch nur bedingt miteinander vergleichen. So bleiben all diese Aussagen und Ziele fragwürdig.
Für den privaten Verbraucher und Immobilienbesitzer will die Regierung zukünftig »verständliche und umsetzbare Verbraucherinformationen«, »Energie- und Stromsparchecks für private Haushalte« und »aussagekräf-tige Energieausweise für Gebäude und anwendungsorientierte Handlungsempfehlungen« fördern. Allerdings erfolgt diese »aus dem Sondervermögen ab 2011 beim BMWI (als) Energieeffizienzfond nach Maßgabe des Wirtschaftsplans des Energie- und Klimafonds«. Realsatire? Mitnichten! Weiter heißt es im Konzept, dass alle Gebäude nach Ansicht der Bundesregierung saniert werden müssen, nach dem bis 2020 zu erreichenden Standard allerdings nur die »schlechtesten (…), die in der Regel auch bauphysikalisch saniert werden müssen«. Eine Förderung ist aber nur vorgesehen, »sofern der Eigentümer die Zielwerte vorzeitig erfüllt oder übererfüllt …«. Hier soll das CO2-Gebäudesanierungsprogramm »fortgeführt und im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten besser ausgestattet« werden. Steuerliche Anreize werden dagegen lediglich geprüft. Eine degressive Abschreibung von energiesparenden Maßnahmen, wie sie z. B. die Vereinigung Freischaffender Architekten (VFA) seit Jahren von der Politik einfordert, auch nicht. Schade. Denn gerade dann wäre ein Investitionsanreiz gegeben, der nicht zwangsläufig auf die Mieter umgelegt werden müsste. Ob die beabsichtigte Anpassung des Mietrechts gelingt und damit das Abwälzen von Investitionen auf den Mieter möglich sein wird, bleibt ohnehin erst einmal abzuwarten.
Die Vorbildfunktion der Bundesregierung für die eigenen Neubauvorhaben und bestehenden Liegenschaften ist bislang nicht näher konkretisiert. Aber immerhin: Ein Förderprogramm, das zwar auch noch nicht näher definiert, aber ein vielversprechender Ansatz zu Zeiten leerer kommunaler Kassen sein kann, ist die geplante »energetische Städtebausanierung«.
Bei alldem ist eines jedoch bemerkenswert: Für die Bundesregierung ist jeder Bau ein Altbau, drei Viertel aller Altbauten wurden vor 1979 errichtet. »Diese Gebäude sind oft gar nicht oder kaum energetisch saniert. Die überwiegende Mehrheit der Heizungssysteme entspricht nicht dem Stand der Technik. Die Szenarien belegen, die energetische Sanierung des Gebäudebestands ist der zentrale Schlüssel zur Modernisierung der Energieversorgung und zum Erreichen der Klimaschutzziele«. Zwischen »normalen« und gestalterisch schützenswerten Altbauten wird indes nicht unterschieden.
Wer jetzt das Wort »Szenarien« gelesen hat und seine Bedeutung kennt, liegt richtig. Würden wir die Regierung auffordern, konkrete Zahlen aus ernsthaften Erhebungen vorzulegen und das Einsparpotenzial im Gebäudebereich mit dem Einsparpotenzial bei Ausgleichszahlungen an Energiewirtschaft und Industrie zu vergleichen, käme wohl ein interessantes Ergebnis heraus.
Der Autor ist Architekt VFA, Energieberater der AKNW und Mitarbeiter im Normungsausschuss Wärmeschutz beim DIN.
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