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7. Architekturtriennale in Oslo

Diskurs
7. Architekturtriennale in Oslo

Die Menschen müssen ihren Ressourcenverbrauch radikal zurücknehmen, um weiter auf der Erde existieren zu können. Bekannt ist das spätestens seit dem Bericht des Club of Rome über die »Grenzen des Wachstums« von 1972. Der letzte in der langen Reihe von Versuchen, dieses Offensichtliche allgemein verständlich zu machen, war die 7. Architekturtriennale Ende September in Oslo (OAT). Ihr Leitthema ist »Degrowth« . Die Kernthese der vier Chefkuratoren aus London (Matthew Dalziel, Phineas Harper, Cecilie Sachs Olsen, Maria Smith): Solange wir uns zur Quantifizierung unseres Wohlstands auf Wirtschaftswachstum stützen, erreichen wir nur, dass immer mehr Ressourcen verbraucht werden, und das letztlich nur zugunsten des Reichtums einiger weniger.

Zentrum der OAT 2019 ist die Ausstellung im Architekturmuseum. Sie wird als »Bibliothek« bezeichnet, als Freiraum in einer sonst auch räumlich durchkommerzialisierten Gesellschaft. Das »Archiv« dieser Bibliothek ist die Dauerausstellung des Museums zum oft vorzüglichen Wohnungsbau Norwegens seit 1945; die »Sammlung« eine Ausstellung über die Architektur des Zurücknehmens, der Nachhaltigkeit, des Teilens, der Weiterverwendung. Leider gibt es keinen Katalog (aber immerhin ein lesenswertes Begleitbuch der Kuratoren, s. u.). Der wäre wünschenswert gewesen – und sei es nur, um den idealistischen, oft Salon-sozialistischen Grundton für die Nachwelt zu bewahren: Über die sozialen, kulturellen, wirtschaftlichen Bedingungen dieser Gesellschaft des Nicht-Wachsens wird nämlich praktisch nicht gesprochen. Ebenso wenig darüber, wie Milliarden von Menschen in Afrika, Asien oder Südamerika ohne Wachstumsmodell jene Lebenssicherheit erreichen sollen, die hier als selbstverständlich gilt: Wer schürft die Rohstoffe, die zum Betrieb all der umweltgerechten Geräte nötig sind?

 Und wie steht eigentlich diese OAT 2019 zum aktuellen Kulturbauboom in Oslo? Da werden gleich reihenweise riesige Neubauten errichtet – was mit den Altbauten, etwa der Nationalgalerie aus dem 19. Jahrhundert, der Deichman-Bibliothek von 1933, dem Munch-Museum von 1963 geschehen wird, ist aber ungeklärt. Gerade wurde der Wettbewerb für ein neues Fotomuseum entschieden (1. Preis Lund Hagem, Oslo). Zwar werden all diese Neubauten mit hohen ökologischen Standards errichtet. Aber braucht man sie überhaupt? Und warum entstehen diese neuen, teuren Kulturhäuser durchweg nahe den Luxuswohnungen an den neuen Hafenpromenaden? Ein neoliberales Stadtumbau-Projekt reinsten Wassers – das aber leider nur in den oft sehr lustigen Stadtrundgängen und erfreulich selbstkritischen, harten, jedoch in der Reichweite sehr begrenzten Debatten dieser OAT 2019 zum immer noch ungebrochenen Konsummodus unserer überreichen Industriegesellschaften zum Thema wird. Auch der unmittelbar drohende Abriss des sogenannten Y-Blocks von 1969, immerhin mit zwei großen Wandgestaltungen von Picasso versehen, wurde seltsamerweise nicht thematisiert.

~Nikolaus Bernau

Begleitbuch: Edwina Attlee, Maria Smith, Phineas Harper (Hrsg.), Gross Ideas. Tales of Tomorrows Architecture, The Architecture Foundation, London 2019

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