Professoren an Hochschulen müssten sich oftmals viel-teilen können, um die formalen und organisatorischen Anforderungen zu erfüllen, die an sie gestellt werden: Lehre, Forschung und meist noch das eigene Büro sind unter einen Hut zu bringen. Dazu gesellen sich oft genug Verpflichtungen im Dekanat, im Prüfungsamt sowie in Berufungs- und Akkreditierungs-Kommissionen. Kein Wunder, wenn mitunter der eine oder andere Aspekt spürbar zu kurz kommt. Deshalb sei an dieser Stelle die Frage gestellt: Was macht, abgesehen von der fachlichen Expertise, einen guten Hochschullehrer aus?
Zwei der wichtigsten Voraussetzungen sind Motivation und Begeisterung für das eigene Fach. Studierende merken schnell, wenn Professoren diese Begeisterung abhanden gekommen ist, genauso wie 20 Jahre alte Aufgabenstellungen dies zeigen. Denn auch das ist Pflicht: das Lehrmaterial regelmäßig auf Aktualität zu prüfen. Es herrscht zwar die Freiheit der Lehre, aber kann man sich vorstellen, die Informatik würde noch auf DOS-Basis lehren?
Darüber hinaus ist es wichtig, ein Selbstverständnis als Wissenskoordinator zu entwickeln. Selbst wenn der Professor, die Professorin nach wie vor über das umfassendste Wissen und Verständnis für den Stellenwert der Disziplin verfügt, gibt es Themengebiete, in denen die Innovationen so schnelllebig sind bzw. das Wissen so spezialisiert ist, dass die studentische Expertise durchaus auch mal größer sein kann. Dies nicht als Angriff auf das Ego, sondern als Mehrwert für die Gruppe zu begreifen, ist entscheidend.
Eine weitere Kompetenz des Lehrenden sollte es sein, Potenziale bei Studierenden zu erkennen und zu fördern. Nicht selten ist das Studium die erste Etappe in der Persönlichkeitsentwicklung, in der die Emanzipation des eigenen Geistes stattfindet. Aus diesem Grund ist die Wahrnehmung und Bestätigung von Fähigkeiten eine unermessliche Hilfestellung für die Studierenden. Beim Autor war dies sein Berufsschullehrer: »Der Lehmann ist der größte Schmierfink, den ich je kennengelernt habe, aber wenn Sie wirklich etwas lernen wollen, gehen Sie zu ihm!« Das zu Mitschülern, die etwas Nachhilfe benötigten. Zugegeben, Dreitafelprojektionen mit einem Lineal ohne Zentimetereinteilung richtig zu lösen ist etwas gewagt, aber offensichtlich bemerkte der Lehrer die Ansätze von fachlicher Integrität und didaktischem Gespür, die nun, 20 Jahre später, meine Leidenschaft sind.
Dieser Beitrag ist letzter Teil einer Reihe über die Ausbildung von jungen Architekten in Deutschland, die seit April 2020 in der db erschienen ist.
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