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Medina der Menschheitskunst

Diskurs
Medina der Menschheitskunst

Selten einmütig fielen die ersten Reaktionen der Medien aus: Mit dem Gebäude des Louvre Abu Dhabi ist Jean Nouvel ein großer Wurf gelungen. Für das Museum des Emirats am Persischen Golf, das den Namen des Pariser Louvre auf 30 Jahre gegen eine saftige Gebühr – die Rede ist von 400 Mio. Euro – nutzen darf und das darüber hinaus 15 Jahre lang im jährlichen Wechsel jeweils rund 300 Leihgaben aus den 13 französischen Staatsmuseen erhält – für weitere 30 Mio. Euro Leihgebühr pro Jahr – gab es keine sehr konkrete bauliche Vorgabe. So jedenfalls schildert es der Pariser Architekt, der daraufhin ein Ensemble aus 55 weißen, quaderförmigen Häuschen schuf, die eine kleine Stadt bilden, mit Gassen und sich weitenden Plätzen. Der Clou ist die Flachkuppel, die sich mit einem Durchmesser von 180 m über dieser nach dem Typus einer Medina gebildeten, unregelmäßigen Ansammlung wölbt. Durch ihre aus insgesamt acht Schichten unregelmäßiger, geometrischer Streben gebildete Hülle fällt das gleißende Sonnenlicht in knapp 8 000 Öffnungen hinab. Nouvel spricht von einem »Lichtregen«, wie er durch die Blätter der Dattelpalmen fällt, von denen über 40 Mio. allein im Emirat Abu Dhabi wachsen. Durch die Gassen und Straßen des Komplexes, die zumeist auf das flache Wasser der künstlichen Lagune am Rande der künstlichen »Insel der Glückseligkeit« hinausgehen, weht beständig eine leichte Brise, die die heiße Tagestemperatur angenehm herunterkühlt. Im Innern der Häuser, von denen 26 als Galerien für den in zwölf Kapitel gegliederten Ausstellungsparcours dienen, herrschen selbstverständlich die klimatischen Verhältnisse eines Museums nach gängigem technischen Standard.

Der Louvre Abu Dhabi versteht sich als »erstes Universalmuseum der arabischen Welt«. In seinen gut 600 Objekten – die eine Hälfte, wie gesagt, aus Frankreich geliehen, die andere aus eigenem, in den zurückliegenden Jahren erworbenen Besitz – erzählt das Museum die Geschichte der Menschheit als eine der großen Übereinstimmung, der ähnlichen Entwicklungswege, der Gleichartigkeit von Vorstellungen in Grundfragen der menschlichen Existenz. Aus der übergreifenden Kulturgeschichte, angefangen mit den allerersten Funden aus festen Siedlungen von vor 8 500 Jahren, schält sich allmählich dann doch ein Europa-lastiger Weg hin zur Moderne heraus, und für die Zeit ab 1600 bis heute dominiert die französische Kultur. Ob sich das emiratische Museum da ein wenig zu fest an die französische Nabelschau gebunden hat, müssen die künftigen Justierungen des insgesamt hoch- bis höchstkarätig bestückten Rundgangs zeigen, sobald andere Leihgaben die Stelle der derzeitigen einnehmen werden. Nach der hochpolitischen Eröffnung des Museums durch den Emir von Abu Dhabi, der zugleich als Präsident der Vereinigten Arabischen Emirate amtiert, und den französischen Staatspräsidenten Macron herrscht am Golf erst einmal eitel Freude. Abu Dhabi ist für den Konkurrenzkampf um Kulturtouristen bestens gerüstet. Die 600 Mio. Euro, die der Nouvel-Bau nach übereinstimmenden Gerüchten gekostet hat, sind auf jeden Fall gut angelegt.

~Bernhard Schulz

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