Manga trifft Bronzezeit
Der Architekt und Theoretiker Terunobu Fujimori hat die japanische Architektur derzeit fest in der Hand – egal ob es um den Biennale-Beitrag in Venedig oder die Mammut-Schau japanischer Architektur im Mori-Museum in Tokio geht. Seit 2016 ist er Direktor des Edo-Tokyo-Museums. Fujimori ist nicht nur kenntnisreich, er ist auch charmant mackig. In Deutschland wird das Architekturverständnis des Exzentrikers und Otaku (in etwa: »Nerd«) nun erstmals gezeigt. Auf der ehemaligen Nato-Raketenstation Hombroich errichtete die Stiftung dazu ein aufgeständertes Teehaus (bis 29. November).
Vom Interesse an historischer und prä-historischer Architektur in Japan ausgehend, kam Fujimori zu dem Schluss, dass man die Moderne einstampfen und es noch einmal mit der Architektur der Bronzezeit versuchen sollte. Seine schrulligen Teehäuser sehen aus wie aus einem Fred-Feuerstein-Film, gemischt mit Asterix-, Ghibli- und Schlumpfhausen-Elementen. Fujimoris Vorbild für das Teehaus in Hombroich ist das Tai-an Cha-shitsu aus dem 16. Jahrhundert. Nur zwei Tatami-Matten groß, gilt es als Paradebeispiel der Wabi-Ästhetik, die sich durch gezielte Imperfektionen auszeichnet. Fujimoris Entwurf für das Rheinland ist eine cartoonisch-infantile Version, gepaart mit traditionellen Techniken und Materialien. Die Wende weg von der Moderne hin zu einer Architektur aus dem Märchenbuch ist durchaus politisch. Auf die vernakuläre Baukunst zu setzen, gleicht im völlig urbanisierten Japan einer Übersprungshandlung. Diese Rückwärts-Avantgarde erinnert an die Abschließungspolitik, die das Land ab Mitte des 17. Jahrhunderts isolierte – angesichts des Einflusses, den Fujimori gegenwärtig auf die japanische Architektur hat, ein verstörendes Signal.
~Ulf Meyer