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La Défense geht in die Verlängerung

Diskurs
La Défense geht in die Verlängerung

Die Wiederauferstehung von La Défense ist beschlossen. In Rekordzeit wurde in den letzten Wochen das Gesetz zur Erneuerung des größten Geschäftsviertels Europas mit den Stimmen der konservativen Parteien im französischen Parlament »durchgewunken«.

~Christian Horn

La Défense wurde 1958 auf einem nur wenig bebauten Vororthügel von 160 Hektar im Westen von Paris gegründet. Fast 50 Jahre später ist mit 2500 Firmensitzen und mehr als 3 Mio Quadratmetern Bürofläche, auf denen rund 150 000 Angestellte arbeiten, hier das größte Geschäftsviertel Europas entstanden. Hinzu kommen 600 000 m² Wohnfläche für 20 000 Bewohner und etwa 200 000 m² Geschäftsfläche. Während der Planungsphase gründete sich die Etablissement Public d’Aménagement de la région de La Défense (EPAD) als öffentlich-rechtliche Gesellschaft. Diese erstellte die Bebauungspläne, realisierte die Infrastruktureinrichtungen und verkaufte die Baugenehmigungen. Gegründet mit einer avisierten Lebensdauer von 30 Jahren, die bereits zweimal verlängert wurde, näherte sich die Mission der EPAD vor ein paar Jahren dem Ende. Da sich Institutionen aber erfahrungsgemäß nicht so schnell auflösen wie gründen lassen, sorgte die EPAD in letzter Minute dafür, vom zuständigen Ministerium mit einer Bestandsanalyse des Geschäftsviertels beauftragt zu werden. Die Analyse ergab, dass La Défense dabei ist, seine Position in der weltweiten Konkurrenz der Geschäftsviertel zu verlieren. Die Untersuchung der bestehenden 71 Hochhäuser zeigte, dass 17 dieser Türme nicht mehr den heutigen Ansprüchen an Bürogebäude genügen. Weiterhin ist die architektonische Qualität der seit den achtziger Jahren gebauten Hochhäuser nicht mehr mit denen in anderen Städten zu vergleichen. Um den Niedergang abzuwenden, war Handlungsbedarf also dringend geboten. Die Studie verfehlte ihr Ziel nicht: Die Schulden, welche die EPAD in den letzten Jahren angesammelt hatte, wurden getilgt und ihre Mission durch einen Erneuerungsplan bis 2010 verlängert. Dieser Plan sieht vor, bis 2020 die veralteten Hochhäuser zu renovieren oder an gleicher Stelle in veränderter Form neu zu bauen und so 350 000 m² zusätzliche Nutzfläche zu schaffen. Die notwendigen Grundstücke werden, nachdem Ende der neunziger Jahre das freie Baugelände knapp wurde, durch den Rückbau einiger überdimensionierter Verkehrsinfrastrukturen gewonnen werden.
Zeichen setzen
Mit dem Bau eines architektonisch anspruchsvollen Signalturms soll die neue Ära von La Défense weithin sichtbar gemacht werden. In einem von dem Bauträger Unibail ausgelobten Wettbewerb mit zehn geladenen Architekten wurde Ende 2006 der Entwurf des amerikanischen Büros »Morphosis« von Thom Mayne prämiert. Bis 2012 soll der 300 Meter hohe Turm fertig ge- stellt sein. Neben architektonischen Ambitionen sollen die Hochhäuser der neuen Generation auch die Funktionsmischung im Quartier erhöhen und neben Büros auch Wohnungen und Flächen für Dienstleistungen anbieten. Die Erdgeschosszonen sollen für Geschäfte und Restaurants freigehalten werden, um die öffentlichen Räume zwischen den Hochhäusern zu beleben.
Dem amtierenden Bürgermeister der Stadt Paris, Bertrand Delanoe, einem Politiker der Sozialistischen Partei (PS), ist dieses staatlich verordnete Programm gar nicht recht. Konfrontiert mit der lange Zeit als gegeben hingenommenen Spaltung der Stadt in den reichen Westen und den ärmeren Osten versucht er seit Beginn seiner Amtszeit im Jahr 2002, dies durch die Entwicklung von städtebaulichen Projekten im Osten auszugleichen. Doch durch die rasche Zustimmung des französischen Innenministers und Präsidentschaftskandidaten Nicolas Sarkozy – Politiker der konservativen gaullistischen UMP – zur Erneuerung von La Défense wurde die Anstrengung von Bertrand Delanoe torpediert. Dabei ist anzumerken, dass Nicolas Sarkozy auch Bürgermeister der zwischen La Défense und Paris liegenden Gemeinde Neuilly und Präsident des Département Hauts-de-Seine ist, dem wohlhabensten Departement von Frankreich, in dem auch La Défense liegt.
Die Hochhäuser von La Défense würde Bertrand Delanoe lieber im Osten von Paris errichten. Doch sind ihm in seinem Wunsch, die Stadtviertel sozial und ökonomisch anzugleichen, durch den Mangel an Baugelände im dicht bebauten Paris sowie durch die Ablehnung der Pariser Bevölkerung höhere Gebäude in der Stadt zuzulassen, die Hände gebunden. Trotz eines akuten Wohnungsmangels und des Verlusts von einer Millionen Einwohner in den letzten zwanzig Jahren, blockiert die historisch orientierte Einstellung der Pariser Bevölkerung eine weitere städtebau- liche Entwicklung.
Das Ignorieren regionaler Strategien und die mangelnde Zusammenarbeit mit den umliegenden Gemeinden hat bei der EPAD jedoch Tradition. 1990 war die Erweiterung von La Défense nach Westen bis zur Seine im Gespräch. Die Verlängerung der historischen Achse vom Place de la Concorde über den Triumphbogen, der Grande Arche und über das Gebiet der benachbarten Gemeinde Nanterre bis zur Seine sollte die Erweiterung begleiten. Ohne vorherige Absprache mit Nanterre stellte die EPAD ihr Entwicklungsprojekt der Öffentlichkeit vor. Doch diesmal wollte die traditionell kommunistisch regierte Gemeinde Nanterre sich ihre Zukunft nicht diktieren lassen und blockierte das Projekt erfolgreich. Die Verhandlungen zogen sich zehn Jahre hin und wurden erst im Mai 2000 mit einer Vereinbarung zwischen der jetzt sozialistischen Regierung von Lionel Jospin und der Stadt Nanterre abgeschlossen und Nanterre dem Einfluss der EPAD entzogen. Seither entwickelt die Gemeinde von Nanterre das Gelände in der Verlängerung der historischen Achse von La Défense nach Westen bis zur Seine selbst. Nanterre will sich von den Plänen für La Défense distanzieren und verfolgt eine ausgewogene Planung mit Wohnungen und Büros und einer besonderen Aufmerksamkeit auf der Gestaltung des öffentlichen Raums. Neben einigen Firmensitzen sind in der Gemeinde ›
› von Nanterre wichtige öffentliche Einrichtungen wie die Universität Paris X und die Präfektur der Region Hauts-de-Seine ansässig. Mit drei S-Bahnstationen der RER, einem Bahnhof und einer Straßenbahnlinie ist sie außerdem gut an das Verkehrsnetz angeschlossen.
Auch der Schlüssel zur Erneuerung von La Défense liegt nicht in erster Linie in der architektonischen und funktionellen Qualität der Bürohochhäuser, sondern im Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs; im Berufsverkehr ist die Metro fast ausgelastet, eine Erweiterung der Büroflächen, ohne gleichzeitig das regionale Transportsystem zu verbessern, hätte also keinen Sinn. Helfen soll der Ausbau des regionalen Bahnhofs von Nanterre in einen nationalen Bahnhof mit TGV-Verbindung und die Verlängerung des Regionalexpress EOLE von Gare St. Lazare in der Pariser Innenstadt nach Westen über La Défense. Diese Verlängerung wurde inzwischen von der Region beschlossen, kann aber erst 2015–2020 komplett in Betrieb genommen werden. Wie die Angestellten in der Zwischenzeit zu ihren Arbeitsplätzen kommen sollen, bleibt offen und das überaus interessante Konzept einer Ringmetro um Paris, der Metropherique, wird von der EPAD leider nicht erwähnt oder weiterverfolgt.
La Défense zum Fünfzigsten
2008 wird La Défense 50 Jahre alt und das Geschäftsviertel hat eine Erneuerung sicherlich nötig. Im Gegensatz zu den ersten dreißig Jahren ist jedoch diesmal ohne eine regionale Zusammenarbeit keine koordinierte Entwicklung möglich. Der akute Wohnungsmangel und die Überlastung der existierenden Transportinfrastuktur können nur regional gelöst werden und mit den Lasten müssen auch die Zuwendungen besser verteilt werden, sonst spielen die anderen Gemeinden nicht mit.
Es ist jedoch beunruhigend zu sehen, wie wenig durchdacht die geplante Erneuerung bis heute ist. Die Entscheidung, in den fünfziger Jahren La Défense außerhalb von Paris anzusiedeln, folgte einer klaren städtebaulichen Strategie. Es ging darum, eine konkrete städtebauliche Idee zu realisieren, die in den folgenden dreißig Jahren auch konsequent weitergeführt wurde. Bei den seit Anfang der neunziger Jahre entstandenen Projekten hat man jedoch den Eindruck, dass diese städtebaulichen Leitbilder nicht mehr verfolgt wurden.
Auch wenn die Bestandsanalyse detailliert durchgeführt wurde, reduziert sich in der Präsentation des Entwicklungsplans für die 850 000 m² Bürofläche die Positionierung und Form der Hochhäuser auf ein paar bläuliche Wolken, welche mit Photoshop, scheinbar fast beliebig in die Skyline eingefügt worden sind. Soll der Investor letztendlich doch wieder bauen können, wo und wie er will?
Doch wie realistisch ist das Projekt eigentlich. Im Moment hat La Défense etwa zehn Prozent Leerstand, das heißt, 300 000 m², und Investoren stehen auch nicht Schlange. Das lässt der EPAD noch ein paar Monate Zeit, sich wieder auf ihre städtebaulichen Ideen zu besinnen und einen konstruktiven Dialog mit den Gemeinden und der Region zu führen.
Der Autor lebt und arbeitet als freischaffender Architekt und Dozent in Paris. Sein Architekturbüro (www.architecture-paris.fr) ist auf dem Gebiet der Architektur und Stadtplanung tätig.
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