1 Monat GRATIS testen, danach für nur 6,90€/Monat!
Startseite » Diskurs »

Konfliktreich im Detail

Diskurs
Konfliktreich im Detail

Wer auch immer es sein wird: Auf den neuen, u. a. für Bauwesen und Städtebau zuständigen Minister wird einiges an Arbeit zukommen. Bereits im Wahlkampf wurde

~Christian Holl

deutlich, dass, mehr als in den vorangegangenen Legislaturperioden, das Thema Wohnungsbau im Mittelpunkt seiner Arbeit stehen wird. Kein Wunder: Auf dem Wohnungsmarkt grassieren Ängste. Viele Menschen fürchten, dass sie bald ihre Mieten nicht mehr bezahlen können und aus ihren Wohnungen von finanziell besser Gestellten verdrängt werden, wenn sie dieses Schicksal nicht bereits erlitten haben. Die Ursachen sind bekannt – dass seit den 90er Jahren Versäumnisse auf dem Sektor des sozialen Wohnungsmarkts hinzukommen zeigt, welches perspektivische Denken eigentlich erwartet werden muss. Die Parteien haben darauf zumindest augenscheinlich reagiert. Die, die nach der Wahl im September im Bundestag vertreten sein werden, sprachen sich übereinstimmend für eine Kappungsgrenze von 10 % bei Wiedervermietungen aus – ob flächendeckend (SPD) oder nur in den betroffenen Ballungszentren (CDU/CSU) oder verbunden mit der Möglichkeit, dass die Kommunen Mietobergrenzen festschreiben können (Grüne und die Linke). Davon ausgenommen sind erstmalige Vermietungen von Neubauwohnungen und Mieterhöhungen in bestehenden Mietverhältnissen. Die gesenkte Kappungsgrenze wird also nur bedingt – wenn überhaupt – zu einer Entspannung auf dem Wohnungsmarkt beitragen.
Das macht deutlich, dass sich die komplexe Gemengelage nicht mit einzelnen Instrumenten verändern lässt – und auch nicht alleine auf Bundesebene, wo nun alle Weichen auf große Koalition gestellt sind. Die SPD schlägt einen Investitions- und Entschuldungspakt für die Kommunen und ein Aktionsprogramm für eine solidarische Stadt und bezahlbares Wohnen sowie ein Bündnis von Bund, Ländern, Kommunen, Mieter- und Sozialverbänden und der Bau- und Wohnungswirtschaft vor. Auch CDU/CSU sprechen sich für vergleichbare Kooperationen aus, sie hatten es bereits den Ländern im Rahmen der Mietrechtsreform von Februar überlassen, Gebiete mit angespanntem Wohnungsmarkt zu definieren. Das Problem scheint also erkannt, und die große Übereinstimmung unter den Parteien könnte Mut machen.
Ein Blick zurück relativiert Hoffnungen aber leider ebenso empfindlich wie der in die Einzelheiten der Programme. Eine neue Regierung wird wieder von der CDU/CSU angeführt werden: Diese Parteien hätten, zumal die CSU auch das entsprechende Ministerium innehatte, bereits in den letzten Jahren Gelegenheit, gegen die sich schon lange abzeichnende Zuspitzung auf dem Wohnungsmarkt vorzugehen. Das aber wurde nicht nur versäumt, man hat im Gegenteil diese Zuspitzung noch gefördert. Das Verständnis dafür, dass der Wohnungsmarkt eine integrale, ressortübergreifende Aufgabe ist, ist wenig ausgeprägt. Das zeigt sich darin, dass die Städtebauförderung zurückgefahren wurde; im Regierungsprogramm von CDU und CSU taucht das Programm Soziale Stadt gleich gar nicht mehr auf. Genau dieses Programm hatte aber Stadt nicht nur als Investitionsareal für das Bauen definiert, sondern als Lebenswelt, die mit Aufgaben des Sozialen, der Bildung und der Ökonomie zusammen- gedacht wurde.
Aber auch, dass die (energetische) Sanierung und Modernisierung einen empfindlichen Einfluss auf den Wohnungsmarkt hat, muss beachtet werden. CDU/CSU schweigen sich zu den Zusammenhängen zwischen energetischer Sanierung und Mietpreissteigerungen aus. Dabei wird auch vernachlässigt, dass man es auf dem Wohnungsmarkt schon lange nicht mehr nur mit vorbildlichen, kommunalen und mit dem Blick auf das Gemeinwohl handelnden »Playern« zu tun hat. Auf dem Wohnungsmarkt wird spekuliert, und die Methoden dabei sind, auch wenn die Diskussionen über Heuschrecken etwas in den Hintergrund getreten sind, nicht selten skandalös – hier hat es die letzte Regierung versäumt, Mieter zu schützen. Die SPD fordert daher die Rücknahme der gerade erst eingeführten Mietrechtseinschränkungen, die es Vermietern leichter gemacht haben, Modernisierungskosten auf die Mieter umzulegen und will das Programm Soziale Stadt wieder stärken. Hier liegt reichlich Zündstoff für die kommende Legislaturperiode.
In den Programmen setzt sich die CDU für technologieoffene energetische Sanierung ein, die SPD will tatsächlich Energieeinsparung über den Effizienzstandard setzen. Das klingt gut, dem sollten aber auch Taten folgen. Immer noch berücksichtigt die EnEV unzureichend, dass Gebäude selbst Energiegewinne erzielen können. Die SPD möchte die Mittel der Förderung erhöhen und den Blick stärker auf die energetische Effizienz von Wohnungsgesellschaften, Stadtquartieren und Wohngebieten richten.
Drängende Wohnungsnot ist aber nur ein Teil der Realität. Erstaunlicherweise finden sich wenig Antworten zu den Problemen schrumpfender Städte und Regionen – wenn sie überhaupt erwähnt werden, liest es sich so harmlos, als habe man es mit einem neuen Phänomen zu tun.
Darüber hinaus ist Architektur oder Baukultur für die potenziellen Regierungs-Parteien kein Thema – das wird auf die Bundesstiftung Baukultur abgeschoben. Mit den bereits vorbereiteten populistischen Ausweichmanövern in Richtung PKW-Maut sollte sich ein entsprechender Minister nicht wie in der Vergangenheit, in der sich Ramsauer z. B. mit Strafpunktereform und Kampfradler-Tiraden bevorzugt auf Nebenschauplätzen tummelte, aus der Verantwortung stehlen dürfen.
Der Autor ist Geschäftsführer des BDA Hessen und arbeitet als freier Architekturkritiker.
Aktuelles Heft
MeistgelesenNeueste Artikel

Architektur Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Architektur-Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Medien GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum arcguide Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des arcguide Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de