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Partzipative Entwicklung des Jugendhauses in Biberach

Diskurs
Jugend-Stil

Die jungen Leute von heute, angeblich sind sie so brav und unengagiert. Wenn man sie lässt, wirken sie aber gern mit, zumal wenn es um ihre Belange geht – ein neues Jugendhaus etwa. Das hat die Stadt Biberach jetzt gemeinsam mit sage und schreibe 700 Jugendlichen entwickelt. Ein Alptraum für Architektin Christine Reck? Keineswegs. Für die in einem kooperativen Verfahren ausgewählte Planerin ist es »ein erster Versuch, Jugendlichen (bei der Gestaltung ihrer Umwelt) eine Stimme zu geben«. Neu daran war auch, dass für das Feedback eine geschlossene Facebook-Gruppe eingerichtet wurde. Hier haben die Jugendlichen die vier konkurrierenden Entwürfe intensiv diskutiert und über 1.000 Verbesserungsvorschläge eingebracht. »Wie erkläre ich etwas
so, dass Laien es verstehen?«, fragte sich die Architektin dabei immer wieder und nutzte vor allem 3D-Animationen, um ihre Ideen zu vermitteln. Gefördert wurde der intensiv moderierte Prozess vom Bundesprogramm »jugend.beteiligen.jetzt«.

Am Ende waren sich Stadt, Fachjury und Jugendliche einig, und das Haus wurde gebaut. Am Bahndamm hinter dem Schulzentrum, beengt durch Gewerbebetriebe, ist eine höchst eigenwillige Skulptur entstanden, ganz nach dem Motto der Moderatoren: »soziokulturelle Passung vor Funktionalität«.

Aus Sicht der Jugendlichen funktioniert das Haus wunderbar, mit seiner prägenden Dachrampe, die sich im Bogen um den Hof herum zu einer »Fleez-Höhle« unterm Dach hinaufschwingt und viel mehr ist als ein Verkehrsraum, nämlich Spielwiese, Hangout, Bühne, Aussichtsplattform. Drunter bietet der robuste Betonbau einen 4,5 m hohen, multimedial bespiel- und teilbaren Allraum, den obligatorischen Chillraum sowie eine Werkstatt und Büros. Formal meidet das Gebäude jede institutionelle Anmutung – ein Wunsch, der in den Debatten mit den Jugendlichen immer wieder geäußert wurde. Abgerundet, asymmetrisch, schräg sieht es aus, und zuletzt bekam der von einer Industriebaufirma ziemlich ruppig hingestellte Bau noch einen Anstrich – von Anarchie: Graffitikünstler, die schon den zum Abbruch bestimmten Vorgängerbau in einer Kunstaktion bearbeitet hatten, verzierten die frisch betonierte Hauptfassade. Das als stockkonservativ verschriene Oberschwaben bekam da einen »Freiraum« von geradezu verruchter Coolness appliziert. Die fast grazile organische Architektur tritt hinter dem derben Beton-Tattoo leider kleinlaut zurück. Wie gesagt: soziokulturelle Passung … Es soll ja den Nutzern gefallen.

Haustechnisch genügt das rund 3,5 Mio. Euro teure Gebäude höchsten Ansprüchen – Biberach ist schließlich die zweitreichste Stadt im Lande. Das Haus verfügt über eine leistungsfähige Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung und sei dichter als ein Passivhaus, heißt es, auch schalldicht. Das wird die Nachbarschaft freuen. Sonst heißt es wieder: »Die Jugend von heute …«.

~Christoph Gunßer

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