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In Augenhöhe mit der Quadriga

Neubau der Akademie der Künste in Berlin
In Augenhöhe mit der Quadriga

Natürlich wird der kritisch suchende Blick schnell fündig: Die Fassade ist tagsüber nicht richtig transparent, sondern reflektiert grünlichgrau – ausgerechnet das Hotel Adlon. Einige Details im Inneren wirken unfreiwillig hingebastelt. Und manche formale Elemente, etwa besonders kühn gekippte, schräg zulaufende Glasflächen, kommen daher wie aus einer längst vergangenen Zeit.

Aber ist es wirklich angemessen, mit einer mäkeligen Grundhaltung und ohne Blick fürs Ganze durch ein Haus zu laufen, das eine solche Vorgeschichte hat? Nein, ist es nicht! Denn zuallererst ist es hocherfreulich, dass die Akademie der Künste überhaupt ihren Sitz am Pariser Platz bezogen hat. Außerdem ist es eine Wohltat, mit dem Behnisch-Bau doch noch ein durchlässiges Haus in der ansonsten hochsicherheitsmäßig abgeschlossenen und gestalterisch durchregulierten »guten Stube« Berlins zu haben. Es ist ein Verdienst, dass in dieser neuen Akademie das Alte, die Überreste einer bewegten Geschichte, erhalten und wieder nutzbar gemacht wurden. Und schließlich ist es eine Wonne, sich durch dieses Haus treiben zu lassen, Bodenwellen hoch, Rampen hinunter, Stege entlang, immer ein wenig verunsichert auf der Suche nach Orientierung und der nächsten Ebene, aber auch mit so viel Neugierde auf den weiteren Weg wie schon lange nicht mehr.
Dieses Haus will einfach entdeckt werden, es erschließt sich nicht auf den ersten Blick. Genauso wenig, wie sich seine Entstehungsgeschichte schnell erzählen lässt. Der Neubau steht an der Stelle des ehemaligen Arnimschen Palais’, das die »Königliche Akademie der Künste« 1907 bezogen hatte. 1937 übernahm Albert Speer als »Generalbauinspektor für die Neugestaltung der Reichshauptstadt« das Haus und ließ hier Pläne und Modelle für seine größenwahnsinnigen »Germania«-Visionen produzieren. Der Krieg ließ am weitgehend zerstörten Platz nur eine Teilruine der Akademie übrig, die nach dem Mauerbau von einigen Künstlern in makabrer Hausgemeinschaft mit DDR-Grenzsoldaten genutzt wurde.
Mit der Wiedervereinigung – begleitet von heftigen Verwerfungen – fügten sich auch die zersplitterten Teile der Akademie organisatorisch wieder zusammen, 1994 wurden die Mitglieder der Sektion Baukunst um Vorschläge für einen Neubau an historisch angestammter Stelle gebeten.
Über den Siegerentwurf von Günter Behnisch und Werner Durth entbrannte ein erbitterter Architekturstreit. Grundsatzdebatten, Polemiken und wüste Beschimpfungen entluden sich angesichts der geplanten Glasfassade, weil sie der Gestaltungssatzung nicht entsprach, die für den Pariser Platz nun mal Naturstein- oder Putzoberflächen mit Lochfenstern vorschrieb. Und es sollte nicht einfacher werden: Erste Umplanungen, ein erteilter, wieder zurückgezogener und erneut erteilter Baubescheid, dann der Verkauf des hinteren Grundstücksteils, daraus resultierende weitere Umplanungen, Baukostenüberschreitungen, Baustopps und die Kündigung eines Generalunternehmers überschatteten die Realisierung ab Ende 1999.
Nach all diesem Kampf und Krampf ist der dreiteilig organisierte Neubau doch noch fertig geworden. Im Kopfbau am Pariser Platz sind die Bibliothek und ein Lesesaal des Archivs untergebracht, darüber ein Plenarsaal, das Büro des Präsidenten und eine »Clubetage«. Herzstück des Ganzen sind die erhaltenen und nach denkmalpflegerischen Grundsätzen restaurierten Ausstellungssäle. Die Westseite des Grundstücks besetzt eine Bürospange, die vor allem Arbeitsräume der Sektionen und des Archivs aufnimmt.
Im Erdgeschoss verläuft ein öffentlicher Weg. Wer das Haus vom Pariser Platz aus betritt, ist eingeladen, es bis zur Behrensstraße und dem Holocaust-Mahnmal zu durchqueren – vorbei an Informations- tresen, Büchertisch und Café-Bereich – und dabei en passant einige Eindrücke von aktuellen Ausstellungen mitzunehmen. Leider nur Mitgliedern und Freunden der Akademie ist der schönste Ort des Hauses vorbehalten, eine Terrasse im obersten Geschoss, die auf Augenhöhe mit der Quadriga des Brandenburger Tors spektakuläre Aussichten bietet.
Für die Akademie ist die Arbeit mit dem Einzug nicht abgeschlossen – sie fängt gerade erst an. Und das hat viel mit der Architektur zu tun. »Was ist die Akademie in ihrem inneren Leben, was sollte sie sein? Wie will die Akademie nach außen wirken und was wird von ihr sichtbar?« Das hatten Günter Behnisch und Werner Durth als Fragen über ihren Erläuterungsbericht von 1994 gestellt. Über zehn Jahre später, allen Hindernissen zum Trotz, steht die Antwort da, nicht frei von architektonischen Unzulänglichkeiten, aber dennoch als gelungene Aufforderung an den Nutzer. Nun muss die ebenso ehrwürdige wie überalterte und verkrustete, am Robert-Koch-Platz und in den Tiefen des Tiergartens fast in Vergessenheit geratene Institution hineinwachsen – in ihr junges, offenes und überhaupt nicht mehr über- sehbares Haus. Katrin Voermanek
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