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Hilfe zur Selbsthilfe

Wettbewerbsergebnisse für Werkstätten in Südafrika
Hilfe zur Selbsthilfe

Studentische Wettbewerbe gibt es viele. Wenige hingegen locken mit einer späteren Umsetzung. Beim »46664:bangle FACTORY CONTEST« dürfte aber auch die Aufgabe als solche und der besondere Ort die Studenten zum Mitmachen bewegt haben. Heraus kam, neben einigen architektonisch bemerkenswerten Entwürfen, ein erster Preis, dem man eine Art »schlichten Innovationscharakter« zuschreiben könnte.

Fast schon kommt einem die Redewendung der Eier legenden Wollmilchsau in den Sinn: Werkstätten, die aufgrund der Art der Produktion – maschinelle Herstellung von Armband-Rohlingen aus Kupfer, Silber, Gold oder Platin, anschließendes handwerkliches Biegen, Polieren und Verpacken – per se laut sind, sollen von einem flexiblen, modularen Bausystem umhüllt werden, das zusätzlich die Besichtigung der Produktion von außen erlaubt und v. a. geringe Kosten in Herstellung und Wartung mit sich bringt. Zugleich müssen ein abschließbarer, gesicherter Lager- und Stauraum (wohlbemerkt als Massivkonstruktion) und Sanitärräume, ein Büro und ein Bereich für Warenannahme und Abfertigung vorhanden sein sowie verschattete Plätze im Außenbereich – die Werkstätten befinden sich im subtropischen, mediterranen, also meist sonnigen Klima Südafrikas. Die Anforderungen und Rahmenbedingungen des »46664 : bangle FACTORY CONTEST«, den Softwarehersteller SOFTTECH im vergangenen Jahr anlässlich seines 25-jährigen Bestehens auslobte, waren so gesehen für einen Studentenwettbewerb nicht einfach.

Moderne Werkstätten, verbesserte Arbeitsplatzbedingungen
Die »46664 Bangle«-Kampagne ist ein Teil der Nelson-Mandela-Foundation, die durch die Produktion von Armreifen die Lebenssituation HIV-Infizierter und die AIDS-Prävention in Südafrika verbessern will. Zum einen lernen arbeitslose Aidskranke so, im Kunsthandwerk geschult, für ihren Lebensunterhalt selbst bzw. wieder selbst zu sorgen. Zum anderen werden zwei Drittel der Erlöse aus dem Armbandverkauf weiteren Stiftungsprogrammen zugeführt. Die in die Bangles eingravierte Zahl 46664 setzt sich dabei aus der Häftlingsnummer (466) Mandelas und dem Jahr seiner Inhaftierung (1964) zusammen. Derzeit existieren bereits sieben Produktionsstätten in Johannesburg, die neuen Werkstattzellen sollten allerdings möglichst über ganz Südafrika verteilt werden bzw. mobil sein. So zumindest der Plan, denn der Auslober warb mit der Ankündigung, dass die »prämierten Entwürfe innerhalb von zwei Jahren in Südafrika als erste funktionstüchtige Werkstätten realisiert werden sollen«. Konkret heißt das, dass von den 39 Wettbewerbseinreichungen theoretisch bis zu fünf Entwürfe realisiert werden könnten: Die fünfköpfige Jury vergab einen ersten, einen zweiten und einen dritten Preis sowie zwei Anerkennungen.
Paletten aus Holz und mit Lehm
Die größte Chance auf Umsetzung hat dabei allerdings nur die Erstplatzierte, Hristina Safronova, Studentin der Universität Stuttgart, deren Wettbewerbsbeitrag vom Institut für Baukonstruktion 1 von Prof. Peter Cheret betreut wurde. Ihr kam möglicherweise zugute, dass sie zuvor bereits auf einer Baustelle bei Kapstadt bei einem anderen Hilfsprojekt mitwirkte (s. www.ukuqala.net).
Ihr vorgeschlagenes, modulares System besteht aus mit Lehm gefüllten Standard-Europaletten. Diese sind geschickterweise so aneinandergereiht und übereinandergestapelt, dass sie nach außen eine schlichte, geschlossene Fassade und im Grundrissinnern einen umlaufenden Besucherhof bilden. Ansatz ist hier, die Betroffenen bereits in den (relativ einfachen) Bauprozess einzubeziehen, sie so auch als eigentliche Handwerker auszubilden und zugleich den Bezug zwischen Nutzer und Gebäude sowie zwischen Nutzer und 46664-Organsiation zu stärken. Die einzelnen Paletten sollen unmittelbar neben der Baustelle liegend mit einem Stroh-Lehm-Gemisch befüllt werden, auf die jeweils eine Holzplatte versetzt genagelt wird. An diese soll, leicht versetzt, eine zweite Palette anschließen. Die so entstandenen Bausteine können dann, sobald sie trocken sind, zu einer Fassade addiert werden, die nach außen durch unbefüllte und zum Innenhof hin durch fehlende Paletten aufgelockert und so lichtdurchlässig ist. Auch eignen sich die Holzpaletten als Sitzmöglichkeit und sind recycelbar. Gerade letzteres könnte allerdings zum Problem werden, denn wie sehr sich die Nutzer mit dem Gebäude identifizieren, wird auch von der Verarbeitung des für manche möglicherweise billig anmutenden Materials (und dessen noch fraglicher Witterungsbeständigkeit bei starken Regenfällen, so die Jury) abhängen.
Aufwendigere Varianten
In diesem Sinne überzeugt der Entwurf der Zweitplatzierten mehr: Plamena Dimitrova und Chrysoula Lazariotou von der TU Kaiserslautern entwarfen unter Prof. Johannes Modersohn am Lehrgebiet Bauko3 und Entwerfen (Veranstaltung »Bauko50%«) ein modulares Stecksystem aus Stahlknoten, Holzstützen und -balken sowie Sperrholz- oder Polycarbonatplatten als Fassadenelemente. Sie betrachteten sämtliche Anforderungen aus dem Raumprogramm formal als Quader, die sie in der Länge aneinanderreihten – die Form des Baukörpers repräsentiert folglich einen linearen Arbeitsprozess, den ein leicht geneigtes und abgehobenes Dach aus Aluminiumwellblech schützend überdeckt. Regenwasser soll gesammelt und kann auch für die Raumluftkühlung verwendet werden. Die Jury bemängelte allerdings u. a. die aufwendigen Stahlknoten, die vermutlich nicht vor Ort geschweißt werden können, und die fragliche Erweiterbarkeit.
Letzteres Problem besteht auch beim Entwurf der Drittplatzierten, wenngleich dieser architektonisch überzeugender ist: Nora Beste von der Uni Stuttgart entwickelte (ebenso am IBK 1 unter Peter Cheret) einen Grundriss, in dessen Mittelpunkt der Lagerraum für die vor Diebstahl zu schützenden Rohstoffe und Bangles steht. Zweigeschossig, in Beton gegossen und mit einer Besucher-Dachterrasse versehen, dient dieses »Herzstück« als Erkennungs- und Wahrzeichen. Im Falle einer Produktionsstättenverlagerung soll es als Monument bestehen bleiben. Die einzelnen Werkbereiche gruppieren sich ringsum auf einem quadratischen Grundriss, umhüllt von einem Stahltragwerk mit (leider teuren) Stahllamellen.
Ähnlich wie sich die Grundrissorganisation der Dritt- und Erstplatzierten geringfügig ähnelt, sind auch zwischen dem zweitplatzierten Entwurf und den beiden mit Anerkennungen bedachten Entwürfen Parallelen zu entdecken. Diese entstanden wiederum am Lehrgebiet Bauko3 und Entwerfen unter Prof. Johannes Modersohn und wurden von Yvonne Thönes und Theresa Voigt sowie von Sarah Junghans und Maria-Natascha Jost eingereicht.
Letztere beiden schlugen einen länglichen, eingeschossigen Baukörper mit einem leicht geneigten Pultdach vor, das mit Solardachbahnen ausgestattet werden soll. Unter dem Motto »Einer für alles« entwickelten die Studentinnen einen Holzstab mit einem speziellen Stabkopf, der, vielfältig einsetzbar und vervielfältigt, fast die komplette Konstruktion des Gebäudes »stemmt«. Auch hier ist eine Regenwassernutzung geplant. Mit bunten Stoffen versehen, wirkt das Gebäude hingegen farbenfroher und heiterer als die Vorschläge der ersten drei Preisträgerinnen. Auch die Studentinnen Thönes und Voigt schienen bei ihrem Entwurf – wiederum ein länglicher Baukörper als modulares System mit stählernen Tragwerksknoten und Holz – der ästhetischen Qualität der Fassade mehr Beachtung zu schenken, sie besteht aus fein strukturierten Elementen mit Lochkreis- oder Lochtrapez-Muster.
Nächste Stufe: Bauen und helfen?
Noch äußert sich der Auslober nicht zum geplanten Zeitrahmen einer Realisierung. Ob diese letztlich doch an der Unumsetzbarkeit der Entwürfe scheitern könnte? Schade wäre das nicht nur für die Menschen vor Ort. Ist doch die Ankündigung eines tatsächlich geplanten Bauvorhabens für jeden Studenten ein größerer Anreiz zur Wettbewerbsteilnahme als das Preisgeld selbst. • ~cf
Weitere Informationen und Hinweise:
Unterstützt wurde der Wettbewerb zusätzlich von Google als Hersteller der 3D-Software Sketch Up
Die schlichten Armreifen (von 35 Euro für die Kupfervariante bis zu 6 500 Euro für die Goldvariante) können angesehen und bestellt werden über: https://bangles.46664.com/website/content/buynow.php
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