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Grütters und der Stifter Wille

Diskurs
Grütters und der Stifter Wille

Grütters und der Stifter Wille
Ausschnitt Lageplan Kulturforum: Markierung der für den Galerieneubau Kunst des 20. Jahrhunderts am Kulturforum untersuchten Grundstücke. Aus: Cover Bericht der Stiftung Preußischer Kulturbesitz „»Zur Zukunft der Berliner Museumslandschaft. Positionierung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und ihrer Staatlichen Museen zu Berlin unter berücksichtigung der Ergebnisse der Variantenuntersuchtung“, 2013«
Die Staatlichen Museen zu Berlin sollen ein weiteres Haus mit 14 000 m² Nutzfläche erhalten, am Kulturforum, dieser antiurbanen Wüstenei nahe dem quirligen

~Nikolaus Bernau

Potsdamer Platz. 200 Mio. Euro will der Bundestag dafür spenden, dass die Sammlungen der Neuen Nationalgalerie sowie die Bestände aus wenigstens drei Privatsammlungen angemessen präsentiert werden können. Kulturstaatsministerin Monika Grütters tat Anfang September dazu den ersten Schritt, indem sie den Startschuss für einen Ideenwettbewerb gab. Und doch sind viele Fragen offen. Nicht zuletzt die nach dem Geld.
Pro m² sollen in Berlin gut dreimal so viel wie für die vergleichbaren Museumsneubauten in Essen, Münster oder Mannheim ausgegeben werden. Noch erstaunlicher: Für die Ersteinrichtung sind 95 Mio. Euro eingeplant – für das gut dreimal so große Humboldtforum, aus dessen ethnologischen Sammlungen sich weit kompliziertere Ausstellungsbedingungen ergeben als aus der Präsentation von Kunstwerken, wird es nur 75 Mio. geben. Die einzige Begründung, die Grütters für diese durchaus erheblichen Unterschiede gab: Man baue halt in Berlin und mit einer staatlichen Behörde, dem Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR). Dabei zeigten die Bauverwaltungen der Berliner Universitäten z. B. mit der »Holzlaube« (s. db 9/2015, S. 71), dass auch staatliche Institutionen durchaus sehr kostengünstig zu bauen vermögen.
Gebaut werden soll zwischen der Neuen Nationalgalerie von Ludwig Mies van der Rohe und Hans Scharouns Philharmonie, mit Sichtbezug zur Neuen Staatsbibliothek auf der gegenüberliegenden Seite der Potsdamer Straße. Hier ist Weltarchitektur verlangt. Deswegen haben die Auslober so gut wie alle Beschränkungen aufgehoben. 10 000 m² ist das Grundstück groß, es darf so breit, hoch und tief geplant werden wie man will.
Aber ist das Problem Kulturforum architektonisch zu lösen? Keineswegs nur der Hamburger Volkwin Marg verlangte einen vorgeschalteten städtebaulichen Wettbewerb (s. z. B. Kommentar in db 1-2/2015, worin Jürgen Tietz einen Masterplan – nicht nur gestalterisch, sondern auch inhaltlich – für das gesamte Gelände fordert), oder wenigstens die Ausweitung des Wettbewerbsgeländes, sodass die Teilnehmer sich auch anderer Grundstücke bedienen können. Doch Grütters und die Stiftung Preußischer Kulturbesitz verweigerten sich der alternativen Freistellung etwa des Grundstücks an der Sigismundstraße, neben James Stirlings Wissenschaftszentrum, im Winkel zwischen Gemäldegalerie und Neuer Nationalgalerie. Dabei wäre nur hier ohne viel Aufwand eine direkte, fußläufige Verbindung zwischen den bestehenden Museumsbauten, dem Neubau und der Neuen Nationalgalerie herzustellen. Eine Verbindung, die zwischen dem Bauplatz an der Potsdamer Straße und den bestehenden Museen gar nicht möglich und mit der Neuen Nationalgalerie sehr schwierig ist. Zwischen ihr und dem Grundstück verläuft nämlich eine nicht zu unterbauende zentrale Kabeltrasse. Da der Berliner Senat sich bisher in keiner Weise anstrengt, für deren Verlagerung einzutreten, und auch die Trasseneigner, so behauptet die Stiftung, vage von »etwa 2030 – vielleicht« sprechen, kommen die Wettbewerbsteilnehmer nicht um die Berücksichtigung des derzeitigen Trassenverlaufs herum.
Monika Grütters betont immer wieder, dass das Bundesfinanzministerium und der Bundesrechnungshof die Einschränkung des Ideenwettbewerbs auf nur ein Grundstück verlangt hätten. Mag sein. Aber ein Ideenwettbewerb soll Ideen sammeln. Nur bei einem Realisierungswettbewerb ergibt die Beschränkung auf nur ein Grundstück einen Sinn. Und wie ist eigentlich die Haltung Berlins? Nur eins ist von der Senatsbaudirektorin Regula Lüscher zu hören: Man stimme den Plänen von Grütters zu. Nicht einmal in der Kaiserzeit war die Berliner Stadtverwaltung den Wünschen der Regierung so hörig wie derzeit. Nur ganz kurz plädierte Berlin – wie übrigens die Preußen-Stiftung auch – gegen Grütters dafür, das Alternativgrundstück an der Sigismundstraße für die Nationalgalerie zu nutzen. Hat dieses doch bereits Baurecht. Aber jetzt wird behauptet, es sei zu klein dafür. Stellt sich die Frage, warum in dem entscheidenden Gutachten, welches das BBR vor drei Jahren erstellte, von der Stiftung etwa 10 000 m² als ausreichend betrachtet wurden, jetzt aber 14 000 kaum genügen sollen.
Dieses Gutachten gab übrigens auch den Ausschlag dafür, dass die Stiftung überhaupt einen Neubau für die Nationalgalerie errichten will, statt, wie es seit 1999 (!) feste Planungsgrundlage war, zunächst ein Haus für die Alten Meister neben dem Bode-Museum an der Museumsinsel zu bauen und dann die jetzige Gemäldegalerie für die Nationalgalerie und ihre Modernen Meister zu nutzen. Angeblich, behauptete das BBR 2012 überraschend, sei diese »Rochade« zu teuer. Verglichen jedoch wurde ein reines Ausstellungshaus für die Nationalgalerie mit einem Neubau für die Alten Meister, der Raum gegeben hätte für Gemälde- und Skulpturensammlung, die Restaurierungswerkstätten und das Museum für Vor- und Frühgeschichte. Heruntergerechnet auf die reine Ausstellungsfläche hätten beide Bauten etwa gleich viel gekostet. Doch die höheren Gesamtkosten für den Multifunktionsbau schreckten die Politiker und die Preußen-Stiftung, obwohl mit ihm auf viele Jahrzehnte hin die Platzprobleme vieler Sammlungen und nicht nur die der Nationalgalerie gelöst worden wären. Es gibt gute Gründe, mit Grütters, Parzinger, der Nationalgalerie und Frau Lüscher auf einen Architekten-Geniestreich am Kulturforum zu hoffen. Weniger darf es nämlich nicht sein angesichts des Bergs völlig ungelöster Fragen.
Der Autor ist ausgebildeter Kunstwissenschaftler und Architekt. Er arbeitet als Architekturkritiker in Berlin.
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