Grünen-Chef Robert Habeck gab ihnen recht, worauf sich konservative Politiker und Kommentatoren großer Medien derart herausgefordert sahen, dass sie die Befürworter einer solchen »Vergesellschaftung« gleich bezichtigten, sozialistische Verhältnisse wie einst in der DDR wiederbeleben zu wollen. Davon sind die Demonstranten selbstverständlich weit entfernt. Sie können sich gelassen auf das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland berufen. Artikel 15 stellt dem Eigentum eine Verpflichtung zum Gemeinwohl an die Seite. Das ist eine Basis der sozialen Marktwirtschaft und kein Sozialismus.
Es ist offensichtlich, dass die Mietsteigerungen in den großen Städten und die Entwicklung der Bodenrenditen mittlerweile den sozialen Frieden in Deutschland bedrohen. Jetzt schlägt aber auch die sonst in derartigen Angelegenheiten zurückhaltende Deutsche Akademie für Städtebau und Landesplanung (DASL) Alarm und fordert von Bundestag und Bundesregierung eine »gemeinwohlorientierte bodenpolitische Strategie«.
Es verwundert kaum, dass die Entwicklung der Bodenrenditen auch die in der DASL vertretenen Stadt- und Landesplaner, Architekten und Landschaftsarchitekten beunruhigt. Beschränken doch der Ausverkauf kommunaler Grundstücke, Gebäude und Wohnungsbaugesellschaften an private Investoren und deren Renditeerwartungen auch ihren Handlungsspielraum, Leitbilder und Akzente in der Stadtentwicklung, der Entwicklung sozialer und verkehrlicher Infrastruktur sowie der Entwicklung ländlicher Räume zu setzen.
Der Ausschuss für Bodenpolitik des DASL hat mit einem Debattenpapier und einem Wissenschaftlichen Kolloquium unter dem Motto »Den Boden der europäischen Stadt« Anfang März die interne Debatte in der Akademie geführt. Die DASL fordert zwar keine Enteignungen, aber sie möchte, dass wieder mehr Grund in öffentlicher Hand ist und bleibt, damit der Stadtplanung nicht im wahrsten Sinne des Wortes der Boden entzogen wird. Grundeigentum soll wieder stärker dem Gemeinwohl dienen, das Eigentum an Gebäuden davon getrennt und Bodenwertsteigerungen gezielt mit Abgaben belegt werden. Die Bauverwaltungen in Berlin oder München machen derzeit verstärkt von ihrem Vorkaufsrecht von Grundstücken in Milieuschutzgebieten Gebrauch, wenn sie das Gemeinwohl der Bevölkerung in Gefahr sehen.
Die DASL fordert deshalb, dass Kommunen ausreichend Boden und Immobilien haben müssen, um mit eigenen Investitionen oder der Vergabe von Nutzungsrechten bezahlbaren und langfristig gesicherten Mietwohnungsbau zur Verfügung stellen und Freiräume für eine gemeinwohlorientierte Steuerung der Stadtentwicklung eröffnen zu können. Bund und Länder sollen Boden für geförderten Wohnungsbau an Kommunen übertragen oder in öffentliche Bodenfonds einbringen und ihn nicht konzeptlos an den jeweils Meistbietenden – am Ende noch mit geringen Abschlägen für die Förderung – verkaufen. Außerdem sollen Bodenwertsteigerungen, die ja nicht unwesentlich durch die Allgemeinheit mit der Schaffung von Baurecht und mit Investitionen in die Infrastruktur bewirkt werden, auch der Allgemeinheit wieder zugutekommen.
Von Bodenwertsteuern spricht die DASL nicht. Sie ist auch nicht für so weitreichende politische Forderungen bekannt. Ihre Initiative zeigt aber gerade wegen ihrer sonst geübten Zurückhaltung, wie hoch der Handlungsbedarf ist. Noch diskutieren wir über Mieten, aber perspektivisch geht es darum, ob die Planung und die Entwicklung unserer Städte in der Gewalt der öffentlichen Hand bleibt oder ob sie durch den Ausverkauf von Grund und Boden privatisiert wird. Das käme einer Enteignung der Allgemeinheit gleich. Deshalb wäre eine Forderung nach einer Bodenwertsteuer nur legitim und vom Grundgesetz abgedeckt. Mit einer solchen Forderung wäre die DASL in guter Gesellschaft. Sie müsste sich dafür gar nicht auf Karl Marx oder Friedrich Engels berufen. Es ist schlicht an der Zeit dafür. Auch bürgerliche Politiker von John Locke über Henry George bis Milton Friedman fordern seit Jahrhunderten Abgaben auf Bodenwertsteigerungen. Selbst Papst Paul VI. schloss sich dem an, und nicht zuletzt sah Ludwig Erhard eine Abgabe auf leistungslose Einkommen als geboten an. Sie sind Teil der sozialen Marktwirtschaft. Schließlich soll sich Leistung lohnen, nicht die Spekulation.
Der Autor ist freier Autor, Redakteur und Moderator. Er forscht zu Architektur, moderner Stadt und Stadtbaugeschichte sowie Architektur und Stadtplanung in der Türkei und lehrt in Norddeutschland, Istanbul und Ankara.
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