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Die Stärkung der Stärkeren

Diskurs
Die Stärkung der Stärkeren

Für viele ist sie ein Silberstreifen am Horizont, die sechste Novelle der Honorarordnung für Architekten

~Werner Seifert

und Ingenieure, kurz HOAI, verabschiedet im Bundeskabinett am 29. April. Wir erinnern uns: Bereits um die bis heute aktuelle Fassung der HOAI von 1996 wurde zäh gerungen. Zu großen Veränderungen kam es damals allerdings nicht. Die Tendenz war aber bereits erkennbar: Abkopplung der Honorare von den entstandenen Kosten. Was damals nur marginal glückte, soll nun, fast 14 Jahre später, umgesetzt werden. So ist es der erklärte Wille des Verordnungsgebers, schuldrechtliche Elemente aus der HOAI zu entfernen, die Honorarordnung möglichst einfach zu gestalten und die Honorare von den unternehmerischen Baupreisen abzukoppeln – sowie sie nebenbei noch zu erhöhen.
Offenbar ist es aber noch ein weiter Weg, bis die Quadratur des Honorarkreises gefunden ist: Denn eine HOAI, die maximal einfach und gerecht ist, gibt es nicht. Im Moment bleiben jedenfalls erhebliche Zweifel, ob die gesteckten Ziele mit der vorliegenden Neufassung erreicht werden können. Diese enthält unter anderem neu eingeführte schuldrechtliche Regelungen, etwa eine Leistungspflicht zur wirtschaftlichen Planung oder eine Pflicht zur »Erörterung« der Ergebnisse jeder Leistungsphase. Auch vertragliche Baukostenvereinbarungen sollen geregelt werden sowie Vertragsstrafen bei Kostenüberschreitung, elegant als »Malus-Honorar« bezeichnet. Die HOAI soll aber Preisrecht regeln, nicht Schuldrecht. Vorschriften, die gerade beim Bauen im Bestand von Bedeutung sind, werden zum Nachteil der Architekten abgeschafft, wie etwa »zeitliche Trennung« (bisher § 21), »verschiedene Leistungen« (bisher § 23) oder »vorhandene Bausubstanz« (bisher § 10 Abs. 3a). Dafür kann ein Umbauzuschlag von »bis zu achtzig Prozent« vereinbart werden. Es kann also auch weniger als den bisherigen Mindestzuschlag von zwanzig Prozent geben. Umgekehrt entfällt die einschränkende Vorschrift für »raumbildende Ausbauten« (bisher § 25 Abs. 1): Für Hochbau und Innenarchitektur können Architekten also zukünftig zwei Honorare verlangen, was bisher nicht zulässig war. Über Leistungsabgrenzung und an- rechenbare Kosten wird man dann vielfach streiten.
Auch die Architekten-/Ingenieurkammern und -verbände sehen die Schwierigkeiten, die sich aus der Neufassung der HOAI ergeben. Aufgrund des zeitlichen Rahmens sind sie jedoch in einer Zwickmühle: Soll die HOAI erhalten bleiben, muss sie der Bundesrat in einer der beiden letzten Sitzungen dieser Legislaturperiode – im Juni oder Juli – verabschieden. Andernfalls ist die HOAI aus europarechtlichen Gründen wohl kaum zu halten.
Von Kammern und Verbänden wird es deshalb als Erfolg verbucht, eine zehnprozentige Honorarerhöhung erreicht und ansonsten – entgegen dem ersten Entwurf – ein Stutzen der Tafelendwerte auf fünf Millionen Euro sowie eine Reduzierung auf die Leistungsphasen 1 bis 5 verhindert zu haben. Oberstes Ziel ist der Erhalt der HOAI. Auch der Wegfall von gleich vier Leistungsbildern (Thermische Bauphysik, Schallschutz und Raumakustik, Bodenmechanik sowie Vermessung) wird dafür zähneknirschend hingenommen.
Zukünftig soll die Kostenberechnung Honorargrundlage für alle Leistungsphasen sein. Dies wird jedoch zu erheblichen Problemen führen. Denn kaum eine Entwurfsplanung wird am Ende auch baulich umgesetzt. Honorarregelungen für Planungsänderungen sind aber wieder nur marginal ausgefallen. Die Planer werden also im Einzelfall schnell auf ein Abweichen von Planungszielen hinweisen müssen, soweit diese – hoffentlich – vertraglich fixiert sind. Und vielleicht fühlt sich ja auch ein Bauherr mitunter von seinem Architekten »über den Tisch gezogen«, wenn sich die Kostenberechnung am Ende als überaus »auskömmlich« erweist. Die Fixierung der Honorare auf die Kostenberechnung ist aber per se eine Schlechterstellung für die Planer, weil diese preislich auf den Zeitpunkt der Entwurfsplanung abzustellen ist. Sie ist keine Prognose auf Vergabe- oder Abrechnungssummen. Bei langen Planungs- und Bauzeiten, gegebenenfalls in mehreren Bauabschnitten und bei steigenden Baupreisen, wird die zehnprozentige Tafelerhöhung über den Zeitfaktor schnell aufgefressen sein.
Zu lange haben Architekten und Ingenieure die HOAI als soziale Hängematte gesehen. Die Auskömmlichkeit des zu vereinbarenden Honorars sollte künftig vor Vertragsabschluss kalkuliert werden. Aus einer neuen HOAI ergibt sich eine solche nicht automatisch. Daher wird es darauf ankommen, Leistungsinhalte und -umfang zu definieren und abzugrenzen. Ein deutlich größeres Gewicht liegt dann bei der Vertragsgestaltung. Bei mündlich geschlossenen Verträgen werden die Planer vielfach das Nachsehen haben. Honorargrundlagen, aber auch das geschuldete Funktionsprogramm, eine Baubeschreibung, Gestaltungsanforderungen sowie Kosten und Termine sollten mit jedem Vertrag schriftlich geregelt werden. Wenn sich Planer allerdings die Honorarbedingungen diktieren lassen, könnte sich der Silberstreifen am Horizont schnell als ein bedrohliches Gewitter entpuppen. Denken sie dagegen frühzeitig über Leistungsinhalte und Honorar nach, können sie gestärkt in Vertragsverhandlungen einsteigen und den Spielraum nutzen, der sich aus den zahlreichen und umfangreichen Veränderungen ergibt. Der Stärkere muss ja nicht immer der Bauherr sein.
Der Autor ist Architekt und arbeitet als Honorarsachverständiger Seminarreferent in Würzburg. Er publiziert zu den Themen Honorarabrechnung und Kostenplanung.
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